Leber & Lebererkrankungen
PTA-Fortbildung

Die Leber – Funktion, Bedeutung in der Arzneimittelberatung und Erkrankungen

Die Leber ist bekannt für ihre Entgiftungsfunktion, erfüllt aber noch viele weitere Aufgaben. Im Beratungsalltag kommen Sie durch Lebererkrankungen, aber auch durch den First-Pass-Effekt oder Leberenzyme, die mit Arzneimitteln wechselwirken, mit ihr in Berührung. Ein Überblick über das „stille Organ“.

23 Minuten

Ohne Leber ist der Mensch nicht lebensfähig. Als zentrales Stoffwechselorgan wirkt sie nahezu an allen lebenswichtigen Stoffwechselwegen mit. Dabei ist sie gleichermaßen Synthese-, Speicher- und Ausscheidungsorgan. Ist sie geschädigt, kann sie ihre vielfältigen Aufgaben nicht mehr in vollem Maße erfüllen. 

Lebererkrankungen werden häufig erst spät erkannt, da Schmerzen nur selten auftreten und ihre Symptome anfangs unspezifisch sind. Die Deutsche Leberstiftung geht von fünf Millionen Menschen in Deutschland aus, die an einer Lebererkrankung leiden. Unbemerkt entwickeln sich mit der Zeit chronische Verlaufsformen mit schwerwiegenden Folgen, die tödlich verlaufen können.

Wie ist die Leber aufgebaut? Ein bisschen Anatomie

Das keilförmige, braunrote Gebilde ist die größte Drüse und eines der größten Organe des Menschen. Mit einem Gewicht von circa 1,5 Kilogramm erstreckt sich die Leber über die Hälfte des rechten Oberbauchs. Dort liegt sie unmittelbar unterhalb des Zwerchfells und wird von den unteren Rippen geschützt.

Lernziele

Lernen Sie in dieser von der Bundesapothekerkammer akkreditierten Fortbildung unter anderem,
+ wie die Leber aufgebaut ist,
+ wie sie arbeitet,
+ was man unter dem Pfortaderkreislauf und dem First-Pass-Effekt versteht,
+ welches die wichtigsten Lebererkrankungen sind,
+ welche Behandlungsmöglichkeiten bestehen und
+ wie man bestimmten Erkrankungen vorbeugen kann.

Anatomisch wird die Leber in zwei große und zwei kleine Lappen und funktionell in acht Segmente unterteilt. Das Lebergewebe setzt sich wiederum aus etwa einer Million Leberläppchen (Lobuli hepatis) zusammen, die einen Durchmesser von ein bis zwei Millimeter haben und im Querschnitt annähernd sechseckig erscheinen. Die Leberläppchen stellen die kleinste Funktionseinheit des Organs dar und sind aus Leberzellen (Hepatozyten) aufgebaut, die durch Bindegewebszüge voneinander getrennt sind. 

Zwischen den Hepatozyten verlaufen zum einen die feinen Gallenkanälchen und Gallengänge, in die von den Hepatozyten produzierte Gallenflüssigkeit (Galle) fließt. Zudem befindet sich zwischen den Zellen ein Netz aus feinen Blutgefäßen, die Leberkapillaren (Lebersinusoide). Sie transportieren die Nähr- und Schadstoffe aus dem Blut in die Hepatozyten, wo sie verstoffwechselt, gespeichert oder abgebaut werden.

Die Wand der Lebersinusoide wird als fenestriertes Endothel (von lat. fenestra = Fenster) bezeichnet, da es Poren besitzt, durch die Plasmabestandteile durchtreten können. Das Endothel selbst besteht aus Endothelzellen und Von-Kupffer-Sternzellen. 

Die Lebersinosoide werden von den Hepatozyten durch einen feinen Spalt, den Disse-Raum, getrennt. In diesen Spalt ragen die auf den Hepatozyten befindlichen Mikrovilli hinein. Diese fadenförmigen, leicht beweglichen Ausstülpungen der Zellmembran sorgen für eine Oberflächenvergrößerung der Hepatozyten und damit für eine optimale Resorption von Nähr- sowie Fremdstoffen und Abbauprodukten aus dem Plasma, die sich im Disse-Raum befinden. Die Von-Kupffer-Zellen sind als phagozytierende Zellen (Phagozyten/Fresszellen) unter anderem für die Aufnahme und den Abbau von Zelltrümmern, Bakterien und Fremdstoffen verantwortlich.

Aufgaben der Leber

Die Leber übernimmt als zentrales Stoffwechselorgan eine Vielzahl lebenswichtiger Funktionen.

Kohlenhydratstoffwechsel

Mit dem Stoffwechsel von Kohlenhydraten hilft die Leber, den Blutzuckerspiegel konstant zu halten. Überschüssige Glucose, die nicht von den Zellen aufgenommen wurde, gelangt mit dem Blut in die Leber und wird in den Hepatozyten in Glykogen umgewandelt und gespeichert. Sinkt der Blutzuckerspiegel, wird Glykogen wieder zu Glucose aufgespalten und ins Blut entlassen (Glykogenolyse). 

Darüber hinaus können die Hepatozyten aus Laktat und einer Reihe von Aminosäuren Glucose bilden (Gluconeogenese). Auch andere Substanzen, wie diverse Vitamine (Vitamin A, B12, D, E und K) oder Mineralstoffe (z. B. Eisen, Kupfer), kann die Leber speichern und bei Bedarf wieder abgeben.

Fettstoffwechsel

Das gilt ebenso für gespeicherte Fette, die sie als freie Fettsäuren wieder ins Blut schleust (Lipolyse). Bei massivem Fettabbau bildet die Leber als Nebenprodukt Ketonkörper (Ketogenese), die dem Gehirn als Energielieferant dienen können. 

Zugleich ist die Leber an der Fettsynthese (Lipogenese) beteiligt. So synthetisiert sie beispielsweise aus Kohlenhydraten oder Aminosäuren Triglyceride, die in der Leber als Energielieferant gespeichert werden. 

Zudem entsteht in der Leber ein Großteil des körpereigenen Cholesterins, das unter anderem eine Vorstufe der Gallensäuren darstellt. Die Leber produziert als größte Drüse des Körpers täglich bis zu einem Liter Galle, die bei Verdauungsruhe in der Gallenblase gespeichert und bei Nahrungsaufnahme zur Fettverdauung direkt in das Duodenum fließt. 

Auch bei der Entgiftung spielt die Galle eine wichtige Rolle. Aufgrund ihrer emulgierenden Eigenschaften können schlecht wasserlösliche Substanzen (z. B. Bilirubin, viele Arzneimittel) in Lösung gehalten werden. Anschließend erfolgt ihr Transport in den Darm und damit ihre Entsorgung.

Proteinstoffwechsel

Die Leber ist auch am Ab- und Umbau von Nahrungsproteinen beteiligt. Die meisten Aminosäuren werden letztendlich in der Leber abgebaut (Ausnahmen sind die verzweigten Aminosäuren Valin, Leucin und Isoleucin). 

In der Leber findet zudem die Synthese wichtiger Plasmaproteine sowie diverser Hormone, die zu den Proteinen zählen (z. B. Angiotensinogen, Erythropoietin), und von Hormonvorstufen (z. B. 25-Hydroxycholecalciferol) statt. 

Beispiele für in der Leber produzierter Proteine, die im Blutplasma zirkulieren, sind 

  • Albumin,
  • Gerinnungsfaktoren,
  • das C-reaktive Protein (CRP),
  • Transporterproteine (z. B. Transferrin) sowie 
  • Immunglobuline. 

Letztere sind als Antikörper ebenso wie die phagozytierenden Von-Kupffer-Sternzellen und leberspezifische Killerzellen an der Immunabwehr beteiligt, sodass die Leber auch eine wichtige Abwehrfunktion besitzt.

Blutversorgung der Leber

Die Blutzufuhr erfolgt über zwei zuführende Blutgefäße, die Leberarterie (Arteria hepatica) und die Pfortader (Vena portae). Sie treten an der Unterseite der Leber an einer nischenartigen Vertiefung des Organs ein und verzweigen sich dann in die Lebersinusoide. 

Die Eintrittsstelle wird Leberpforte genannt. Sie ist gleichzeitig der Ort, an dem die beiden Gallengänge (Ductus hepatici) die Leber verlassen. Diese bilden wiederum den Anfang der Gallenwege, über die die Galle in den Zwölffingerdarm (Duodenum) gelangt. 

Die Leberarterie (Arteria hepatica) versorgt die Leber mit sauerstoffreichem Blut aus der Bauchschlagader (Aorta).
Die Pfortader (Vena portae) ist eine Vene, die sauerstoffarmes Blut aus den Bauchorganen (Magen, Darm, Bauchspeicheldrüse, Milz und Gallenblase) zur Leber transportiert.

Somit enthält ihr venöses Blut alle in den Blutkreislauf gelangte Substanzen, seien es Nährstoffe oder mögliche Giftstoffe, Abbauprodukte des Kohlenhydrat-, Eiweiß- oder Fettstoffwechsels, Stoffwechselprodukte aus der Milz oder Hormone aus der Buchspeicheldrüse. Und nicht zu vergessen: Auch oral applizierte Arzneistoffe erreichen über die Pfortader die Leber. Täglich werden etwa 2000 Liter Blut durch die Leber gepumpt, was 1,5 Litern pro Minute entspricht. Dabei stammen 75 Prozent aus der Pfortader, die restlichen 25 Prozent aus der Leberarterie.

Pfortaderkreislauf

Ebenso verlässt das gesamte Blut aus Leberarterie und Pfortader die Leber wieder über die Lebersinusoide. Diese transportieren es in die Zentralvene (Vena centralis), die quasi als Sammelgefäß für das ateriovenöse Mischblut aus Leberarterie und Pfortader dient. Mehrere dieser Zentralvenen vereinigen sich zu den drei großen Lebervenen (Venae hepaticae), die das Blut in die untere Hohlvene (Vena cava inferior) abgeben. 

Diese größte Vene des Körpers führt das Blut dann dem rechten Herzvorhof zu. Der Weg des venösen Blutes über die Pfortader in die Leber und danach über die untere Hohlvene in den rechten Herzvorhof wird als Pfortaderkreislauf bezeichnet. Über den „Umweg“ können die im Darm resorbierten Stoffe, bevor sie ihr Ziel im Körper erreichen, in der Leber bedarfsgerecht verwertet werden. 

Die Leber ist das zentrale Stoffwechselorgan, das wie ein Türsteher fungiert. Sie kontrolliert, welche Substanzen zum Zielorgan vordringen dürfen. Schädliche oder nicht benötigte Stoffe werden bei dieser ersten Leberpassage aussortiert und wieder ausgeschleust. Andere dürfen mit dem Blut weiter zum Wirkort gelangen oder werden in der Leber gespeichert.

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