Oktopus auf schwarzem Hintergrund© sko / iStock / Getty Images Plus
Forscher haben vom Oktopus inspiriert ein Saugnapf-System entwickelt, durch das Wirkstoffe über die Mundschleimhaut in den Körper gelangen.

Wirkstoffe per Saugnapf

NEUE APPLIKATIONSFORM ENTWICKELT

Ein halbes Pfefferkorn war schuld, dass Postdoc Zhi Luo beim Essen mit Freunden eine innovative Idee kam: Indem sich das Gewürz an seiner Mundschleimhaut festsaugte und seinen Inhalt abgab, stellte sich dem Mediziner die Frage, ob das nicht auch mit Arzneistoffen geht.

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Viele gängige Medikamente gegen Diabetes, Adipositas oder Prostatakrebs bestehen aus relativ großen Molekülen wie Peptiden. Die werden dann entweder im Darm nicht resorbiert oder gleich im Verdauungstrakt abgebaut. Es bleibt also keine Wahl als sie zu injizieren.

Das ist für manche Menschen sehr unangenehm. Nach dem Erlebnis mit dem Pfefferkorn schaute sich Zhi Luo mit seinen Kollegen David Klein Cerrejon und Nevena Paunovič von der Technischen Hochschule Zürich den Mechanismus mal genauer an: und zwar beim Oktopus. Der hat bekanntlich äußerst effektive Saugnäpfe an seinen Krakenarmen. „Inspiriert durch die einzigartigen Strukturmerkmale von Oktopussaugern wurde ein selbstapplizierbares Saugpflaster entwickelt, das eine starke Haftung am Schleimhautgewebe und eine effektive mechanische Verformung des Schleimhautgewebes ermöglicht“ drückte es Zhi Luo vielleicht etwas umständlich aus. Heißt: Der rund ein Zentimeter breite und sechs Millimeter hohe Saugnapf wird von den Patienten mit zwei Fingern an die Wangenschleimhaut gedrückt. Durch den entstehenden Unterdruck wird die Schleimhaut in einen Hohlraum gesaugt, wobei sie sich ausdehnt. So wird sie durchlässiger für die Wirkstoffformulierung, die sich im kuppelförmigen Saugnapf befindet. Getragen wird er für ein paar Minuten an der Innenseite der Wange.

Probanden ziehen neue Applikation der Spritze vor

Und das taten die menschlichen Probanden gern: „Die allermeisten der 40 Teilnehmer gaben an, dass sie die neue Verabreichungsform einer Injektion deutlich vorziehen würden“, so das Fazit der Forschenden. Es wurde ohne weitere Optimierung eine systemische Exposition erreicht, die mit der zugelassenen oralen Semaglutid-Tablette vergleichbar war. Wir erinnern uns: Das ist der Wirkstoff der „Abnehmspritze“ Wegovy® und des Diabetes-Medikamentes Ozempic®.

Knifflig erwies sich für die Forscher, einen passenden, die Zellmembran auflockernden Wirkstoff zu finden. „Da es sich beim Saugnapf um eine völlig neue Verabreichungsmethode handelt, mussten wir lange experimentieren, bevor wir die passende Substanz fanden. Es stellte sich heraus, dass sich natürliche und körpereigene Stoffe hervorragend für diese Aufgabe eignen“, so Paunovič. Das Ganze wurde zunächst an Hunden getestet, da deren Wangenschleimhaut denen von Menschen gleicht. Die vertrugen das wunderbar.

Als nächstes gilt es den Saugnapf so zu produzieren, dass er den gängigen pharmazeutischen Vorschriften entspricht; jetzt beginnt die Suche nach Geldgebern. Jedoch müssen sich die drei Forscher wohl keine Sorgen machen: Da Peptide für die Pharmaindustrie einen Milliardenmarkt darstellen, haben schon einige Firmen Interesse bekundet, meldet die amerikanische Fachzeitschrift Science Translational Medicine.

Quellen:
https://www.scinexx.de/businessnews/wie-ein-saugnapf-medikamente-ins-blut-befoerdert/#
https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/pharmazie/injektion-ade-wirkstoffe-per-saugnapf-verabreichen/
 

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