Eine behandschuhte Hand hält eine Blut- und eine Urinprobe in je einer Hand© Dmitriy Sidor / iStock / Getty Images Plus
Blut und Urin - genügen die Flüssigkeiten bald für die Krebsfrüherkennung?

Glycosaminoglycane

REVOLUTIONIERT GÜNSTIGER KREBSTEST DIE FRÜHERKENNUNG?

Den Nachweis von Krebs durch einen einfachen Test ermitteln – diesem Traum sind schwedische Wissenschaftler nun ein Stück näher gekommen.  Der neue Marker, der Zuckermoleküle in Körperflüssigkeiten misst, ist zudem äußerst kostengünstig.

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Glycosaminoglycane (GAGs), so heißen spezielle Zuckerverbindungen, die auf gesunden, aber auch entarteten Zellen zu finden sind. Ihre Struktur und auch die Häufigkeit verändert sich im Zuge einer Krebserkrankung und kann im Blut, aber auch im Urin nachgewiesen werden. Diese Tatsache machte sich das Team um Francesco Gatto von der Chalmers University of Technology zunutze, indem es einen speziellen Test entwickelte.

Der Test ist eine so genannte Flüssigbiopsie. Bei dieser wird im Unterschied zu herkömmlichen Biopsien keine Gewebeprobe entnommen und analysiert. Sondern es werden dazu Körperflüssigkeiten auf Biomarker untersucht. Diese Tests sind einfach durchzuführen und sind besonders nützlich bei solchen Krebsarten, bei denen eine Nadelbiopsie riskant wäre – etwa bei Lungen- oder Hirntumoren. Flüssigbiopsien werden bislang nur ergänzend empfohlen, da Gewebetests in ihrer Aussagekraft meist deutlich überlegen sind – bis jetzt.

Sechs von zehn Fällen konnten diagnostiziert werden

Mit 1260 Probanden – Gesunden wie Krebskranken – führten die Forscher nun eine Studie durch. Sie setzten sich selbst die Vorgabe, bei gesunden Menschen höchstens fünf Prozent falsch positive Testergebnisse zu erhalten – das entspricht einer Spezifität von 95 Prozent. Dabei ermittelten die Wissenschaftler eine Sensitivität von 41,6 Prozent, Krebsstadien der Phase 1 allein mittels Blutproben zu erkennen. Nach einer zusätzlichen Urinprobe stieg die Sensitivität auf 62,3 Prozent – sechs von zehn Krebsfällen konnten also korrekt diagnostiziert werden. Nur bei vier Erkrankten schlug die Untersuchung nicht an.

Einfach und kostengünstig – so könnte die neue GAGs-Analyse vermarktet werden, betonten die Studienautoren. Der Test eigne sich daher besonders gut für Massenuntersuchungen, da die Kosten sich pro Analyse lediglich um 50 Dollar bewegten. Damit ist dieses Testverfahren fünf- bis zehnmal günstiger als die blutbasierte Krebs-Früherkennung.

Trotzdem: Ganz genau weiß man nicht, warum die GAGs in Krebszellen eine andere Struktur aufweisen als in gesunden Zellen. Doch die Zuckerverbindungen als Nachweismethode für Krebserkrankungen zu verwenden, sei „spannend“. Das sagte Almut Schulze vom Deutschen Krebsforschungszentrum. Beeindruckend sei auch, dass die Autoren eine so große Kohorte haben untersuchen können – in Deutschland sei es kaum möglich, so viele Blutproben für derartige Forschungszwecke zu erhalten.

„Von regelhafter Anwendung noch weit entfernt“

Doch es gibt einen Haken: Wenn die Patienten am metabolischen Syndrom (Übergewicht, Bluthochdruck, Zucker- und Fettstoffwechselstörungen) leiden, verändert das die Struktur der GAGs ebenfalls. Und das führt dann eventuell zu einem falsch positiven Test. Auch deshalb sei der noch „weit von einer regelhaften Anwendung entfernt“, sagte Edgar Dahl, Leiter der Molekularen Onkologie sowie der Molekularpathologischen Diagnostik an der Uniklinik der RWTH Aachen.

„Die Spezifität von 95 Prozent klingt zwar erst mal gut, würde aber für einen diagnostischen Screening-Test heißen, dass jeder 20. Patient falsch positiv bewertet würde.“ Das sind bei einer Million Getesteten immerhin 50 000 Menschen, die mit einer falschen Krebsdiagnose konfrontiert und verunsichert werden. Es besteht also noch viel Validierungsbedarf.

Quelle: Spektrum.de

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