Ingwer.© jatrax / iStock / Getty Images

Evidenzbasiert

WURZELSTOCK MIT WIRKUNG

Das Rhizom des Ingwers wird schon seit Jahrtausenden wegen seines scharfen Geschmacks und seiner heilkundlichen Wirkungen als Gewürz und Arzneimittel verwendet. Was sagt die Studienlage dazu?

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Unterschiedlichste Kulturkreise schätzten und schätzen die Heilkraft des Ingwers (Zingiber officinale ROSCOE). In der traditionellen indischen Medizin (Ayurveda) ist Ingwer eine der wichtigsten Pflanzen, die quasi als Allheilmittel gebraucht wird. Die traditionelle chinesische Medizin (TCM) zählt Ingwer zu den „heißen“ Arzneipflanzen, die als Wärmespender dienen, und in der islamischen Welt gilt die Pflanze als heilig, da sie im Koran Erwähnung findet.

Alte Arzneipflanze Die Heimat der mehrjährigen Staude aus der Familie der Ingwergewächse (Zingiberaceae) liegt im tropischen Südostasien. Zudem wird Ingwer in vielen Gebieten des Tropengürtels kultiviert. Ingwer war eines der ersten asiatischen Gewürze, das nach Europa gelangte. Er wurde in der Antike bei den Griechen und Römern nicht nur zum Schärfen der Gerichte verwendet. Bereits im 1. Jahrhundert n. Chr. lobte der griechische Arzt Dioscurides in seiner fünfbändigen Arzneimittellehre die verdauungsfördernde und magenberuhigende Wirkung des Scharfmachers.

Im Mittelalter fand Ingwer Aufnahme in viele berühmte Kräuterbücher. Beispielsweise führte im 12. Jahrhundert Hildegard von Bingen seine anregende Wirkung auf den Magen-Darm-Trakt auf. Im 16. Jahrhundert empfahlen Paracelsus oder Matthiolus Ingwer insbesondere bei Magen-Darm-Beschwerden unterschiedlichster Art.

Bei uns kommt Ingwer heute vor allem als Antiemetikum bei Reiseübelkeit und bei dyspeptischen Beschwerden zum Einsatz. Ingwer lindert Brechreiz und Erbrechen, regt die Darmperistaltik an, fördert die Speichel-, Magensaft- und Gallensekretion und verhindert Völlegefühl nach üppigem Essen. Neue Indikationsgebiete scheinen sich in der Frauenheilkunde zu etablieren (z. B. vor und während der Menstruation).

Geweihförmiges Rhizom Von der rund 50 Arten umfassenden Gattung Zingiber BOEHM. wird die Art Zingiber officinale ROSCOE sowohl als Arzneipflanze als auch als Lebensmittel verwendet. Daneben gelangen noch andere wildwachsende Arten in den Handel, die aber nicht Aufnahme ins Europäische Arzneibuch (Ph. Eur.) gefunden haben. Aus einem knolligen Rhizom (Ingwerwurzelstock) treiben etwa ein Meter hohe schilfartige Stängel mit 20 Zentimeter langen lanzettlichen Blättern, die endständig Blütenstände aus gelben Blüten mit einer purpurfarbene Lippe tragen.

Das gelbe Innere der Rhizome ist von einer korkartigen Rinde umgeben. Das knollige Gebilde erinnert an ein Geweih, was sich auch in der Namensgebung widerspiegelt. Der lateinische Gattungsname Zingiber (indisch sringavera = geweihförmig) beschreibt die verzweigte Form, auf die auch die deutsche Bezeichnung Ingwer sowie der angelsächsische Name Ginger, die wiederum dem Zingiber entlehnt sind, Bezug nehmen.

Wirksame Scharfstoffe In den Sekretzellen des Rhizoms befindet sich ätherisches Öl, das mit der Hauptkomponente Zingiberol für den charakteristischen aromatischen Geruch verantwortlich ist. Der brennend scharfe und würzige Geschmack und die therapeutischen Wirkungen sind auf die nicht wasserdampfflüchtigen Scharfstoffe Gingerole und Shoagole zurückzuführen. Da sich die schärferen Shoagole erst bei Lagerung der Droge durch Wasserabspaltung aus den Gingerolen bilden, schmeckt eine länger gelagerte Knolle deutlich schärfer als frischer Ingwer. Überlagerte Ware besteht aus größeren Mengen Zingiberon, das ebenfalls ein Abbauprodukt der Gingerole darstellt, aber wenig Schärfe aufweist.

Arzneidroge und Fertigarzneimittel Während der zu einem früheren Zeitpunkt geerntete, weniger aromatische und mildere frische Ingwer („grüner“ Ingwer) als Küchengewürz dient, finden die getrockneten Rhizome arzneiliche Verwendung. Dafür kommen der geschnittene Ingwerwurzelstock und Trockenextrakte zur Teebereitung, die pulverisierte Droge in Kapseln sowie alkoholische Ingwerauszüge (Tinktur) zur Anwendung. Es sind diverse Fertigpräparate gegen Reiseübelkeit im Handel. Zur Linderung von Magen-Darm-Beschwerden hat sich vor allem das Trinken von Ingwertee, die Einnahme der Ingwertinktur sowie das Kauen kandierter Rhizom-Stückchen bewährt.

In Studien belegt Die Wirkungen des Ingwerwurzelstocks wurden in vielen Studien dokumentiert. Aufgrund der guten Datenlage zur Verhütung von Übelkeit und Erbrechen bei Reisekrankheit sowie zur Behandlung dyspeptischer Beschwerden hat die Kommission E für diese Indikationen bereits vor über 30 Jahren eine positive Monographie erstellt. In der jüngeren ESCOP-Monographie wird Ingwer zudem als postoperatives Antiemetikum sowie gegen Schwangerschaftserbrechen aufgeführt.

Lange Zeit nahm man an, dass die antiemetischen Effekte auf eine direkte Wirkung auf die Magenschleimhaut zurückgehen. Inzwischen wird von einer antagonistischen Wirkung an zentralen Serotonin-Rezeptoren ausgegangen (Serotonin-5-HT3-Rezeptor-Antagonist). Daneben kommt es zu einer Förderung der gastrointestinalen Motilität, des Gallenflusses, sowie der Speichel- und der Magensaftsekretion. Auch für einige der traditionellen Anwendungen, wie sie in der TCM oder in der ayurvedischen Medizin seit langem gebräuchlich sind, existieren inzwischen diverse Studien.

So zeigen Untersuchungen sowohl einen positiven Einfluss auf Beschwerden des Prämenstruellen Syndroms (PMS) als auch bei Menstruationsbeschwerden (Dysmenorhö). Die Schmerzlinderung wird auf die Gingerole zurückgeführt, die die Expression der Cyclooxigenase 2 inhibieren und somit als COX-2-Hemmer fungieren. Für andere traditionelle und volksheilkundliche Anwendungen, wie beispielsweise als Hustenmittel, Cholesterinsenker sowie als Mittel zur Stärkung des Herzmuskels oder zur Blutdrucksenkung, stehen anerkannte wissenschaftliche Belege bislang noch aus.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 04/2022 ab Seite 108.

Gode Chlond, Apothekerin

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