Grippe und Grippeimpfung
PTA-Fortbildung

Dieses Jahr besonders gefürchtet

Welches Risiko hat die Influenza im Erkrankungsverlauf für die Betroffenen? Impfen – ja oder nein? Welcher Impfstoff ist für welchen Patienten geeignet? Gerade in diesem Herbst ist gutes Beratungswissen nötig!

18 Minuten

Veröffentlichung der Teilnahmebescheinigung:
01. November 2020

Impfstoffe Für die Grippeschutzimpfung sind überwiegend Totimpfstoffe bestehend aus hochgereinigten Spaltprodukten von Influenza-Viren (Spalt- oder Split-Impfstoffe) oder Oberflächenantigenen (Subunit-Impfstoffe) zugelassen. Diese sind verträglicher als Lebendvakzine, bewirken allerdings eine schwächere Antikörperbildung. Quadrivalente Impfstoffe mit zwei B-Stämmen sollen einen besseren Impfschutz als die trivalenten Vakzine bieten, insbesondere in Jahren, in denen Influenza-​B-Stämme dominieren. So wurde in der schweren Grippesaison 2017/18 etwa die Hälfte der Todesfälle durch Infektionen mit Influenza-B-​Stämmen hervorgerufen. Um die Immunantwort auch bei alten Menschen sicherzustellen und eine möglichst hohe Wirksamkeit der Impfung zu erreichen, kann entweder die Antigenmenge im Impfstoff erhöht werden oder es werden Adjuvanzien zugesetzt.

Das Prinzip des Adjuvanz ist, nach der Impfung immunkompetente Zellen vermehrt an die Injektionsstelle zu locken. Die Antigene des Impfstoffs werden verstärkt aufgenommen und in die Lymphknoten transportiert, wo nun eine höhere Aktivierung von T- und B-Zellen ausgelöst wird. So wird eine größere Menge an Antikörpern gebildet, die den Immunschutz erhöht. Als Adjuvanzien wurden bisher Aluminiumsalze, MF59 und AS03 (Öl-in-Wasser- Emulsionen) eingesetzt. Aluminiumsalze werden in den quadrivalenten Impfstoffen nicht mehr verwendet. Die Verträglichkeit der adjuvantierten Impfstoffe soll etwas schlechter sein als die der nicht adjuvantierten. So kommt es öfter zu Rötungen und Schwellungen an der Einstichstelle. Bis zum letzten Jahr war nur ein Impfstoff mit Adjuvanz in Deutschland für Personen über 65 Jahren zu gelassen – der trivalente Impfstoff Fluad.

Seit März hat die Europäische Kommission den Nachfolger, den ersten adjuvantierten quadrivalenten Influenza-Impfstoff (Fluad® Tetra) zugelassen. Hier sind die Antigene in die Öl-in- Wasser-Emulsion MF59C eingebracht. Fluad® Tetra ist für Personen ab 65 Jahren zugelassen. Es handelt sich um einen Totimpfstoff, der die Influenza- Oberflächenantigene Hämagglutinin und Neuraminidase enthält. Der neue quadrivalente Impfstoff soll vor vier Virusstämmen (zwei A- und zwei BStämmen) der saisonalen Influenza schützen. Welche Influenzastämme für die Impfstoffherstellung verwendet werden, hat die EMA (Europäische Arzneimittelagentur) im April dieses Jahres festgelegt.

Die trivalenten Impfstoffe enthalten zwei Influenza- A- und einen Influenza- B-Stamm. Die Bezeichnungen der Virusstämme sind folgendermaßen zu verstehen: Die Buchstaben A und B stehen für die Virustypen, der Ortsname bezieht sich auf den Ort, an dem das Virus zuerst isoliert wurde, die erste Ziffer gibt die Nummer des jeweils isolierten Stamms an, die zweite das Isolierungsjahr. Mit den Buchstaben H und N werden die Proteine der Virushülle Hämagglutinin( H) und Neuramidase (N) bezeichnet und durch die Zahl ihre Subtypen abgekürzt.

Durch Adjuvanzien im Impfstoff kann die Immunantwort erhöht werden.


In der Saison 2020/21 sind folgende Stämme vorgesehen: Bei den aus Hühnereikulturen gewonnen oder lebend attenuierten Vakzinen

  • A/Guangdong-Maonan/ SWL1536/2019 (H1N1) pdm09-like virus
  • A/Hong Kong/2671/2019 (H3N2)-like virus
  • B/Washington/02/2019 (B/Victoria lineage)-like virus
  • Bei den aus Zellkultur produzierten Impfstoffen:
  • A/Hawaii/70/2019 (H1N1) pdm09-like virus
  • A/Hong Kong/45/2019 (H3N2)-like virus
  • B/Washington/02/2019 (B/Victoria lineage)-like virus


Der tetravalente Impfstoff ist ergänzt um einen zweiten Influenza-B-Stamm. Hier bleibt es bei der sogenannte Yamagata-​Linie B/Phuket/3073/2013-like virus. Der Vierfach-Impfstoff ist für die Standardimpfung ab 60 Jahren und für Indikationsimpfungen vorgesehen. Die Anzüchtung der Impfviren erfolgt zum überwiegenden Teil – zu etwa 95 Prozent immer stammweise auf bebrüteten Hühnereiern. Nur etwa fünf Prozent werden in MDCK-Zellkulturen aus der Hundeniere produziert. Nach der sogenannten Virus-​Ernte werden bei Subunit-​Impfstoffen die Antigen-Untereinheiten aus der Virus-Hülle durch Aufreinigung und Aufbereitung gewonnen. Bei Spalt-​Impfstoffen werden die jeweiligen Spaltstücke aus der Virushülle isoliert.

Anschließend werden die monovalenten Stamm-Antigene zu einem trioder quadrivalenten Impfstoff zusammengeführt. Die Herstellung braucht etwa drei bis vier Monate. Immer wieder taucht die Frage in der Apotheke auf, ob Patienten mit einer Allergie gegen Hühnereiweiß mit einem aus Hühnereikulturen gewonnenen Impfstoff geimpft werden dürfen. Bei diesen Impfstoffen ist trotz der Aufreinigung nicht völlig ausgeschlossen, dass nicht Spuren von Hühnereiweiß im Impfstoff enthalten sein können. Früher wurde allen Hühnereiallergikern von so einer Impfung abgeraten. Heute halten die pädiatrischen und allergologischen Fachgesellschaften die Abfrage einer Ei-Allergie bei Patienten vor der Impfung nicht mehr für erforderlich. Das Nebenwirkungsrisiko ist laut der aktuellen Studienlage genauso hoch wie bei jeder anderen Impfung.

Personen, die nur mit leichten Symptomen auf den Konsum von Hühnereiweiß reagieren, können mit allen zugelassenen Influenza-Impfstoffen geimpft werden. Die Grippe- Impfung mit einem inaktivierten aus Hühnereikulturen produzierten Impfstoff wird bei einer Ei-​Allergie also nicht mehr ausgeschlossen und es werden auch keine besonderen Vorsichtsmaßnahmen bei der Impfung angeraten. Als Alternative steht aber auch in der kommenden Grippesaison ein Impfstoff zur Verfügung, der aus Zellkulturen gewonnen wurde. Prinzipiell können nach allen Impfungen anaphylaktische Reaktionen auftreten. Laut Statistik liegt die Häufigkeit bei etwa 1,3 Fällen auf eine Million Impfungen. Die Anaphylaxie- Rate unterscheidet sich wohl nicht zwischen den Ei-Allergikern und nicht-Ei-​allergischen Geimpften.

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