KINDER IMMER HÄUFIGER KURZSICHTIG

Zwei Stunden Mathe, zwei Stunden Englisch, nachmittags Informatikunterricht und zwischendurch Videos auf dem Smartphone anschauen. So oder so ähnlich gestaltet sich der Alltag vieler Schülerinnen und Schüler. All das soll Kurzsichtigkeit - Myopie genannt - begünstigen.

Ist Schule damit schlecht für die Augen? Professor Wolf Lagrèze von der Klinik für Augenheilkunde der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg erklärt, wieso Menschen kurzsichtig werden, wie man Kurzsichtigkeit erkennt und was vorbeugend dagegen getan werden kann.

Wolf Lagrèze erklärt: „Es gibt in Europa einen Zusammenhang zwischen der Brechkraft der Augen und der Dauer der Ausbildung beziehungsweise dem Bildungsstand. Daten aus England haben beispielsweise gezeigt, dass man im Mittel pro Jahr Schulbildung und weiterführender Ausbildung 0,3 Dioptrien kurzsichtiger wird."

Schule könne laut Lagrèze also einen Einfluss haben. Durch Tätigkeiten im Nahbereich - beispielsweise beim Lernen - werde viel auf kurze Distanz geschaut und somit der Fernblick vernachlässigt.

Doch er meint auch: „In den letzten circa 15 Jahren hat die Rate der Kurzsichtigkeit in Deutschland allerdings nicht sicher zugenommen. Nur bei Betrachtung von längeren Zeiträumen über mehrere Generationen findet man in Europa eine Zunahme."

Zu den Ursachen der Entstehung von Kurzsichtigkeit sagt Lagrèze: „Zum kleineren Teil Vererbung und zum größeren Teil Umweltfaktoren. In anderen Teilen der Welt - beispielsweise in Asien - ist die Myopie-Rate mit teils über 80 Prozent deutlich höher als bei uns und hat in den letzten Jahrzehnten auch deutlich zugenommen."

Das hänge mit den dortigen Lebensumständen zusammen. In asiatischen Metropolen verbringen Kinder oftmals deutlich mehr Zeit in Innenräumen. Die genetische Veranlagung sei in diesem Fall somit eher untergeordnet, denn vor rund 60 Jahren waren die Myopie-Raten in Asien genauso wie bei uns, sagt der Mediziner.

„Für Kurzsichtigkeit sind also vielmehr Umweltfaktoren verantwortlich: Tageslichtexposition und die Frage, ob man drinnen oder draußen ist." Für Lagrèze spielt daher der Lebensstil eine Rolle. 

Auf die Frage, wie man herausfinde, ob das eigene Kind kurzsichtig sei und was man daraufhin tun solle, antwortet der Augenarzt gegenüber der dpa: „Das Einfachste ist, wenn man einen Vergleich hat. Also einen Erwachsenen beispielsweise, der weiß, dass er eine volle Sehschärfe hat. Sagen wir, ich stehe gerade an einem Fenster und schaue auf einen Parkplatz, auf dem Autos parken. Die Nummernschilder kann ich geradeso erkennen. Da kann ich ja das Kind fragen: «Siehst du das auch?» Und wenn das Kind die Nummernschilder nicht lesen kann, dann sollte man zum Augenarzt gehen - ganz einfach."

Prophylaktisch sei es wichtig, dass das Kind ausreichend Tageslicht abbekommen. Mindestens zwei Stunden am Tag. Auch die Bildschirmzeit am Handy, Tablet oder Computer sollte man möglichst auf eine Stunde am Tag begrenzen. Außerdem sollte der Leseabstand nicht unter 30 Zentimeter sein. 

Quelle: dpa