Schlafstörungen
PTA-Fortbildung

Wenn Schäfchenzählen nicht hilft …

Nicht schlafen zu können, ist eine Belastung, die die Betroffenen im täglichen Alltag einschränkt. Bevor Schlafmittel empfohlen werden, sollte die Ursache geklärt sein, denn sie kann vielfältig sein.

16 Minuten

Veröffentlichung der Teilnahmebescheinigung:
01. Februar 2020

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Empfehlung aus der Selbstmedikation Wer leichte medikamentöse Hilfe wünscht, kann sich in der Apotheke zu den zahlreichen homöopathischen, pflanzlichen und chemischen freiverkäuflichen Mitteln beraten lassen. Sanfte Beruhigung finden die Menschen, die Naturheilmittel und homöopathische Alternativen bevorzugen, bei homöopathischen Mono- oder Komplexmitteln. So ist Coffea ein Mittel der Homöopathie zur Behandlung von Schlafproblemen. Coffea wird in der Homöopathie für die Symptome eingesetzt, die der Kaffee normalerweise auslöst, wenn davon zu viel getrunken wurde: Schlaflosigkeit, Unruhe, Schwindel und Nervosität. Eine Kombination aus Passionsblume (Passiflora incarnata), Hafer (Avena sativa), Kaffee (Coffea arabica) und Zincum isovalerianicum ist ein beliebtes Komplexmittel.

Die Passionsblume reguliert das Nervensystem und mindert so Unruhezustände und nervöse Schlaflosigkeit. Hafer wirkt ausgleichend bei Überforderung und Schlafstörungen. Kaffeesamen und Zincum isovalerianicum, homöopathisch dosiert, sollen Nervosität und Schlafstörungen beseitigen. Die einzelnen Komponenten wirken tagsüber beruhigend, ohne dabei müde zu machen. Gelassenheit und Ruhe helfen, am Abend besser in den Schlaf zu kommen. Ebenfalls bewährt hat sich die Kombination aus Cimicifuga, Cocculus, Cypripedium pubescens, Ignatia, Lilium tigrinum, Passiflora incarnata, Platinum metallicum, Valeriana und Zincum valerianicum.

TIPPS FÜR DIE SCHLAFHYGIENE
+Halten Sie sich an regelmäßige Schlaf- und Aufstehzeiten.
+Vermeiden Sie große Mahlzeiten am Abend.
+Lassen Sie den Abend entspannt ausklingen.
+Vermeiden Sie regelmäßigen hohen Alkoholkonsum.
+Trinken Sie abends keine koffeinhaltigen Getränke.
+Achten Sie auf eine gute Schlafatmosphäre – richtige Matratze, gute Belüftung des Schlafraumes und Temperatur nicht höher als 20 Grad.
+Bewegen Sie sich regelmäßig an der frischen Luft.
+Vermeiden Sie den Mittagsschlaf bzw. begrenzen Sie ihn auf maximal 30 Minuten.
+Verbannen Sie elektronische Geräte aus dem Schlafzimmer.
+Fixieren Sie sich nicht zu sehr auf ihren Schlaf, übertriebene Erwartungen können oft nicht erfüllt werden.


Pflanzlich Eine gute Wahl in der Selbstmedikation gegen leichte Ein- und Durchschlafstörungen sind klassische Phytopharmaka. Arzneipflanzen, die sich bewährt haben, sind Johanniskraut, Lavendel, Baldrian, Hopfen, Passionsblume und Melisse. Ihre standardisierten Extrakte werden zur Beruhigung und Angstlösung oder bei Schlafstörungen eingesetzt. Welches Mittel für welchen Patienten geeignet ist, muss individuell entschieden werden. Lavendelöl gilt als gute Empfehlung für denjenigen, der unter nervös bedingten Unruhezuständen und daraus resultierenden Schlafstörungen leidet. Im ätherischen Öl sind viele verschiedene Substanzen enthalten, zum Beispiel Linalool und Linalylacetat, aber auch Gerbstoffe und Flavonoide. In Tierexperimenten wurden anxiolytische und beruhigende Eigenschaften des Lavendelöls nachgewiesen. Die Wirkung wird vermutlich über Beeinflussung des Serotoninstoffwechsels vermittelt.

Der Serotonin-1A-Rezeptor spielt eine wichtige Rolle in der Entstehung und Behandlung von Angst und Unruhe. In einer Placebo-kontrollierten Studie konnte gezeigt werden, dass Silexan® über eine Herunterregulierung von Serotonin-​1A-Rezeptoren im Gehirn beruhigend wirkt. Die Serotonin- Rezeptor-Bindung wurde in für Angsterleben wichtigen Gehirnregionen signifikant reduziert. Am Abend wird das Kreisen der Gedanken so vermindert und das Einschlafen erleichtert. Die Wirkstoffe des Lavendelöls rufen keine bekannten Wechselwirkungen mit anderen Arzneistoffen hervor. Da Anwender über Aufstoßen nach Einnahme der ätherischen Ölkapseln berichten, sollten PTA und Apotheker raten, die Kapseln zum Abendessen zu nehmen. Lavendelöle, Badezusätze mit Lavendelöl oder Duftsäckchen im Schlafzimmer können ebenfalls beruhigen. Extrakte aus der Passionsblume (Passiflora incanarta) sind eine weitere Option, wenn Schlafstörungen eher aufgrund von nervöser Unruhe bestehen.

Die wirksamen Inhaltstoffe sind Flavonoide, die die GABA beeinflussen und so zur Entspannung führen. Passionsblumenkraut wird als Tee und in oralen Darreichungsformen angeboten. Wer ein pflanzliches Schlafmittel kaufen möchte, denkt zunächst an Baldrian. Der Baldrianextrakt aus den Wurzeln von Valeriana officinalis ist bewährt und gut verträglich. Forscher haben festgestellt, dass die Inhaltstoffe des Baldrians Neurotransmitter im Gehirn verändern. Hauptinhaltsstoffe sind Valepotriate und ihre Abbauprodukte, die dosisabhängig entweder beruhigend oder schlafanstoßend wirken. Die Dosis einzuhalten ist wichtig, denn Unterdosierungen, aber auch Überdosierungen können paradoxe Reaktionen auslösen. So wird die bestehende Unruhe dann noch verstärkt. In der Selbstmedikation können auch Produkte, die lediglich zur Beruhigung dienen und höherdosierte, die zur Verbesserung des Schlafes geeignet sind, empfohlen werden. Weitere pflanzliche Beruhigungsmittel sind Zubereitungen aus Extrakten von Hopfen und Melisse. Diese werden häufig zusammen mit Baldrian als Kombinationspräparate empfohlen.

Doch jede Arzneipflanze für sich genommen kann als Tee oder Extrakt als Tropfen oder Tabletten als leichtes Schlaf- oder Beruhigungsmittel angewendet werden. Kombinationspräparate haben den Vorteil, dass sie sich in ihrem Wirkungsspektrum gut ergänzen. Soll zum ersten Mal ein leichtes Schlafmittel angewendet werden, dann sind die milden Phytopharmaka zu empfehlen. Obwohl sie wegen geringer Evidenz in der Leitlinie nur erwähnt werden, berichten viele Patienten über positive Effekte. Nicht zu vergessen ist eine gewisse Placebo-Wirkung, die bei psychisch bedingten Beschwerden diese verbessert. Tabletten mit Baldrian- oder anderen pflanzlichen Extrakten sind gut verträglich. Bis auf Johanniskrautextrakte besteht bei den anderen kein bekanntes Interaktionsrisiko. Apotheker und PTA sollten auf eine regelmäßige Anwendung hinweisen, denn die maximale Wirkung setzt erst nach zwei bis drei Wochen ein. Als Einschlafhilfe sollte die Tablette etwa eine Stunde vor dem Zubettgehen eingenommen werden.

L-Tryptophan Niedrige Serotoninspiegel können Schlafstörungen begünstigen. Aus der Aminosäure L-Tryptophan wird im Körper Serotonin und Melatonin synthetisiert. Daher soll die Zufuhr von L-Tryptophan das Schlafprofil verbessern. Dosierungen von einem Gramm der Aminosäure in Pulverform sollen eine halbe Stunde vor dem Schlafengehen eingenommen werden. Von Vorteil ist die milde Wirkung, ohne ein Hangover am nächsten Tag zu erzeugen. Es ist kein Abhängigkeitsrisiko bekannt. In der Leitlinie zur Therapie kommt L-Tryptophan allerdings nicht vor.

Chemisch in der Selbstmedikation H1-Antihistaminika der ersten Generation haben mehrere Wirkungen und deshalb auch verschiedene Indikationsgebiete. Sie wirken blockierend an histaminergen Rezeptoren. Da sie die Blut-​Hirnschranke überwinden, haben sie zentrale Effekte im Gehirn. So wirken sie dort sedierend, zusätzlich aber auch antiemetisch und antiallergisch. Zur Behandlung allergischer Beschwerden werden Doxylamin und Diphenhydramin fast gar nicht mehr genutzt, weil die Nebenwirkungen, zum Beispiel die Sedierung, hier nicht gewünscht sind. Die Hauptindikationen der „alten“ Antihistaminika sind Übelkeit, Erbrechen und Schlafstörungen. Allerdings sollten sie nur kurzzeitig zum Einsatz kommen. Sie verbessern das Einschlafen durch die schlafanstoßende Wirkung. Bei Abgabe sollte die Einnahme am Abend etwa 30 Minuten vor dem Schlafengehen empfohlen werden.

Es ist sicherzustellen, dass die Schlafdauer bis zum Aufstehen mindestens acht Stunden beträgt, damit ein Hangover am Morgen nicht die Reaktionsfähigkeit einschränkt. PTA und Apotheker sollten vor der Abgabe nach Vorerkrankungen fragen. So sollten Epileptiker, Patienten mit einem erhöhten Augeninnendruck, Prostatahypertrophie und Miktionsstörungen die chemischen Schlafmittel nicht angeraten bekommen. Problematisch sind die sogenannten „dirty drugs“ (Arzneistoffe, die an vielen verschiedenen Rezeptoren binden) auch aufgrund der anticholinergen Nebenwirkungen bei alten Menschen. Diese sind Mundtrockenheit, Tachykardie, Obstipation, Harnentleerungsstörungen und Kognitionsstörungen. Die H1-Antihistaminika erhöhen außerdem das Sturzrisiko, die QT-Zeit und bergen die Gefahr für ein Delir. Aus diesem Grund werden sie auf der Priscus-Liste für potenziell inadäquate Arzneistoffe im Alter geführt. In der Schwangerschaft sind die H1-Antihistaminika eine Therapieoption, wenn kurzfristig eine schlafanstoßende Wirkung benötigt wird. Der Erfahrungsumfang für den Einsatz in der Schwangerschaft ist relativ groß, auch weil sie gegen Schwangerschaftsübelkeit eingesetzt werden können. Die Studienlage bei den pflanzlichen Sedativa ist im Gegensatz dazu eher dünn.

Vorteil Apotheke Die S3-​Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen“ der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin setzt den Schwerpunkt der Therapie auf die nichtmedikamentösen Maßnahmen zur Verbesserung des Schlafes. PTA und Apotheker übernehmen deshalb bei der persönlichen Beratung zu Schlafstörungen eine verantwortungsvolle Aufgabe. Bei ersten Beschwerden kommen die Patienten zunächst in die Apotheke und suchen dort Rat. Im Gegensatz zu Bestellungen im Internet ohne Beratung, kann im persönlichen Gespräch besser eruiert werden, was die Ursachen für die Schlafprobleme sind, was der Betroffene bisher unternommen hat, ob er seine Schlafbedingungen verbessern kann und ob eine ärztliche Diagnostik nötig ist. Hilfreich ist es, sich den Medikationsplan des Patienten zeigen zu lassen. Er gibt einen Überblick über die Dauer-​Medikamente und die Erkrankungen.

Oftmals stören Medikamente den Schlaf. Durch Verschiebung der Einnahmezeitpunkte kann die Situation häufig verbessert werden. In der Apotheke können Broschüren und Tipps zur richtigen Schlafhygiene mitgegeben werden. Falls PTA und Apotheker die Schlafstörungen als eine Koerkrankung anderer Beschwerden identifizieren, zum Beispiel einer depressiven Verstimmung, dann gilt es, den Patienten an einen Arzt zu verweisen. Eine wichtige Rolle spielen die Mitarbeiter der Apotheke auch bei der Belieferung von Rezepten, auf den Schlafmittel verordnet werden. Hier können sie zum einen auf die richtige Einnahme hinweisen, nach möglichen Nebenwirkungen wie dem Hangover am nächsten Tag fragen und auf Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten achten. Bei Erstverordnung sollte der Patient erfahren, dass die Dosierung nur langsam erhöht werden darf, damit die Reaktionsfähigkeit nicht zu sehr eingeschränkt wird. Auch vom gleichzeitigen Genuss von Alkohol sollte explizit abgeraten werden. Wer den Eindruck hat, dass der Patient von Schlafmitteln abhängig ist, sollte versuchen, eine vertrauensvolle Basis im Gespräch zu finden und Wege aus der Abhängigkeit aufzuzeigen.

Dr. Katja Renner,
Apothekerin



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