Masern und Co.
PTA-Fortbildung

Kinderkrankheiten im Beratungsalltag

Kinderkrankheiten umfassen ein großes Spektrum verschiedener Infektionen. Während einige noch heute häufig auftreten, sind andere inzwischen fast vollständig aus dem Blickfeld verschwunden. Kennen Sie sich aus?

22 Minuten

Windpocken – Viren verbleiben im Körper

Die MMR-Impfungen werden in der Regel zeitgleich mit einer Impfung gegen Windpocken (Varizellen) durchgeführt, wobei die simultane Gabe der Impfstoffe an verschiedenen Körperstellen erfolgt (senkt das Risiko für Fieberkrämpfe). Die zweite Impfung erhalten die Kinder meist mit einem MMRV-Kombinationsimpfstoff.

Während man mit einer Impfung gegen Masern und Mumps vor allem die geimpften Kinder selber vor schwerwiegenden Komplikationen schützen möchte, steht bei der Impfung gegen Varizellen ebenso wie gegen die Röteln insbesondere der Schutz des Kindes im Mutterleib und des Neugeborenen im Vordergrund. Steckt sich eine ungeschützte Schwangere bis zur 20. Schwangerschaftswoche an, können Varizellen-Viren beim Ungeborenen vorgeburtliche Schäden (z. B. unterentwickelte Gliedmaßen, Augenschäden, neurologische Erkrankungen) hervorrufen, die auch letal enden können (fetales Varizellensyndrom).

Zudem kann eine Varizellen-Infektion noch für das Neugeborene lebensgefährlich sein. Bei der Schwangeren ist das Risiko für eine Pneumonie erhöht, die teilweise tödlich verläuft. Windpocken sind in Deutschland unter den Infektionskrankheiten, die sich prinzipiell durch eine Impfung vermeiden ließen, am häufigsten. Aber nicht alle der Infizierten bemerken sie, da eine Infektion mit Varizella-Zoster-Viren bei etwa 30 Prozent der Betroffenen symptomlos verläuft. Das Varizellen-Virus aus der Familie der Herpes-Viren ist sehr ansteckend.

Es wird extrem leicht über Tröpfchen beim Atmen, Husten, Niesen oder Sprechen – quasi „mit dem Wind“ – übertragen. Zudem kann eine Infektion durch Berühren virushaltiger Bläschenflüssigkeit sowie von infektiösem Speichel und Tränenflüssigkeit durch Schmierinfektion erfolgen. Bevor sich die Windpocken mit einem charakteristischen Bläschenausschlag zeigen, stellt sich ein erkältungsähnliches Vorstadium mit Fieber und Abgeschlagenheit ein. Erst danach breitet sich ein stark juckender Hautausschlag von Kopf und Rumpf über den ganzen Körper aus.

Auch können Schleimhäute, Augen, Genitalien und Kopfhaut befallen werden. Auf gerötetem Grund bilden sich hochinfektiöse flüssigkeitsgefüllte Bläschen, die später aufplatzen und zu Krusten eintrocknen. Da alle Stadien des Hautausschlages (Flecken, Bläschen, Krusten) typischerweise zeitgleich auftreten, spricht man von einem Sternenhimmel. Zumeist verheilen die Bläschen innerhalb von drei bis fünf Tagen. Aber erst zwei Wochen später, wenn die Krusten abfallen, sind die Hautläsionen nicht mehr ansteckend.

In der Regel hinterlassen sie keine Narben, vorausgesetzt, die Bläschen werden nicht aufgekratzt. Dann besteht das Risiko für bakterielle Superinfektionen mit Narbenbildung. Um das zu verhindern, ist eine symptomatische Behandlung mit juckreizstillenden Topika (z. B. Lotio alba, Lotionen mit Lokalanästhetika wie Polidocanol, gerbstoffhaltige Cremes) und oralen Antihistaminika sinnvoll.

Während eine Windpockenerkrankung bei Kindern ansonsten meist ohne Komplikationen verläuft, sind jedoch bei Jugendlichen und Erwachsenen schwerere Verläufe typisch. Sie sind auch bei Personen mit geschwächter Immunabwehr (Immunsupprimierte) zu erwarten. Gefürchtet ist beispielsweise die Entwicklung einer Pneumonie, Enzephalitis oder Meningitis.

Zweitmanifestation Gürtelrose

Eine Besonderheit der Windpocken ist das Verbleiben der Viren im Körper nach überstandener Infektion. Dies kann zu einem erneuten Aufflammen der Erkrankung im späteren Lebensalter führen, wenn die Leistungsfähigkeit der körperlichen Abwehr altersbedingt nachlässt (Immunoseneszenz) oder das Immunsystem anderweitig stark gefordert ist. Vor allem erkranken ältere Menschen ab dem fünften Lebensjahrzehnt an der Zweitmanifestation, die als Gürtelrose (Herpes zoster) bezeichnet wird.

Aber auch bei jüngeren Erwachsenen, selbst Kindern und Jugendlichen, ist eine Reaktivierung des Virus möglich. Auch Herpes zoster ist ansteckend. Allerdings erkranken die Infizierten dann nicht an der Gürtelrose, sondern an Windpocken. Da das Varizella-Zoster-Virus bei einer Gürtelrose lediglich als Schmierinfektion (und nicht per Tröpfcheninfektion wie bei den Windpocken) weitergegeben wird, ist der Herpes zoster weniger infektiös als seine Erstmanifestation, die Windpocken.

Leider lässt sich eine spätere Gürtelrose nicht durch die Varizellen-Impfung im Kindesalter verhindern. Wie das Varizella-zoster-Wildvirus kann auch das Impfvirus in den Nervenzellen verbleiben und lässt sich viele Jahre später wieder reaktivieren. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit einer Zweitmanifestation beim Impfvirus deutlich geringer als beim Wildvirus. Zudem verlaufen die Gürtelrosenerkrankungen, die durch das Impfvirus ausgelöst werden, meist milder.

Daher wird davon ausgegangen, dass die Varizellen-Impfung einen individuellen Schutz gegenüber schwereren Verlaufsformen des Herpes zoster ermöglicht. Die Befürchtung, dass der Wegfall der natürlichen Boosterung durch das Wildvirus bei Impfung aller Kinder gegen Windpocken zu einem Anstieg der Rate an Zostererkrankungen in der Gesamtbevölkerung führen würde, ließ sich nicht bestätigen.

Allerdings ist es möglich, dass es bei einzelnen Personen trotz Varizellen-Impfung zu einer Infektion mit dem Wildvirus und somit auch später zu einer Gürtelrose durch das Wildvirus kommt. Daher empfiehlt die STIKO allen Personen – also auch denjenigen, die gegen Varizellen geimpft sind – ab einem Alter von 60 Jahren und Personen mit Grundkrankheiten oder Immunsuppression ab 50 Jahren die Impfung gegen Herpes zoster.

Möglichst frühzeitig immunisieren

Im Gegensatz zu den MMR-V-Impfungen sieht die STIKO eine Grundimmunisierung gegen Rotaviren, Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten (Pertussis), Haemophilus influenzae Typ b (Hib), Polio, Hepatitis B und Pneumokokken deutlich früher vor. Gegen Rotaviren wird das Kind bereits mit sechs Wochen geimpft. Rotaviren rufen bei Säuglingen und Kleinkindern schwerste Durchfallerkrankungen mit Erbrechen hervor, die teilweise zu lebensbedrohlichen Flüssigkeitsverlusten führen.

Der wirksamste Schutz gegen Rotaviren ist – neben einer sorgfältigen Hygiene – die Schluckimpfung mit einem oralen Lebendimpfstoff. Je nach verwendetem Impfstoff umfasst eine Impfserie zwei oder drei Impfungen im Abstand von vier Wochen. Die Impfungen gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Haemophilus influenzae Typ b (Hib), Polio, Hepatitis B und Pneumokokken folgen möglichst ab dem vollendeten zweiten Lebensmonat und sollten spätestens mit elf Monaten abgeschlossen sein.

Eine Impfung bietet nicht nur einen individuellen Schutz vor der entsprechenden Infektionskrankheit. Gleichzeitig trägt sie zum Schutz der Gemeinschaft bei, indem sie hilft, die Ausbreitung der Infektion zu verhindern.

Außerdem ist für alle Kinder im Alter von zwölf Monaten eine einmalige Impfung gegen die Meningokokken der Serogruppe C vorgesehen. Infektionen mit Meningokokken (Neisseria meningitidis) lösen schwere Krankheitsverläufe aus, die schnell lebensbedrohlich werden.

Zwei Drittel der Erkrankungen verlaufen als Meningitis, wobei bei circa einem Drittel der Fälle der Verlauf durch eine Blutvergiftung (Sepsis) gekennzeichnet ist, die bei zehn bis 15 Prozent der Erkrankungen als eine besonders schwere Form des septischen Schocks (Waterhouse-Friderichsen-Syndrom) auftritt. Zu den besonderen Risikogruppen zählen Kinder unter fünf Jahren sowie Jugendliche. Daher soll eine fehlende Impfung bis zum 18. Geburtstag nachgeholt werden.

Typische Impfungen im Kindes- und Jugendalter

Seit Ende Juni 2020 existiert die Empfehlung der STIKO, für die Grundimmunisierung mit dem Sechsfachimpfstoff im Säuglingsalter ein 2+1-Impfschema (anstelle des 3+1-Schemas) anzuwenden. Somit erhalten die Kleinen drei Impfdosen im Alter von zwei, vier und elf Monaten. Frühgeborene, die vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche auf die Welt kamen, sollen aber weiterhin wie bisher im Alter von zwei, drei, vier und elf Monaten vier Impfstoffdosen bekommen (3+1-Impfschema).

Im Alter von fünf und sechs Jahren benötigen Kinder die erste Auffrischimpfung gegen Tetanus, Diphtherie und Pertussis, wofür ein Impfstoff mit reduziertem Diphterie- (d) und Pertussis-Gehalt (ap) verwendet wird. Eine zweite Auffrischung gegen alle drei Infektionen erhalten die Kinder im Alter von neun bis 16 Jahren, diese wird noch zusätzlich mit der Polio-Vakzine kombiniert (Tdap-IPV).

Danach wird alle zehn Jahre gegen Tetanus und Diphterie (Td) geimpft, wobei die Impfung einmalig in Kombination mit der Pertussis (Tdap) erfolgt. Die dritte Auffrischimpfung gegen Pertussis ist erforderlich, da eine Impfung ebenso wie eine durchgemachte Pertussis-Erkrankung lediglich einen begrenzten Schutz (maximal zehn bis 20 Jahre) bietet. Daher empfiehlt die STIKO auch allen Erwachsenen, einmalig den Immunschutz gegen Pertussis bei der nächsten fälligen Impfung gegen Tetanus und Diphterie mit einem Kombinationsimpfstoff zu aktualisieren.

Polio – Kinderlähmung

Polio wird heute nicht mehr regelmäßig alle zehn Jahre aufgefrischt. Personen gelten als vollständig geimpft, wenn sie nach der Grundimmunisierung noch eine einmalige Auffrischung – insgesamt also vier Impfungen – erhalten haben. Dabei soll die Auffrischimpfung gegen Polio zum gleichen Zeitpunkt wie die zweite Auffrischimpfung gegen Tetanus, Diphtherie und Pertussis stattfinden. Nur bei erhöhtem Infektionsrisiko wie Reisen in Polioendemiegebiete wird eine weitere Auffrischung von der STIKO angeraten, vorausgesetzt, die letzte Impfdosis ist vor mehr als zehn Jahren verabreicht worden.

Die Impfung erfolgt schon lange nicht mehr als Schluckimpfung mit dem Lebendimpfstoff nach Sabin (OPV). Heute wird ein injizierbarer Impfstoff präferiert. Die inaktivierte Polio-Vakzine (IPV) hat den Vorteil, dass jetzt nicht mehr – wie es bei der oralen Immunisierung der Fall war – Impfviren über den Stuhl ausgeschieden werden. Somit wird das Risiko einer Vakzine-assoziierten paralytischen Poliomyelitis ausgeschlossen.

Polio ist eine Virusinfektion des Zentralnervensystems, bei der es zu einer Zerstörung von Nervenzellen im Rückenmark und Hirnstamm kommt, die zu Lähmungen der Muskulatur führen. Aber nur bei rund jedem zehnten Infizierten treten die Krankheitszeichen sichtbar auf und lediglich bei jedem 100. bis 1000. Patienten kommt es zu bleibenden Lähmungen.

Die Ansteckung erfolgt von Mensch zu Mensch, allerdings selten durch Tröpfcheninfektion, da sich die Viren nur kurze Zeit im Sekret des Nasen-Rachen-Raumes aufhalten. Am häufigsten ist eine fäkale Schmutz- und Schmierinfektion durch die Aufnahme von Wasser oder Nahrungsmitteln, die mit dem Stuhl infizierter Personen Kontakt hatten.

Pertussis – Hundert-Tage-Husten

Keuchhusten ist eine bakterielle Erkrankung der Atemwege, die für Säuglinge noch heute trotz antibiotischer Therapie sehr gefährlich sein kann. Der Erreger, das Bakterium Bordetella pertussis, wird per Tröpfcheninfektion übertragen und löst einen sechs bis zwölf Wochen andauernden Husten aus. Wegen des langen Verlaufs sprach man früher auch vom „Hundert-Tage-Husten“. Anfangs zeigen sich untypische Symptome einer banalen Erkältung, die häufig nicht als Keuchhusten erkannt werden.

Allerdings ist die Erkrankung in diesem Stadium am ansteckendsten. Zwei Wochen später folgen vor allem nachts die typischen stakkatoartigen Hustenanfälle, die durch das Pertussis-Toxin aufrechterhalten werden. Sie zeichnen sich durch Atemnot und hörbarem Einziehen der Luft sowie Erbrechen aus und sind besonders für die ganz Kleinen lebensgefährlich, da in den ersten Lebensmonaten die Gefahr von Hirnschädigungen durch Sauerstoffmangel besteht.

Pertussis-Impfung
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Erwachsene sollen einmalig ihren Immunschutz gegen Pertussis bei der nächsten fälligen Impfung gegen Tetanus und Diphterie aktualisieren.
+ Enge Haushaltskontaktpersonen in der Familie und im Haushalt (z. B. Tagesmütter), die in den letzten zehn Jahren keine Impfung gegen Keuchhusten erhalten haben, sollen sich spätestens vier Wochen vor Geburt eines Kindes impfen lassen.
+ Die STIKO rät zu einer Impfung der Schwangeren zu Beginn des letzten Schwangerschaftsdrittels – unabhängig vom Abstand zu vorher verabreichten Pertussis-impfungen. So können die schützenden Antikörper der Mutter auf das Ungeborene übertragen werden (Nestschutz durch Impfung).
+ Eine versäumte Impfung sollte die Mutter gleich in den ersten Tagen nach der Geburt nachholen.
+ Bei einem ungewöhnlich starken Anstieg der Keuchhusten-Infektionen empfiehlt die STIKO auch vollständig geimpften Kindern und Jugendlichen mit engem Kontakt zu Erkrankten eine Impfung, wenn die letzte Impfung länger als fünf Jahre zurückliegt.

Aber auch bei größeren Kindern sind schwerwiegende Komplikationen (z. B. Pneumonie, Otitis media, Encephalitis) gefürchtet. Nach fünf bis sechs Wochen nehmen die Hustenattacken wieder langsam ab. Mit einer Antibiotikagabe (Makrolide) kann der Krankheitsverlauf im Anfangsstadium verkürzt und gemildert werden.

Bei einem späteren Einsatz haben sich die Toxine schon in den Zellen festgesetzt und unterhalten das Krankheitsgeschehen. Dennoch sind Antibiotika noch sinnvoll, weil sich damit Ansteckungsfähigkeit und Komplikationen verringern lassen. Antitussiva helfen nicht, aber eine Impfung ist möglich. Sie zählt zu den Standardimpfungen, die allen Kindern im Rahmen der Sechsfachimpfung von der STIKO empfohlen wird.

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