Pilzvergiftungen
E-Learning-Fortbildung

Lecker bis tödlich

Sie mögen es gerne feucht, am liebsten warm, sind teilweise sehr schmackhaft, können berauschend aber auch giftig sein, sind mikroskopisch klein oder ganz groß, sind nützlich, können krankmachen, aber auch heilen und sie sind omnipräsent: Pilze.

19 Minuten

Pilze sind auf der ganzen Welt zu finden. Sie haben die ökologische Nische zwischen Tierreich und Pflanzenreich besetzt. Wohl das größte Lebewesen ist ein Hallimasch in den USA, dessen Gewicht auf circa 600 Tonnen und auf eine Größe von ungefähr 800 Fußballfeldern geschätzt wird. Pilze übernehmen viele Aufgaben, auch in unserem alltäglichen Leben. Brot, Wein und manche Arzneimittel wären ohne Pilze nicht existent. Es gibt unzählige Varianten der Zubereitung von Speisepilzen – und jetzt beginnt die Sammelsaison. Doch dabei kommt es leider immer wieder zu Verwechslungen. Und ein solcher Pilzgenuss kann tödlich verlaufen. Zu den wichtigsten Fragen gehören: „Was ist bei einer Pilzvergiftung zu tun?“, „Wie schnell wird eine Pilzvergiftung bemerkt?“ und „Welche Symptome sind typisch?“. Die Antworten sind ähnlich unterschiedlich wie die Pilze selbst.

Lernziele

Lernen Sie in dieser von der Bundesapothekerkammer akkreditierten Fortbildung
• wo Ihnen Pilze im Alltag begegnen,
• was Schimmelpilze so gefährlich macht,
• welche Arzneistoffe aus Pilzen gewonnen werden,
• wie sich die verschiedenen Pilzvergiftungen äußern und wie man sie behandelt,
• welche Fragen Sie dem Vergifteten bei Verdacht auf eine Pilzvergiftung stellen müssen und
• ob man sich mit psychoaktiven Pilzen auch vergiften kann.

Botanischer Steckbrief
Zur Energiegewinnung betreiben Pilze keine Fotosynthese, sondern sind auf organisches Material in ihrer Umgebung angewiesen (heterotroph), das durch enzymatische Zersetzung verfügbar wird. Die Aufnahme der Nährstoffe erfolgt durch die Zellwand (osmotroph), wobei zerkleinerte Abfälle, tote Tiere und tote Pflanzen wieder zu Erde und in den Ökokreislauf zurückgeführt werden. Ihre Vermehrung kann geschlechtlich sowie ungeschlechtlich durch Sporen oder vegetativ durch Ausbreitung sehr langlebiger Myzelien oder Mykorrhizen erfolgen. Mykorrhizza stellt eine Symbiose zwischen höheren Pflanzen und Pilzen dar, bei der der Pilz mit dem feinen Wurzelsystem einer Pflanze im Austausch steht – beide profitieren dabei voneinander.
Hefen, Hyphen- oder Myzelpilze sind einzellige Pilze, während Großpilze typische Fruchtkörper ausbilden, die hut-, keulen-, knollen- oder krustenförmig sein können. Diese Fruchtkörper bestehen aus dem sogenannten Plektenchym, einem Scheingewebe aus verflochtenen Hyphen. Als eukaryotische Zellen besitzen die Pilzzellen einen Zellkern, so wie die Zellen von Tieren, Pflanzen und Einzellern, aber Zellwände und Vakuolen wie Pflanzen. Die Zellwände der Pilze sind mit Chitin verstärkt. Wie Tiere bilden Pilze das Speicherkohlehydrat Glykogen aus.
Pilze bestehen, anders als Pflanzen und Tiere, nicht aus Gewebe, sondern bilden die sogenannte Hyphe, ein Geflecht aus Zellfäden aus. Die Gesamtheit der Hyphen wird als Myzel bezeichnet. Höhere Pilze bilden die klassischen Pilzgifte, während niedere Pilze, wie Schimmelpilze, Mykotoxine bilden.

Pilze im Alltag
Bei Speisepilzen, zu denen unter anderem Champignons, Pfifferlinge, Steinpilze, Morcheln oder Trüffel gehören, gilt, dass sich vor allem im Fruchtkörper von Wildpilzen häufig gesundheitsgefährdende Konzentrationen von Schwermetallen beziehungsweise Radionukliden befinden können. Außerdem finden sich Pilze nicht nur direkt auf unseren Tellern in leckeren Pilzgerichten, sondern auch „versteckt“ in verschiedenen Produkten wieder: Die einzelligen Hefepilze werden beispielsweise bei der Herstellung von Wein, Cider, Bier und Essig oder auch zum Brotbacken verwendet. Speziell kommen hier Hefen der Gattung Saccharomyces zum Einsatz. Bei der Weinherstellung können mit Hilfe sogenannter Reinzuchthefen der Gärverlauf, der Alkoholgehalt und verschiedene Aromen gezielt beeinflusst werden. Der Zucker der Beerensäfte wird von der Weinhefe vergoren. Ist kein Zucker mehr vorhanden, stellt die Hefe ihre Aktivität ein, stirbt und sinkt zu Boden. Freigesetzte Enzyme sorgen nun dafür, dass Bestandteile des Zytoplasmas und der Zellwand freigesetzt und an den Wein abgegeben werden. Diese sind für den typischen Geschmack des Weins mitverantwortlich. Bierhefe kann aus den Mono- oder Disacchariden des zugesetzten Getreides ebenfalls durch alkoholische Gärung Ethanol synthetisieren. Außerdem entsteht Kohlendioxid. Backhefe arbeitet prinzipiell identisch: Das hier entstandene Kohlendioxid schafft lockere und schmackhafte Teigwaren. Pilze werden auch für den Reifeprozess von Milchprodukten, insbesondere von Sauermilchprodukten oder Käse benötigt und verleihen den Produkten ihren besonderen Geschmack. Schimmelpilze, wie etwa der Einsatz von Weißschimmel bei Käsesorten wie Camembert, Brie oder Tomme, werden zum Veredeln einiger Käsesorten eingesetzt. Bei den Blauschimmel-Käsen, wie Gorgonzola oder Roquefort, sind Einschlüsse von blau bis grünlich erscheinenden Edelschimmelpilzen (Penicillium roqueforti; Penicillium glaucum) vorhanden.
Hefepilze finden auch im Herstellungsprozess von Bio-Ethanol Verwendung. Dieser wird durch Vergärung pflanzlicher Abfälle gewonnen und als Cellulose-Ethanol oder Lignocellulose-Ethanol bezeichnet. Auch in der Abfallwirtschaft werden Hefepilze zur sogenannten Biosorption eingesetzt. Zugesetzt in modernen Kläranlagen sind sie in der Lage, Zink, Kupfer, Cadmium und Uran aus Abwässern an ihre Zellstrukturen zu binden und diese somit zu isolieren.

Gesundheitsrisiko Schimmel
Schimmelpilze bauen organisches Material ab und sind nicht nur auf verdorbenen Lebensmitteln wie beispielsweise Brot, Früchten oder Milchprodukten zu finden. Sie können sich auch auf feuchtem Holz oder Wänden niederlassen. Schimmelpilze bilden auf befallenen Oberflächen ein schnell wachsendes und sichtbares Myzel. Dieser staubartige Belag kann weiß, grau bis tiefschwarz oder gelb, grün, blau bis leuchtend rot sein. Außerdem kommt es zur Entwicklung eines typisch modrigen Schimmelgeruches. Manche Schimmelpilz-Arten entwickeln Sporen, die zu Allergien oder bei immungeschwächten Personen zu Infektionen führen können, andere Schimmelpilze bilden Mykotoxine, also Pilzgifte.

Schimmel im Haus
Ein Schimmelpilzbefall lässt sich leider nicht schon am Anfang, sondern erst durch das Entstehen dunkler Flecken an den befallenen Stellen der Wände, in Ecken oder unter der Fensterbank entdecken. Deren Mykotoxine erschweren die Sanierungsarbeiten. Bei der Sanierung von befallenen Wänden muss eine großzügige, mechanische Entfernung des betroffenen Materials das Ziel sein. Möglich ist die Sanierung kleiner, bis zu einem halben Quadratmeter, betroffener Flächen durch den Laien selbst. Empfohlen wird hier beim Entfernen das Tragen von Handschuhe, Mundschutz mit Feinstaubfilter, Schutzbrille und eventuell eines Einweg-Overalls. Alle größeren Flächen mit Schimmelbefall müssen fachgerecht saniert werden.

Mykosen
Erkrankungen, die durch Pilze ausgelöst werden, heißen Mykosen – Menschen, Tiere sowie Pflanzen können gleichermaßen betroffen sein. Beim Menschen unterscheiden sich oberflächliche Mykosen von Systemmykosen. Dermatophyten sind Auslöser für Mykosen auf Haut, Haaren oder Nägeln, während auf Schleimhäuten häufig Hefen sogenannte Candidosen auslösen, zu denen Mund-Soor oder Vaginal-Mykosen gehören. Das Immunsystem der hier betroffenen Personen ist intakt, für lokal begrenzte Mykosen reicht in der Regel die Anwendung topischer Antimykotika aus. Lediglich zu beachten ist, dass die Behandlung ausreichend lange durchgeführt wird. Anfällig für Systemmykosen sind immungeschwächte Personen, also beispielsweise Menschen, die an einer Immunschwächekrankheit leiden, sich in einer Chemotherapie befinden oder vor kurzem beendet haben, aber auch Transplantationspatienten, deren Immunsystem medikamentös heruntergefahren wurde. Bei systemischen Mykosen gelangt der Erreger meist über die Lunge in den Blutkreislauf. Die Behandlung einer Systemmykose ist schwierig und nicht selten erfolglos, sodass die Infektion zum Tod führen kann.
Mykosen können auch prinzipiell bei allen Tieren auftreten: Vögel, Hunde, Katzen sowie Amphibien und sogar Insekten erkranken. Auch vor Pflanzen machen Pilze nicht Halt. Es gibt bis zu 10 000 bekannte Pilzkrankheiten bei Pflanzen. Zu den Pflanzenschädlingen gehören beim Mais der Maisbeulenbrand, beim Weizen der Steinbrand. Roggen wird vom Mutterkornpilz befallen, andere Kulturpflanzen leiden etwa unter Verticillium-Welke, Apfelschorf, Birnengitterrost, Obstbaumkrebs oder echtem Mehltau.

Sekundäre Pilzvergiftung
Speisepilze müssen immer frisch verwendet werden. Eine unsachgemäße Lagerung oder die Verwendung von überlagerten Pilzen sowie eine falsche Zubereitung können zum Verderb der Pilze führen. Der Genuss verdorbener Pilze löst dann eine sogenannte sekundäre Pilzvergiftung aus. Hier gilt, falls nach einer Pilzmahlzeit Übelkeit, Durchfall oder Erbrechen auftreten sollten, unverzüglich einen Notruf unter 112 abzusetzen oder mit einer Giftnotruf-Zentrale im jeweiligen Bundesland Kontakt aufzunehmen. Wenn möglich sind Reste des Pilzgerichtes oder Erbrochenes zu sichern. Untersagt ist die Anwendung von Medikamenten oder Hausmitteln. Wichtig ist hier die schnelle ärztliche Diagnose, um diese sekundäre Pilzvergiftung von einer „echten“ Pilzvergiftung durch Giftpilze abzugrenzen. Die richtige und schnelle Therapie kann bei Vergiftungen Leben retten.

Achtung - rohe Pilze
Die meisten Speisepilze werden erst nach dem ausreichenden Erhitzen zur köstlichen Speise. Sie enthalten hitzelabile Giftstoffe, die erst nach 15-minütigem Kochen oder Braten unschädlich gemacht werden. Nur wenige sind roh genießbar. Hierzu zählen beispielsweise Champignons, Shiitake, Austernpilze oder Kräuterseitlinge. Wildpilze sollten nie roh verzehrt werden, da sie unter anderem mit Eiern des Fuchsbandwurms belastet sein können.

Allergie
Sehr selten ist eine Pilzunverträglichkeit oder eine Pilzallergie. Auch hier treten nach dem Verzehr Übelkeit, Erbrechen und Durchfall auf. Falls ein solcher Verdacht besteht, ist es wichtig, dies zeitnah ärztlich abklären zu lassen und bis dahin gänzlich auf Pilze im Speiseplan zu verzichten.

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