3D-Darstellung von Gehirnwellen. Gehirnhälften sind in blau und orange eingefärbt© Pikovit44 / iStock / Getty Images
Viele Menschen haben mit Schlafproblemen zu kämpfen. Je nach Ausprägung und Dauer besteht Handlungsbedarf.

Repetitorium

SCHLAF UND SCHLAFSTÖRUNGEN – TEIL 1

Wer fit in den nächsten Tag starten will, braucht eine erholsame Nacht. Doch die ist nicht jedem vergönnt. Viele haben Schlafprobleme, einige derart ausgeprägt, dass sie behandlungsbedürftig sind.

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Teil 1 des Repetitoriums stellt zunächst Fakten rund um den Schlaf vor.

In Teil 2 werden verschiedene Schlafstörungen und in Teil 3 Therapieoptionen bei der Insomnie, den Ein- und/oder Durchschlafstörungen näher beleuchtet.

Eine Vielzahl von Menschen berichtet über Schlafstörungen. Die Apotheke ist dann häufig die erste Anlaufstelle.

Essenzielle Ruhephase

Ein Mensch verschläft etwa ein Drittel seines Lebens. Doch ist der nahezu bewusstlose Zustand keineswegs verlorene Zeit. Ohne Schlaf kann kein Mensch lange überleben. Die nächtliche Ruhephase ist in jedem Lebensalter wichtig. Sie dient dem körperlichen und geistigen Wohlbefinden sowie der Leistungsfähigkeit am Tag.

Schlaf ist das wichtigste Regenerations- und Reparaturprogramm des Menschen. Dafür schaltet der Organismus seine Körperfunktionen auf Sparflamme: Atmung und Puls verlangsamen sich, der Blutdruck sinkt, die Konzentration des Stresshormons Cortisol fällt ebenso wie die Körpertemperatur, die Muskulatur erschlafft und das Nervensystem ist weniger erregbar. In fast allen Organen laufen Aufbauprozesse ab.

Wachstumshormone werden ausgeschüttet, die neue Zelle entstehen lassen. Das Immunsystem wird angeregt, um Krankheitserreger und Infektionen abzuwehren und Heilungsprozesse zu fördern. Schlaf ist auch für die Gedächtnisbildung ein entscheidender Faktor. Das Gehirn wird gereinigt und das Gedächtnis neu geordnet. Überflüssige Informationen werden verworfen, wichtige Erinnerungen und Gelerntes vom Tage verfestigen sich, indem sie über Nacht vom Kurz- und Arbeitsgedächtnis ins Langzeitgedächtnis übertragen werden. 

„Schlaf ist ein aktiver Prozess, bei dem der Körper auf Hochtouren arbeitet.“

Zu wenig Schlaf geht hingegen nicht nur mit offensichtlichen Einschränkungen wie Tagesmüdigkeit, Erschöpfung, mangelnder Konzentrationsfähigkeit oder Leistungsminderungen einher. Ständig durchwachte Nächte können freie Radikale entstehen lassen, die Entzündungsprozesse und verschiedenste Erkrankungen begünstigen. Daher ist chronischer Schlafmangel mit einem erhöhten Risiko für 

  • Fettleibigkeit,
  • Diabetes,
  • Bluthochdruck,
  • koronare Herzkrankheit,
  • Schlaganfall,
  • psychischen Belastungen wie Depression oder Burnout
  • erhöhter Gesamtmortalität 

verbunden. Zudem geht man heute davon aus, dass zu wenig Schlaf auch ein Risikofaktor für Demenzerkrankungen ist.

Kurz- und Langschläfer

Die amerikanische Sleep Foundation empfiehlt für einen gesunden Erwachsenen zwischen sieben und neun Stunden Schlaf. Weniger sollte es in der Regel nicht sein. Doch nicht jeder Mensch benötigt gleich viel Schlaf, da das Schlafbedürfnis individuell variiert. Gene steuern die innere Uhr, die die individuelle Schlafdauer bestimmt. Schlafmediziner unterscheiden zwischen den Schlaftypen Kurz- und Langschläfer.

Kurzschläfer fühlen sich bereits nach fünf oder sechs Stunden Schlaf leistungsfähig. Langschläfer müssen hingegen mindestens acht Stunden, oft sogar neun Stunden und mehr schlafen, um fit zu sein. Allerdings zählen nur etwa vier Prozent der Erwachsenen zu den Kurzschläfern, die meisten benötigen etwa sieben bis acht Stunden Nachtruhe. Auch wenn der Schlafbedarf genetisch unterschiedlich ist, ist die Zeit, die Lang- und Kurzschläfer im Tiefschlaf verbringen, gleich. Der Unterschied besteht in der Menge des Traum- und Leichtschlafs, wovon die Langschläfer mehr bekommen.

Lerchen und Eulen

Zudem sind genetisch verschiedene Chronotypen (griech. chronos = Zeit) festgelegt. Der Chronotyp bestimmt, wann man am besten schläft beziehungsweise zu welcher Zeit jemand am leistungsfähigsten ist. Menschen, die prinzipiell gerne früh ins Bett gehen, werden als Frühtyp oder umgangssprachlich Lerchen (Frühaufsteher) bezeichnet.

Die anderen, die lange wach bleiben, sind die Spättypen oder Eulen (Nachtmenschen). Während extreme Frühtypen am Abend so früh müde werden, dass sie nicht mehr am sozialen Leben teilnehmen können, haben extreme Spättypen zwar das Potenzial lange aktiv zu bleiben, doch zugleich wiederum oft große Schwierigkeiten, morgens rechtzeitig aus dem Bett zu kommen.

Gelingt es den verschiedenen Chronotypen nicht, nach ihrem Bedürfnis zu ruhen, wird der Schlaf als nicht erholsam und der Tag als anstrengend erlebt. Untersuchungen zeigen, dass die meisten Menschen gegen ihre innere Uhr leben und damit entgegen ihrem eigenen Schlafbedürfnis zu spät ins Bett gehen - sowohl die Früh- als auch die Spättypen.

Vier bis fünf Schlafzyklen

Normalerweise verläuft der Schlaf in verschiedenen Zyklen, die sich während einer Nacht mehrmals nach einem bestimmten Schema wiederholen. Mit Hilfe eines Elektroenzephalogramms (EEG) können die Hirnströme aufgezeichnet und somit eine genaue Analyse des Schlafes vorgenommen werden. In der Regel werden vier bis fünf Schlafzyklen pro Nacht beobachtet, die jeweils ungefähr 90 Minuten andauern und sich immer in verschiedene Stadien beziehungsweise Schlafphasen unterteilen: Leichtschlaf, Tiefschlaf und REM-Schlaf.

Diese einzelnen Phasen unterscheiden sich wiederum durch Schlaftiefe, Gehirnaktivität und Intensität der Augenbewegung hinter den geschlossenen Lidern. Der REM-Schlaf trägt seinen Namen aufgrund der schnellen horizontalen Augenbewegungen (= Rapid Eye Movements). Er wird auch als Traumschlaf bezeichnet, da der Schlafende in dieser Zeit intensiv träumt. Leicht- und Tiefschlaf zählen zum Non-REM-Schlaf (= Non Rapid Eye Movement). Hier sind die Augen völlig ruhig. 

„Schlaf ist kein gleichmäßiger Zustand.“

Typisches Schlafmuster

Normalerweise sinkt der Mensch nach der Eischlafphase zunächst in einen leichten Schlaf. Im Leichtschlaf wird die Hirnaktivität langsamer, Atmung und Herzschlag sinken. In dieser Phase ist der Schlafende noch sehr leicht weckbar. Danach gleitet er über Zwischenstufen in den Tiefschlaf, währenddessen sich der Körper zunehmend entspannt. Die Atmung ist ruhig und Augenbewegungen finden nicht statt. Der Tiefschlaf kommt damit in der Nacht relativ früh und dauert etwa 30 Minuten.

Während dieser Zeit kann der Ruhende nur noch schwer geweckt werden. Diese Phase ist besonders wichtig. Sie dient der körperlichen und geistigen Regeneration. Wachstumshormone werden vermehrt ausgeschüttet, Membranschäden durch Reparaturenzyme behoben, ältere Enzyme durch neue ersetzt, neue Hautzellen gebildet, das Immunsystem hochgefahren. Zudem wird das Gehirn von nicht mehr benötigten Proteinen befreit. Es läuft ein Reinigungsprogramm ab, um den Abfall zu beseitigen. Zugleich werden Informationen sortiert.

Nicht benötigte Erinnerungen werden gelöscht und als wichtig bewertete Informationen ins Langzeitgedächtnis übertragen und durch mehrfaches Wiederholen gefestigt sowie mit altem Wissen verknüpft. Wenn diese Phase ungestört verläuft, wacht der Mensch frisch und ausgeruht auf. Daher werden die ersten Nachtstunden auch als die wichtigsten Stunden für die Erholung betrachtet. 

Anschließend gelangt der Mensch über den Leichtschlaf in einen neuen, völlig anders gearteten Zustand, in den REM-Schlaf. Puls und Atmung beschleunigen sich, der Schlafende beginnt mit den Augäpfeln wild unter den geschlossenen Lidern zu rollen, da er angeregt träumt. In dieser Phase der lebhaften Träume nimmt der Muskeltonus stark ab. Der Schlafende ist nahezu wie gelähmt, aber leicht aufzuwecken.

Oftmals erinnert er sich dann noch an seinen Traum, insbesondere an Albträume. Auch dieses Schlafstadium dient der Regeneration. In dieser Zeit werden vermehrt Eindrücke des Tages verarbeitet, Erlebtes emotional aufgearbeitet und damit neue Einsichten gewonnen, die den Körper auf neue Herausforderungen vorbereiten.

Auch prozedurale Gedächtnisinhalte, die vor allem Bewegungsabläufe umfassen, festigen sich vorrangig im REM-Schlaf. Da das Gehirn damit ähnlich aktiv ist wie im Wachszustand, der Körper aber ruhiggestellt ist, sprechen Schlafforscher beim REM-Schlaf auch vom paradoxen Schlaf.

REM und Non-REM im Wechsel

Nach dem Ende der REM-Phase beginnt ein neuer Zyklus, in dem sich REM- und Non-REM-Phasen wieder abwechseln. Im ersten Zyklus erreicht der Non-REM-Schlaf die größte Tiefe, im Verlauf der Nacht wird er dann in den nächsten Zyklen zum Morgen hin immer leichter und kürzer. Parallel nehmen die Leichtschlafphasen zu. Insgesamt machen sie circa die Hälfte des Nachtschlafs aus. Der REM-Anteil wird zum Ende der Schlafzeit immer häufiger und steigt von fünf bis zehn Minuten auf etwa 20 bis 30 Minuten in den Morgenstunden.

Schlaf im Alter

Außerdem verändert sich der Schlaf im Laufe des Lebens. In der Regel nimmt mit zunehmendem Alter die Länge des Schlafes ab. Säuglinge schlafen 16 Stunden, ein Kleinkind zwischen elf und 13, Jugendliche benötigen ungefähr neun und Erwachsene circa sieben bis neun Stunden Schlaf. Zudem verbringen Säuglinge noch die Hälfte ihrer Schlafzeit mit REM-Schlaf. Bei Erwachsenen machen die Traumschlafphasen nur noch ungefähr 20 Prozent des Nachtschlafes aus. Forscher vermuten, dass die REM-Phasen bei den Kindern die Hirnentwicklung fördern. 

Darüber hinaus ist in der zweiten Lebenshälfte die Einschlafzeit verlängert und die Tiefschlafphasen nehmen ab. Der Schlaf wird insgesamt leichter und ist somit anfälliger für Störungen. Als eine Ursache dafür wird die im Alter geringer werdende Produktion des Schlafhormons Melatonin angenommen. Melatonin, das in der Epiphyse (Zirbeldrüse) aus Serotonin gebildet wird, ist an der Steuerung des Tag-Nacht-Rhythmus beteiligt. Seine Synthese erfolgt fast ausschließlich nachts, durch Tageslicht wird sie gestört. Ist zu wenig Melatonin vorhanden, ist der Tag-Nacht-Rhythmus nicht mehr so ausgeprägt. Folglich nimmt die Müdigkeit tagsüber etwas zu, wohingegen man nachts nicht mehr so tief schläft. Daher schlafen Ältere insgesamt unruhiger. Sie wachen öfter unfreiwillig auf – beispielsweise durch nächtlichen Harndrang, Schmerzen oder chronische Erkrankungen – und können schwerer wieder einschlafen. Das vermittelt ihnen das Gefühl, weniger und schlecht geschlafen zu haben. Hinzu kommt, dass ab dem 40. Lebensjahr die Zeit, die man nachts wach liegt, um etwa eine Minute pro Jahr kontinuierlich zunimmt. Somit liegen Menschen über 65 Jahren möglicherweise zwei Stunden pro Nacht wach, unterdessen Jüngere lediglich für 30 Minuten aus dem Schlaf erwachen. 

Allerdings benötigt ein älterer Mensch insgesamt nicht weniger Schlaf. Die Annahme, dass Ältere aufgrund des geringeren Energieverbrauchs auf weniger Schlaf angewiesen sind, gilt heute als überholt. Der genetische Typ des eher Lang- beziehungsweise Kurzschläfers bleibt auch mit dem Älterwerden erhalten. Lediglich die Verteilung des Schlafes ist eine andere. So legen sich viele Menschen in der zweiten Lebenshälfte aufgrund der Tagesmüdigkeit zwischendurch für einen Mittagsschlaf mal hin. Gehen sie dennoch relativ früh ins Bett, wachen sie dementsprechend auch früher wieder auf. Daher ist es möglich, dass manche im Alter ihren Chronotyp verändern. Menschen, die als Langschläfer geboren wurden, können als Senioren plötzlich am frühen Morgen aktiv sein („senile Bettflucht“). Der Mittagsschlaf sollte jedoch nicht zu lange ausgedehnt werden. Der Betroffene fühlt sich nur körperlich und geistig fit, wenn die eingehaltene Ruhe höchstens eine halbe Stunde andauert. Bei längerer Ruhezeit gerät man in die Tiefschlafphase, aus der das Gehirn nach dem Erwachen viel länger braucht, um wieder voll leistungsfähig zu sein.

Schlafqualität entscheidend

Für ausreichende Erholung und Wohlbefinden ist nicht die Dauer des Schlafes wesentlich. Für einen erholsamen Schlaf ist vielmehr die Beschaffenheit der Nachtruhe wichtig. Eine normale Schlafarchitektur, bei der REM- und Non-REM-Phasen in physiologischer Weise ablaufen und sich abwechseln, ist Voraussetzung für eine gute Schlafqualität. Dann fühlt sich der Mensch am nächsten Morgen erholt. Damit können auch Kurzschläfer, die nur fünf Stunden geruht haben, einen erholsamen Schlaf erleben.

Viele Kunden haben aber falsche Vorstellungen. Sie glauben, wenn sie nachts nicht mindestens acht Stunden am Stück geschlafen haben, unter Schlafstörungen zu leiden. Nächtliches kurzes Erwachen ist jedoch normal. Bis zu vier solcher Aufwachreaktionen pro Stunde sind physiologisch. Dauern sie kürzer als zwei bis drei Minuten, kann man sich nicht einmal an sie erinnern. Erst wenn der Betroffene länger munter bleibt, weiß er am nächsten Morgen noch davon. Aber auch das muss nicht schlafstörend sein. Nur wenn aufgrund dessen auch tagsüber wiederholt Beschwerden wie Konzentrationsschwierigkeiten, mangelnde Belastbarkeit, Tagesmüdigkeit oder Einschlafen wider Willen auftreten, sprechen Schlafmediziner von Schlafstörungen beziehungsweise von einem nicht erholsamen Schlaf, der behandlungsbedürftig ist.

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