Eine schwangere Frau liegt auf dem Sofa, verzieht das Gesicht und fasst sich an die Stirn.© globalmoments / iStock / Getty Images Plus
Topiramat ist in Deutschland unter Anderem zur Migräneprophylaxe zugelassen. Er erhöht jedoch das Risiko für Entwicklungsstörungen beim ungeborenen Kind, nimmt die Mutter Topiramat ein.

Risikobewertung

STRENGERE ABGABEREGELN FÜR TOPIRAMAT BEI FRAUEN

Schon länger weiß man, dass Topiramat bei Anwendung in der Schwangerschaft zu Fehlbildungen führen kann. Eine Neubewertung des Wirkstoffes durch die Europäische Arzneimittelbehörde zeigt noch weitere Risiken. Es folgen neue Abgaberegelungen.

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Die Europäische Arzneimittelbehörde (European Medicines Agency, EMA) leitet für Topiramat weitere Maßnahmen ein, um Risiken für ungeborene Kinder zu minimieren. Anlass dazu gab eine norwegische Studie.

Topiramat darf zukünftig nur noch unter strengen Voraussetzungen bei Frauen im gebärfähigen Alter angewendet werden. Der Wirkstoff ist in Deutschland bei Epilepsie und zur Migräneprophylaxe zugelassen.

Neue Daten zu Topiramat ausgewertet

Der Hintergrund: Der Pharmakovigilanz-Ausschuss der EMA hat eine Neubewertung von Topiramat vorgenommen. Dabei wurden erstmals auch Daten berücksichtigt, die das Risiko für neurologische Entwicklungsstörungen beim Kind nach Anwendung in der Schwangerschaft erfassen.

Anlass dazu war eine norwegische Studie aus dem Jahr 2022. Sie umfasste 25 000 Kinder, die im Mutterleib unterschiedlichen Arzneimitteln ausgesetzt waren. Die Forscher fanden ein doppelt bis viermal so hohes Risiko für Autismus, ADHS und geistige Behinderungen gegenüber Kindern, deren Mütter diese Medikamente nicht eingenommen hatten. Auch eine weitere Studie ergab diesen Zusammenhang. Nicht nur neurologische Entwicklungsstörungen waren unter Topiramat häufiger, auch Fehlbildungen und ein geringes Geburtsgewicht traten öfter auf.

Informationspflicht, Warnhinweise, Verhütung

Die EMA bekräftigt: Topiramat darf in der Schwangerschaft nicht gegen Migräne und auch nicht, wie in einigen europäischen Ländern zugelassen, in Kombination mit Phentermin zur Gewichtsreduktion eingesetzt werden. Außerdem müssen die Frauen hochwirksam verhüten. Epilepsie-Patientinnen sollen Topiramat nur noch verordnet bekommen, wenn keine Alternativen bestehen, und dann auch nur in geringstmöglicher Dosis.

Neu kommt jetzt die Einführung eines Schwangerschafts-Verhütungsprogrammes dazu, ähnlich wie bei Valproat. Das bedeutet: Die Patientinnen müssen bei der Verordnung umfassend über die Risiken und über die Notwendigkeit der Verhütung aufgeklärt werden. Verordnende Ärzte müssen, so die EMA, alternative Behandlungsmethoden in Betracht ziehen und die Notwendigkeit der Behandlung mit Topiramat muss mindestens einmal im Jahr neu bewertet werden. Ein Schwangerschaftstest vor Behandlungsbeginn ist außerdem zwingend erforderlich.

Achtung: Es gilt eine Informationspflicht für alle Angehörigen der Heilberufe, also auch für PTA, wenn sie das Rezept beliefern. Hier kommt es auf Fingerspitzengefühl an, um die Patientin nicht zu verunsichern.

Zu dem Thema wird es demnächst einen Rote-Hand-Brief geben. Weiter bekommen die Produktinformationen in Kürze ein Update und auf der Umverpackung sollen bald Warnhinweise stehen. Schulungsmaterial und zu jeder Packung eine Patientenkarte ergänzen das von der EMA angestoßene Maßnahmenpaket.

Quellen:
https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RV_STP/s-z/topiramat-schwangerschaft.html
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/verschaerfte-abgabe-bedingungen-bei-frauen-142122/
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ema-ueberprueft-risiken-in-der-schwangerschaft-135374/
Marte-Helene Bjørk, Helga Zoega, Maarit K. Leinonen et al: „Association of Prenatal Exposure to Antiseizure Medication With Risk of Autism and Intellectual Disability“, Jama Neurology, 31. Mai 2022. https://jamanetwork.com/journals/jamaneurology/fullarticle/2793003

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