Abbildungen von Doppelhelix und Gehirn© Alena Butusava / iStock / Getty Images Plus
Der Anteil an methyliertem FKBP5 wirkt sich auf das Volumen eines bestimmten Hirnbereiches aus.

Psychische Erkrankungen

STRESS IN DER KINDHEIT BEEINFLUSST UNSERE GENE

Schon lange weiß man, dass Stress psychische Erkrankungen wie Depressionen oder posttraumatische Belastungsstörungen auslösen oder verstärken kann. Neu ist das Wissen, dass Stress dazu unser Erbgut ändert. Und das wirkt sich gerade auf Kinder enorm aus.

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Stress begünstigt psychische Erkrankungen. Das hängt mit dem Stresshormon Cortisol zusammen, aber auch mit den Genen, die am Cortisol-Signalweg beteiligt sind. Forschende aus Mannheim zeigen nun, wie das konkret im Gehirn aussehen kann.

Stress in der Kindheit verändert die Häufigkeit, mit der ein bestimmtes Gen abgelesen wird. Dieses beeinflusst zentrale Prozesse wie den Cortisol-Signalweg. Und noch mehr: Wird dieses Gen oft abgelesen, verändern sich ganze Hirnareale. Sie schrumpfen und machen die Betroffenen damit ihr Leben lang empfindlicher gegen Stress.

Das konnte jetzt eine Gruppe Forschender des Zentralinstituts für seelische Gesundheit in Mannheim zeigen. Die Erkenntnisse helfen, die Entstehung psychischer Erkrankungen besser zu verstehen. Das wiederum soll die Therapie individualisieren und die Prävention verbessern.

Gen beeinflusst Stressreaktion

Die Mannheimer Forschenden untersuchten bei 395 gesunden Personen die biologischen Prozesse, die hinter stressbedingten Veränderungen im Gehirn stecken. Besonders konzentrierten sich die Wissenschaftler auf das Gen FKBP5, genauer gesagt, den mit Methylgruppen verbundenen Anteil des Gens. Dazu nahm das Team um Professor Dr. Dr. Heike Tost den Probanden Blut ab, untersuchte ihr Gehirn im Magnetresonanztomographen (MRT) und ließ sie über sieben Tage detaillierte Fragen zu ihren Gedanken und Gefühlen auf einem Studien-Smartphone beantworten.

Das FKBP5-Gen enthält den Bauplan für FKBP5, ein Helferprotein in der Stress-Endokrinologie und bei der Glukokortikoid-Signalgebung. Es reguliert also Stress über Stresshormone.

Die Ergebnisse waren eindeutig: Hatten die Personen einen niedrigeren Anteil an methyliertem FKBP5 im Blut, war auch das Volumen eines bestimmten Hirnbereiches reduziert, eines Teils des präfrontalen Cortex. Dieser Bereich spielt eine zentrale Rolle bei der Reaktion des betreffenden Menschen auf Stress, indem er eine tieferliegende Region des Hirns beeinflusst, nämlich die Amygdala. Sie steuert unsere Gefühle und Reaktionen. Die Amygdala bewertet, ob Gefahr droht, und sendet entsprechende Reaktionen an unser Nervensystem. Der präfrontale Cortex kann auf die Amygdala einwirken und so unser Verhalten beeinflussen.

Warum spielt es eine Rolle, ob das FKBP5-Gen methyliert ist?

Methylierungen von Genen benutzt unser Körper, um sich an Umwelteinflüsse anzupassen. Die Methylierung beeinflusst die Gen-Aktivität: Eine geringe Methylierung führt dazu, dass sie häufig abgelesen und in Proteine umgeschrieben werden. Im Falle des Gens FKBP5 bedeutet eine hohe Ableserate

  • die Beeinflussung des Cortisol-Signalweges,
  • verringertes Nervenzellwachstum im präfrontalen Cortex
  • und so eine verstärkte Reaktion auf alltägliche Stressfaktoren.

Stress bei Kindern und FKBP5

Stress in frühen Lebensphasen verursacht eine Glucocorticoid-abhängige Demethylierung von FKBP5. Betreffende Personen sind also ihr Leben lang weniger stressresistent. Bei ihnen sind die Bereiche im präfrontalen Cortex, die mit der Amygdala zusammenarbeiten, außerdem weniger voluminös.

Neuer Ansatz zur Behandlung und Vorbeugung?

Bereits in früheren Versuchen zeigte sich, dass eine pharmakologische Hemmung von FKBP5 angstlösend wirkt. Im Gegensatz dazu steht eine erhöhte Gen-Aktivität im Zusammenhang mit Angststörungen und beeinträchtigter Stressresistenz. Die Erkenntnisse könnten für die Behandlung und Vorbeugung psychiatrischer Erkrankungen große Bedeutung haben. Auch Professor Tost ist davon überzeugt, dass die Forschung die biologischen Grundlagen zur Stressverarbeitung nun besser versteht. Das langfristige Ziel: innovative Ansätze zu einer personalisierten Behandlung für psychisch Erkrankte zu finden. In einer Welt, in der Stress eine zentrale Rolle spielt, wird die Behandlung und Prävention der Folgeerkrankungen zunehmend wichtig sein.

Quellen:
https://idw-online.de/de/news831569
https://www.biologicalpsychiatryjournal.com/article/S0006-3223(24)01141-7/fulltext#secsectitle0045

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