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Lungenerkrankungen

DAS UNVERGÄNGLICHE

Wie verhält sich eigentlich Asbest, wenn er in die Lunge gerät. Ist er auch nach Jahren noch nachweisbar oder kann sich das Gewebe davon befreien? Eine Studie der Ruhr-Universität Bochum gibt Aufschluss darüber.

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Feinstaub aus Motoren und Industrieanlagen sowie der Ausstoß von Stickoxiden aus Dieselmotoren – das belastet nicht nur unser Verhältnis zu Autoherstellern und Politikern, es belastet auch unsere Gesundheit. Vergessen sollte man darüber aber nicht die Gefahren, die von Asbest ausgehen, dessen Verarbeitung bereits 1993 in Deutschland und 2005 in der Europäischen Union verboten wurde. Der Werkstoff begegnet uns immer noch in langlebigen Produkten, wie Bodenbelägen oder Dachplatten. Und auch in den Lungen derer, die damals damit gearbeitet und bis jetzt überlebt haben. Er ist anscheinend wirklich unvergänglich, wie es der Name sagt, der aus dem Griechischen kommt und so viel wie „unzerstörbar“ heißt.

Beliebter Werkstoff Asbest ist eine Sammelbezeichnung für natürlich vorkommende, faserartige silikatische Minerale mit einem sehr geringen Faserdurchmesser, der minimal zwei Mikrometer betragen kann. Das Mineral ist chemisch sehr beständig, unempfindlich gegen Hitze und nicht brennbar. Es weist eine hohe Elastizität und Zugfestigkeit auf und lässt sich aufgrund seiner Bindefähigkeit mit anderen Materialien leicht zu den verschiedensten Produkten, wie Platten für Brems- und Kupplungsbeläge von Fahrzeugen oder Dichtungen für hohe thermische Belastungen verarbeiten. Insgesamt wurden daraus mehr als 3000 verschiedene Produkte hergestellt, darunter glatte Fassaden- oder die typischen gewellten Dachplatten, aber auch Blumenkästen und Aschenbecher.

Auch in Nachtspeicheröfen und Haushaltsgeräten, wie Toaster, Bügeleisen oder Föhn wurde es integriert. Asbest ist also nicht nur für bestimmte Berufsgruppen eine Gefahr, sondern durch den nahezu flächendeckenden Einsatz für jedermann. In den 1930er Jahren fing man mit der Verarbeitung an. In den darauffolgenden Jahrzehnten wurde Asbest in so großen Mengen wie kaum ein anderer Werkstoff verwendet. So betrug der Asbestverbrauch in den Jahren 1950 bis 1985 etwa 4,4 Millionen Tonnen. Von den Gefahren wusste man damals nichts, man schätzte den Werkstoff vor allem wegen seiner hohen Beständigkeit und hielt ihn für unbedenklich.

Eindeutig krebserregend In die Lunge eingedrungene Fremdpartikel werden normalerweise durch die Flimmerhärchen abgefangen und zurück in die Atemwege transportiert, wo sie ausgehustet werden können. Heute weiß man, dass das bei Asbest anders ist. Charakteristisch ist nämlich seine Eigenschaft, sich in feine Fasern zu zerteilen, die sich der Länge nach weiter aufspalten und dadurch leicht eingeatmet und bis tief in die Lungenbläschen vordringen können. Die Lunge reagiert mit geflechtartigen, diffusen Vernarbungen, in die die Fasern eingelagert werden.

Die daraus resultierende Asbestose wurde bereits 1936 als Berufskrankheit anerkannt. Da die Asbestfasern so biobeständig sind, können ihnen auch die Fresszellen des Immunsystems nichts anhaben. Sie sterben ab und setzen Stoffe frei, die eine chronische Entzündung verursachen. Aus der chronischen Entzündung kann Krebs entstehen. Ein typischer asbestbedingter Tumor ist das Mesotheliom, das meist das Lungen- oder Rippenfell betrifft. Aber auch Lungenkrebs, Kehlkopfkrebs und Eierstockkrebs können durch Asbest ausgelöst werden.

Das Deutsche Mesotheliomregister
Am Institut für Pathologie der Ruhr-Universität Bochum beschäftigt sich mit beruflich verursachten Lungenerkrankungen, insbesondere durch Asbest verursachte. Ziel ist die Erfassung aller Mesotheliomerkrankungen in Deutschland. Das Register bietet wissenschaftliche Unterstützung bei der Klärung schadstoffassoziierter Erkrankungen der Lunge, des Lungen-, Rippen- und Bauchfells aus pathologisch-anatomischer Sicht. Im Mittelpunkt stehen die Untersuchungen von Gewebeproben. Ein Schwerpunkt im Bereich der Forschung ist auch die Charakterisierung bösartiger Tumoren.

Lange Latenzzeit Die Zeit vom Einatmen der Asbestfasern bis zum Auftreten einer darauf zurückzuführenden Erkrankung liegt zwischen 10 und 60 Jahren. Daraus erklärt sich, dass die Zahl der Anträge auf Anerkennung einer durch Asbest verursachten Berufskrankheit auch heute noch einen hohen Anteil an den insgesamt bei den Unfallversicherungen eingehenden Anträgen hat. In den letzten Jahren gingen jährlich durchschnittlich 3000 neue Anträge ein, von denen fast 1000 als tatsächlich durch Asbest verursachte Berufskrankheiten anerkannt wurden.

Forschungsergebnisse Inke Feder vom Deutschen Mesotheliomregister und Prof. Dr. Andrea Tannapfel vom Institut für Pathologie der Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum haben den Datensatz des Deutschen Mesotheliomregisters ausgewertet. Er enthält Messergebnisse der Asbestkonzentration in der Lunge ein- und derselben Menschen, die im Abstand von 4 bis 21 Jahren mehrfach gewonnen wurden.

Zwölf Fälle mit einer anerkannten asbestbedingten Lungenkrankheit wurden in die Untersuchung eingeschlossen. Die über viele Jahre lang ausgeführten Lungenstaubanalysen und die nun erstmals über die gesamte Zeit ausgewerteten Daten bestätigen die extreme Biobeständigkeit von Asbest auch für die menschliche Lunge. Noch viele Jahre nach dem Ende des Asbestkontakts ist die Konzentration des Minerals nicht nur nachweisbar, sondern unverändert hoch.

Gefahren heute Auch wenn keine neuen Produkte mit Asbest mehr hergestellt werden, begegnen uns noch immer Altlasten, beispielsweise als Fassadenverkleidung von Häusern. Solange das Material intakt ist, scheint es ungefährlich zu sein – wobei man hier zwischen schwach und stark gebundenem Asbest unterscheidet. Schwach gebunden ist Asbest zum Beispiel in den genannten Elektrogeräten und Nachtspeicherheizungen sowie im Spritzasbest, der häufig in Groß- und Industriebauten als Brandschutz für Stahlträger verwendet wurde.

Er ist heute eine häufige Ursache für aufwändige Gebäudesanierungen. Durch Erschütterung und Alterung kann der Asbest leicht freigesetzt werden. Wegen der langen Lebensdauer dieser Gebäude sind asbesthaltige Bauelemente zu einem großen Teil noch heute in Gebrauch und werden noch jahrelang als Abfall entsorgt werden müssen. Weniger problematisch, da fester gebunden, ist Asbestzement, aus dem die bereits genannten Fassaden- und Dachplatten, aber auch Minigolf- und Sommerrodelbahnen hergestellt wurden, die zum Teil noch in Gebrauch sind.

Gefährlich wird es immer dann, wenn Faserstrukturen zerstört und Asbestfasern freigesetzt werden. Die Entsorgung sollte man daher einem Fachmann überlassen. Üblicherweise werden asbesthaltige Abfälle in Deutschland auf speziellen Deponien oder Deponieabschnitten dauerhaft abgelagert, sodass die Fasern nicht in die Umwelt gelangen können.

Sabine Breuer, Apothekerin/Chefredaktion 

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 09/17 auf Seite 144.

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