Leber & Lebererkrankungen
PTA-Fortbildung

Die Leber – Funktion, Bedeutung in der Arzneimittelberatung und Erkrankungen

Die Leber ist bekannt für ihre Entgiftungsfunktion, erfüllt aber noch viele weitere Aufgaben. Im Beratungsalltag kommen Sie durch Lebererkrankungen, aber auch durch den First-Pass-Effekt oder Leberenzyme, die mit Arzneimitteln wechselwirken, mit ihr in Berührung. Ein Überblick über das „stille Organ“.

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Fettleber – nicht nur durch Alkohol

Aber auch bei funktionstüchtigem Enzymsystem ist starker Alkoholgenuss mit Gesundheitsproblemen assoziiert. Da die Leber Acetat zu Fett verstoffwechselt, kann sich bei übermäßiger Alkoholzufuhr eine Fettleber bilden. Sie ist durch eine vermehrte Fettspeicherung der Leber gekennzeichnet, durch die das Organ seine Funktionen nicht mehr richtig erfüllen kann. 

Alkohol ist aber nur eine der drei Ursachen und stellt heute auch nicht mehr die Hautpursache für die Entstehung einer Fettleber dar. Neben Infektionen mit Hepatitis B- und C-Viren ist eine Fettleber heute in den meisten Fällen vielmehr Folge des metabolischen Syndroms. 

Dies zeichnet sich durch das gemeinsame Vorliegen von starkem Übergewicht (Adipositas), einem gestörten Glucosestoffwechsel mit Insulinresistenz und dauerhaft erhöhtem Blutzuckerspiegel (Diabetes mellitus) sowie einer Fettstoffwechselstörung mit erhöhten Blutfettwerten (Dyslipidämie) und Bluthochdruck (Hypertonie) aus.

NAFLD: Ungesunder Lebensstil

Kann Alkohol als Ursache ausgeschlossen werden, wird die Fettleber medizinisch als nicht-alkoholische Fettlebererkrankung, abgekürzt NAFLD für non-alcoholic fatty liver disease, bezeichnet. Die NAFLD ist in den westlichen Industrieländern die häufigste Lebererkrankung, deren Prävalenz Schätzungen zufolge weiter steigen wird. 

In Deutschland sind derzeit etwa 20 bis 30 Prozent der erwachsenen Bevölkerung davon betroffen. Überdurchschnittlich häufig leiden die 55- bis 75-Jährigen an einer NAFLD, sie wird aber auch bereits bei Kindern diagnostiziert.

Als Hauptursache einer NAFLD gelten eine hyperkalorische Ernährung und zu geringe körperliche Aktivität. Dadurch werden dem Körper mehr Kalorien zugeführt, als er benötigt. Die überschüssige Energie lagert er daher als Fettreserve ein, und zwar nicht nur im Fettgewebe, sondern auch in den Hepatozyten. 

Definitionsgemäß spricht man von einer Fettleber, wenn der Fettgehalt der Leber fünf Prozent übersteigt. Meist kommt das Fett der Leber nicht aus dem Fett der Nahrung. Vielmehr sind Kohlenhydrate die Übeltäter. Aus einer hohen Zuckerzufuhr resultiert eine Insulinresistenz, die für eine vermehrte Freisetzung von freien Fettsäuren im Fettgewebe und schließlich zu einer Anreicherung von Triglyceriden im Lebergewebe sorgen. 

Eine nicht-alkoholische Fettleber entsteht, wenn regelmäßig mehr Energie über die Nahrung aufgenommen als durch Bewegung wieder verbraucht wird. Die überschüssigen Kalorien werden dann in Form von Fett in den Leberzellen abgelagert.

Gefahr Fructose

Unter den Kohlenhydraten spielt bei der Entwicklung einer Fettleber die Fructose, also der Fruchtzucker, eine besondere Rolle. Fructose fördert nicht nur eine Insulinresistenz und damit eine Stimulation der Triglyceridsynthese. Studien haben gezeigt, dass sich eine erhöhte Fructoseaufnahme zudem über eine Schädigung der Leber-Mitochondrien ungünstig auf den Leberstoffwechsel auswirkt. 

Demnach behindert ein Fructoseüberschuss die hepatische Fettsäureoxidation und damit den Abbaumechanismus der Fettsäuren in der Leber, woraus eine vermehrte Fettsynthese und Fettspeicherung in der Leber folgt. Zudem wird über die Darm-Leber-Achse die Lipogenese in der Leber angeregt, was eine Fettablagerung in den Hepatozyten zur Folge hat.

Fructose, Leber und Darmmikrobiom

In letzter Zeit machen Experten vor allem darauf aufmerksam, dass ein Zusammenhang zwischen einer hohen Fructoseaufnahme und einer gestörten Zusammensetzung des Darmmikrobioms (Dysbiose) besteht. Als Erklärung führen sie an, dass bei einem Überangebot an Fruchtzucker dieser schwallarig in den Dickdarm flutet („Fructose-Spillover“), wodurch die Aufnahmekapazität des Dünndarms für Fructose überschritten wird. 

Folge ist eine Darmfehlbesiedlung mit einem Überwiegen an entzündungsfördernden Darmbakterien. Die aufgeführten Zusammenhänge zeigen sich vor allem beim Konsum industrieller Fertigprodukte mit Fructose (z. B. Limonaden, Fruchtsäfte, Smoothies), da diese ein rasches Anfluten des Zuckers ermöglichen. Der Verzehr von Fructose in Form von frischem Obst begünstigt hingegen keine Fettleber, da die Fructoseaufnahme durch den Ballaststoffanteil deutlich langsamer erfolgt. 

Diese Erkenntnisse sollen auch erklären, warum selbst schlanke Menschen nicht vor einer Fettleber gefeit sind. Ihr Anteil liegt jedoch nur bei etwa fünf bis zehn Prozent der NAFLD-Betroffenen.

Die Leber leidet stumm; wie kann man eine Fettleber dann diagnostizieren?

Eine nicht-alkoholische Fettleber ist häufig ein Zufallsbefund. Selbst ein Tumor in der Leber wird oft nur per Zufall entdeckt. Anfangs zeigen sich kaum oder wenn nur unspezifische Symptome wie Müdigkeit oder Konzentrationsstörungen. Auch klagt nicht jeder Betroffene über Schmerzen, da die Leber selber kein Schmerzempfinden hat. 

Einige verspüren aber einen Druckschmerz im rechten Oberbauch, wenn eine vergrößerte Leber auf das umgebende Gewebe drückt. Eine Gelbfärbung von Haut und Augen wird häufig erst spät sichtbar. Ebenso sind Symptome wie ein Wasserbauch, plötzliches Bluterbrechen oder Hirnstörungen typische Symptome, die erst im Endstadium auftreten.

Da auch die Leberwerte meistens im Normalbereich liegen, raten Mediziner, bei Erkrankungen wie Adipositas, Prädiabetes und Diabetes mellitus sowie einem metabolischen Syndrom prinzipiell ein Fettleber-Screening durchzuführen. Mithilfe bildgebender Verfahren wie einer Sonografie (Ultraschall) lassen sich strukturelle Hinweise auf eine NAFLD finden. So erscheint eine Fettleber deutlich heller auf dem Bild, da das Gewebe dichter ist. 

Unter Ultraschallkontrolle kann zudem eine Leberbiopsie durchgeführt werden, mit der man feststellen kann, wieviel Prozent der Hepatozyten Fetteinlagerungen aufweisen. Unter Umständen kann noch eine Elastografie sinnvoll sein. Sie erlaubt Rückschlüsse auf die Lebersteifigkeit und damit auf den Vernarbungsgrad. Darüber hinaus lassen sich mit einer Magnetresonanztomografie (MRT) die verschiedenen Stadien der NAFLD differenzieren.

Therapie: Lebensstil ändern

Bislang gibt es keine medikamentöse Therapie. Allerdings ist es möglich, durch eine Modifikation des Lebensstils ein Voranschreiten der Fettlebererkrankung aufzuhalten. Ist sie noch nicht zu weit fortgeschritten, lassen sich die pathologischen Prozesse sogar komplett umkehren. 

Die effektivste Maßnahme dafür ist eine Gewichtsreduktion in Kombination mit einer Erhöhung der körperlichen Aktivität. Nach Angaben der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DGG) geht eine Gewichtsabnahme von etwa fünf Prozent mit einer Abnahme des Leberfettgehaltes von etwa 30 Prozent einher. 

Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten macht darauf aufmerksam, dass sich eine Fettleber bei einem Gewichtsverlust von zehn Prozent innerhalb eines Jahres fast vollständig erholen kann. Selbst eine Bindegewebsvermehrung bildet sich noch teilweise zurück.

Kalorien und Kohlenhydrate runter, Kaffee und körperliche Aktivität hoch

Um dies zu erreichen, wird den Betroffenen zu einer gemäßigten Kalorienzufuhr geraten. Eine spezielle Diät ist nicht erforderlich. Aber es gilt, Kohlenhydrate, gesättigte Fettsäuren, freien Zucker – vor allem Fructose in Form von Säften und Smoothies – zu reduzieren. 

Snacks zwischen den Mahlzeiten sollten vermieden werden; als optimal gilt eine Pause von fünf Stunden zwischen den Mahlzeiten. Empfehlenswert ist eine mediterrane Kost. Sie ist gekennzeichnet durch einen geringen Kohlenhydratanteil, vorwiegend pflanzliche Kost, hochwertige Öle, wenig Fleisch und viel Fisch. Zudem zeichnet sie sich durch einen geringen Anteil verarbeiteter Lebensmittel und damit auch von wenig Fructose aus. 

Empfohlen wird zudem Kaffee zu trinken. Kaffeegenuss hat sich in Studien als effizienter Schutzfaktor für die Leber erwiesen. Er kann dazu führen, dass die Leberwerte sowie das Risiko für die Entwicklung einer Leberzirrhose und eines Leberzellkarzinoms sinken. Drei bis Fünf Tassen am Tag gelten als hepatoprotektiv. 

Aber sogar ohne Gewichtsabnahme lässt sich allein durch Erhöhung der körperlichen Aktivität die muskuläre Insulinsensitivität steigern. Dafür sollten sich Betroffene etwa drei bis vier Stunden pro Woche körperlich betätigen, wobei neben Ausdauersport auch modernes Krafttraining betrieben werden muss.

Genussvoll und lebergesund essen

Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen (DGVS) e.V. gibt folgende Ernährungstipps für eine gesunde Leber:

• Ernähren Sie sich kohlenhydratarm mit frischen, natürlichen und überwiegend pflanzlichen Lebensmitteln
• Reduzieren Sie Ihren Fleischverzehr, vor allem den von rotem Fleisch. Fisch ist eine gute Alternative.
• Bevorzugen Sie gesunde Fettlieferanten wie Olivenöl, Nüsse und Samen.
• Vermeiden Sie einen übermäßigen Konsum von Fructose in Form von Softdrinks, Fruchtsäften und Fertigprodukten. Der Verzehr von Obst ist hingegen kein Problem.
• Drei bis fünf Tassen Kaffee am Tag tun der Leber gut. Auch koffeinfreier Kaffee ist wirksam, nicht jedoch beispielsweise grüner Tee.

Folgen der unbehandelten Fettleber: Entzündung, Vernarbung, Schrumpfung

Wird der Lebensstil nicht verändert, schreitet eine Fettleber bei etwa 20 Prozent der Patienten weiter voran. Es zeigt sich ein breites Spektrum an Leberschäden, die sich in verschiedene Formen beziehungsweise Stadien der NAFLD unterscheiden lassen. 

Anfangs kann eine Leber noch geringe Fettmengen tolerieren. Man spricht von gutartigen Leberfettablagerungen ohne Entzündungen (nicht-alkoholische Steatose, NAFL). Langfristig schädigen die Fettmengen aber die Hepatozyten und verursachen eine Entzündung der Leber. Eine nicht-alkoholische Fettleberentzündung (Steatohepatitis, NASH) hat sich entwickelt, die bereits eine fortgeschrittene Form der NAFLD darstellt. 

Sie ist gekennzeichnet durch ballonförmig aufgeblähte, degenerierte Hepatozyten und Entzündungsherde in den Leberläppchen. Die Entzündung führt schließlich zur Leberfibrose, bei der das geschädigte Lebergewebe mehr und mehr zu funktionslosem Bindegewebe vernarbt. 

Im weiteren Verlauf kann das zu einer Leberzirrhose mit weitgehendem und lebensbedrohlichem Funktionsverlust der Leber führen. Bei der Zirrhose werden gesunde Hepatozyten verdrängt oder zerstört und durch immer dichteres Narbengewebe ersetzt. Die zuvor noch aufgedunsene Leber schrumpft dadurch zusammen („Schrumpfleber“), verhärtet sich und kann ihren Stoffwechsel- und Entgiftungsaufgaben nicht mehr nachkommen. 

Zudem kann sich auf Basis einer Leberzirrhose ein Leberzellkarzinom (Hepatozelluläres Karzinom, HCC) bilden, das häufig tödlich ist. Darüber hinaus steigt auch das Risiko für andere Erkrankungen. So entwickeln Fettleber-Patienten häufig Herz-Kreislauf-Erkrankungen und haben ein erhöhtes Risiko für Tumoren außerhalb der Leber.

Eine nicht behandelte Fettleber kann sich zu einer Leberfibrose und schließlich zu einer Zirrhose entwickeln.

Lebertransplantation

Experten betonen, dass durch die Umbauprozesse in der Leber das Risiko für einen Tumor der Leber stark ansteigt. Sowohl aus einer entzündeten Fettleber als auch aus einer Leberzirrhose entwickelt sich leicht ein Leberzellkarzinom. Dieses zählt wie die Leberzirrhose zu den führenden Indikationen für eine Lebertransplantation. 

Durchführbar ist eine Lebertransplantation aufgrund der großen Regenerationsfähigkeit der Leber. Sie hat die Fähigkeit, sich ständig zu regenerieren, indem sie immerfort neue Zellen bildet und alte ersetzt. Die Lebertransplantation stellt inzwischen ein etabliertes Verfahren dar. Medizinische Fortschritte haben es ermöglicht, dass etwa 80 Prozent der transplantierten Organe nach fünf Jahren noch funktionsfähig sind.

Welche Erkrankungen erfordern eine Lebertransplantation?

Eine Lebertransplantation ist Therapie der Wahl

  • bei chronischen Lebererkrankungen im Endstadion,
  • bei Krebserkrankungen und 
  • bei akutem Leberversagen. 

Zu den chronischen Lebererkrankungen zählen neben angeborenen Stoffwechselerkrankungen und Fehlbildungen vor allem die Leberzirrhose. Diese bildet sich aber nicht nur durch Umbauprozesse im Rahmen einer nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung. Ebenso führen langjähriger Alkoholkonsum sowie chronische Virusinfektionen der Leber (Hepatitis B und C) häufig zur Zirrhose. Seltener spielen autoimmune Erkrankungen wie eine primäre biliäre Cholangitis (PBC), eine primär sklerosierende Cholangitis (PSC) oder eine autoimmune Hepatitis (AIH) eine Rolle. 

Ursachen für ein akutes Leberversagen sind beispielsweise Vergiftungen mit Arzneimitteln (z. B. Paracetamol) oder Pilzen (z. B. Knollenblätterpilz), akute virale Leberentzündungen (z. B. Virushepatitiden A, B oder E), ein akuter Verschluss der Lebervenen, die Wilsonsche Kupferspeicherkrankheit oder andere seltene Erkrankungen. 

Kommt es zu einem akuten Leberversagen, muss unverzüglich transplantiert werden. Ansonsten fällt der Patient wegen der fehlenden Entgiftungsfunktion innerhalb kurzer Zeit ins Leberausfallkoma und stirbt.

Leberwerte

Leberwerte sind wichtige Kriterien zur Diagnose und Verlaufskontrolle von Lebererkrankungen. Bei jeder Schädigung der Leber kommt es zu einer Freisetzung verschiedener Leberenzyme (z. B. GPT, GOT, GGT) in den Blutkreislauf. 

Allerdings besteht keine enge Korrelation zwischen dem Ausmaß des Leberschadens und der Höhe der Enzymaktivität. Daher schließt eine normale Aktivität eine milde oder mittelschwere chronische Hepatitis nicht aus und selbst bei einer Leberzirrhose kann die Aktivität nur gering erhöht sein. 

Deshalb werden noch weitere Blutwerte herangezogen, um Rückschlüsse auf mögliche Leberschäden zu ziehen (z. B. Bilirubin, Albumin, INR-Wert). Eine Faustregel besagt, dass ein einzelner aus der Norm fallender Leberwert in der Regel noch keinen Krankheitswert im Hinblick auf die Leber besitzt. Erst die Abweichung mehrerer Werte zugleich erhöht die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Lebererkrankung.

Tabelle Leberwerte
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