Herpesinfektionen
PTA-Fortbildung

Eine schreckliche Familie

Herpes ist nicht gleich Herpes. Ein unschöner Lippenherpes, juckende Windpocken oder eine schmerzhafte Gürtelrose sind nur die bekanntesten unter den verschiedenen Herpesinfektionen.

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Häufiges Wiederaufflammen Genitalherpes neigt zu Rezidiven. Reaktivierungen des Virus sind mit bis zu zwölf Erkrankungen im Jahr deutlich häufiger als bei der Variante an den Lippen. Glücklicherweise verlaufen die Sekundärinfektionen zunehmend schwächer und kürzer. Auch hier spielt ein geschwächtes Immunsystem eine große Rolle. Vielfältige Auslöser lassen die Herpes simplex-Viren aus ihrem Ruhestadium in den Ganglien des Rückenmarks, wo sie bevorzugt in den Knotenpunkten im Bereich der Lendenregion und des Kreuzbeins schlummern, erwachen und entlang der Nervenzellen wieder zur Hautoberfläche wandern. Sekundärinfektionen können auch asymptomatisch verlaufen. Das Virus zeigt sich dann zwar nicht optisch, wird aber trotzdem ausgeschieden und weitergegeben.

SCHUTZ VOR HERPES ZOSTER UND POSTHERPETISCHER NEURALGIE

Gegen Gürtelrose kann geimpft werden. Die STIKO empfiehlt seit Dezember 2018 einen adjuvantierten Herpes-zoster-Totimpfstoff als Standardimpfung für alle Personen über 60 Jahren und als Indikationsimpfung für Personen über 50 Jahren mit Risikofaktoren (z. B. HIV-Infektionen, Rheumatoide Arthritis, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Asthma bronchiale, Diabetes mellitus). Die Impfung erfolgt zweimal im Abstand von zwei bis maximal sechs Monaten.

Die Impfung soll sowohl circa 90 Prozent der Fälle von Gürtelrose als auch einer postzosterischen Neuralgie verhindern. Im Gegensatz zum bereits zuvor verfügbaren Herpes-zoster-Lebendimpfstoff sind die Schutzraten mit dem Totimpfstoff deutlich höher. Zudem hält seine Wirkung länger an. Darüber hinaus gibt es keinen altersbedingten Wirkverlust, der beim Lebendimpfstoff zu verzeichnen ist. Der Lebendimpfstoff wird aufgrund der eingeschränkten Wirksamkeit und begrenzten Wirkdauer von der STIKO nicht als Standardimpfung empfohlen.

Kein Fall für die Selbstmedikation Im Gegensatz zum Herpes labialis gehört ein Herpes genitalis grundsätzlich in ärztliche Obhut. Ergibt sich im Beratungsgespräch in der Apotheke ein Verdacht auf einen Genitalherpes, sollte dem Betroffenen ein Besuch beim Arzt angeraten werden. Dieser entscheidet abhängig von der Ausprägung der Erkrankung, ob eine systemische Behandlung und damit rezeptpflichtige Substanzen notwendig sind. Auch hier ist wie beim Lippenherpes schnelles Handeln gefragt, denn die eingesetzten Nukleotid-Analoga helfen am besten, wenn sie innerhalb der ersten 48 Stunden nach Auftreten der ersten Symptome zum Einsatz kommen.

Mittel der Wahl ist Aciclovir, das fünfmal täglich eingenommen wird. Alternativ werden Valaciclovir oder Famciclovir mehrmals täglich oral verabreicht. Bei besonders schweren Verläufen wird unter Umständen Aciclovir intravenös gegeben. Stellen sich häufig Rezidive ein (über sechsmal pro Jahr), erwägt der Arzt eine Langzeitprophylaxe mit oralen Virustatika über einen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten. Gute Zusatzempfehlungen zur Linderung der schmerzhaften Beschwerden sind Sitzbäder mit iodhaltigen Lösungen oder Eichenrindenextrakt.

Doppelte Gefahr durch Varizella-Zoster Das Varizella- Zoster-Virus (VZV) ist gleich für zwei Erkrankungen verantwortlich. Bei Erstkontakt manifestiert es sich als Windpocken (Varizellen) und bei Reaktivierung führt es zur Gürtelrose (Herpes zoster). VZV sind die einzigen Viren der Herpesfamilie, die auch noch über einen großen Abstand aerogen, also über den „Wind“ beim Sprechen, Niesen oder Husten als Tröpfcheninfektion übertragen werden können, worauf auch die Bezeichnung Windpocken aufmerksam macht. Zugleich wird das Virus durch Schmierinfektion, also bei Berührung der virushaltigen Bläschenflüssigkeit oder der Krusten weitergegeben. Auch Speichel und Tränenflüssigkeit sind infektiös. Die Viren überdauern nach der Erstmanifestation vor allem in den Spinalganglien, das sind Nervenzellen in der Nähe des Rückenmarks, im Thorax-, seltener im Lumbalbereich. Sie können aber auch in Hirnnervenganglien wie dem Nervenknoten des Trigeminus jahrzehntelang schlummern.

Hochinfektiöse Windpocken Beim VHZ führt fast jeder Kontakt zwischen einer ungeschützten Person und einem Windpocken-Patienten zu einer Ansteckung. Vor Existenz der allgemeinen Impfempfehlung gegen die Varizellen haben die meisten schon im Kindesalter eine Varizellen-Infektion durchgemacht, weshalb die Erkrankung zu den klassischen Kinderkrankheiten zählt. Bei über 95 Prozent aller Erwachsenen ließen sich Antikörper gegen das Virus nachweisen. Nicht alle können sich an eine Infektion erinnern, da sie bei 30 Prozent symptomlos verläuft.

Typischerweise beginnen die Windpocken mit Fieber und Abgeschlagenheit. Nach einem erkältungsähnlichen Vorstadium zeigt sich ein stark juckender Hautausschlag, der sich von Kopf und Rumpf über den ganzen Körper ausbreitet und auch Schleimhäute, Genitalien und Kopfhaut befallen kann. Auf gerötetem Grund bilden sich hochinfektiöse flüssigkeitsgefüllte Bläschen, die später aufplatzen und zu Krusten eintrocknen. Da alle Stadien des Hautausschlages typischerweise zeitgleich auftreten, spricht man von einem Sternenhimmel. Die Bläschen verheilen meistens innerhalb von drei bis fünf Tagen.

Nach circa zwei Wochen fallen die Krusten ab, erst dann ist die Erkrankung nicht mehr ansteckend. Durch starkes Kratzen oder eine bakterielle Infektion der Haut können Narben zurückbleiben. Schwere Verläufe sind hauptsächlich bei Schwangeren, Kindern im Mutterleib, Neugeborenen oder Menschen mit geschwächter Immunabwehr zu erwarten. Im ersten und zweiten Trimenon der Schwangerschaft ist das VZV sehr gefährlich, es kann sich ein fetales Varizellensyndrom entwickeln. Dabei kann es zum Absterben der intrauterinen Frucht oder zu einer Fehlgeburt kommen. Überlebt das Ungeborene, sind schwere Missbildungen, Augenschäden und neurologische Erkrankungen möglich.

Einige der Neugeborenen versterben noch in den ersten Lebensmonaten. Erfolgt die Übertragung des Virus während der Geburt, können Neugeborene eine lebensbedrohliche generalisierte Varizellen-Infektion davontragen. Bei der Schwangeren ist das Risiko für eine Lungenentzündung (Varizellen- Pneumonie) erhöht, die teilweise tödlich verläuft. Auch für immunsupprimierte Personen besteht die Gefahr, eine Pneumonie oder bakterielle Superinfektionen (z. B. mit Staphylococcus aureus oder Streptococcus pyogenes) zu entwickeln.

Seltener kommt es zu einer Beteiligung des zentralen Nervensystems (z. B. Enzephalitis, Meningitis). Windpocken werden symptomatisch behandelt. Lotionen wie Lotio alba allein oder mit Lokalanästhetika wie Polidocanol kombiniert, gerbstoffhaltige Präparate oder orale Antihistaminika lindern den Juckreiz und verhindern damit ein Aufkratzen der Bläschen mit nachfolgender Narbenbildung. Analgetika lindern den Schmerz und eventuell bestehendes Fieber. Die wichtigste Prophylaxe gegen eine Windpockenerkrankung stellt die zweimalige Varizellen-Impfung dar.

Auf den schleichenden Rückzug der Herpesviren in den Körper bezieht sich auch der Name Herpes, der vom griechischen Wort herpein = kriechen stammt.


Gefürchtete Gürtelrose
Da eine Gürtelrose lediglich über eine Schmierinfektion weitergegeben werden kann, ist sie deutlich weniger infektiös als die Windpocken-Erkrankung. Personen mit Immunschwäche sowie Schwangere, die noch keinen Kontakt mit VZV hatten, sollten den Kontakt mit an Gürtelrose erkrankten Menschen dennoch unbedingt meiden, um nicht die Windpocken zu bekommen. Man geht davon aus, dass etwa 20 Prozent der Bevölkerung einmal im Leben eine Gürtelrose entwickelt. Allein in Deutschland werden jährlich über 400 000 Menschen von der Reaktivierung der VZV geplagt. Obwohl der VZV theoretisch in jedem Alter reaktiviert werden kann, steigt die Häufigkeit mit dem fünften Lebensjahrzehnt deutlich an, was mit der mit zunehmendem Alter sinkenden Abwehrkraft korreliert.

So haben weniger als ein Prozent der Bevölkerung unter 50 Jahren einen Zoster erlitten, bei Personen über 85 Jahren ist es hingegen jeder Zweite. Nach einer durchgemachten Zoster- Infektion besteht in der Regel Immunität, sodass die Erkrankung meist nur einmal im Leben auftritt. Allerdings können Menschen mit einem geschwächten Immunsystem auch öfters eine Episode erleben. Die Gürtelrose zeigt sich wie der Name andeutet als gürtelförmiger Hautausschlag, der in der Regel auf eine Körperhälfte beschränkt bleibt. Die Effloreszenzen treten meist am Rumpf oder im Gesicht auf, seltener an den Extremitäten.

Erste Anzeichen der Infektion sind ein allgemeines Krankheitsgefühl und Abgeschlagenheit, manchmal tritt leichtes Fieber hinzu. Wenig später verspüren die Betroffenen brennende Schmerzen in Versorgungsgebiet des befallenen Nervs, der auf die Reizung der Nervenbahn zurückzuführen ist. Schließlich schwillt die Haut in dem betroffenen Hautareal an und rötet sich. Es folgen kleine, mit seröser Flüssigkeit gefüllte Bläschen, die in Gruppen angeordnet sind. Wie bei den Windpocken platzen die Bläschen einige Tage später auf, trocknen ein und verkrusten. Nach spätestens drei bis vier Wochen fallen die Krusten ohne Narben zu hinterlassen ab. Rote Flecken bleiben noch einige Monate sichtbar.

Je nachdem welche Nervenregionen reaktiviert werden, bilden sich unterschiedliche Krankheitsbilder aus. Ist beispielsweise der Trigeminusnerv betroffen, kann es zu einem Zoster ophthalmicus kommen, der das Auge befällt und mit bleibenden Sehstörungen bis hin zur Erblindung einhergehen kann. Ein Hörverlust, Störungen des Gleichgewichts oder eine Gesichtslähmung können Folge eines Befalls im Bereich der Ohren sein (Zoster oticus). Sind Nerven im Genitalbereich befallen, zeigen sich Bläschen auf den äußeren Geschlechtsorganen bis hin zum Oberschenkel (Zoster genitalis).

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