Beatmunsmaschinen in einer Reihe aufgestellt© PhonlamaiPhoto / iStock / Getty Images Plus
Vor Studienbeginn waren alle Probanden mehr als einen Tag an eine Beatmungsmaschine angeschlossen.

Repurposing

KREBSMEDIKAMENT IST NEUER HOFFNUNGSTRÄGER FÜR SCHWERE CORONA-FÄLLE

Ruxolitinib – so heißt der Wirkstoff, in den die Mediziner einmal mehr ihre Hoffnung bei schweren Verläufen von COVID-19 setzen. Bei einer Studie mit 16 künstlich beatmeten Patienten erwies sich die Zusatzbehandlung mit dem Enzyminhibitor als hoffnungsvoll.

Seite 1/1 2 Minuten

Seite 1/1 2 Minuten

Von den 16 COVID-Patienten, die auf Intensivstationen künstlich beatmet wurden, überlebten vermutlich dank Ruxolitinib 81 Prozent – im Gegensatz zu Studien mit anderen Wirkstoffen, bei denen die Überlebensrate am Tag 28 zwischen 25 und 60 Prozent lag. Der Wirkstoff wird normalerweise bei bösartigen Blutbildungskrankheiten wie Splenomegalie oder Myelofibrose eingesetzt.

Schwere und tödliche Verläufe von COVID-19 betreffen zwar „nur“ fünf Prozent der daran Erkrankten, doch liegen diese zumeist auf der Intensivstation, da es bei ihnen zu einem Lungenversagen kommen kann. „Dieser Verlauf geht regelmäßig mit einem sogenannten Zytokinsturm einher“ weiß der Marburger Mediziner Professor Andreas Neubauer, einer der Leitautoren der Fachveröffentlichung. „Dabei handelt es sich um eine Überschwemmung des Körpers mit Substanzen, die das Immunsystem anregen.“

Enzymhemmer aus der Krebstherapie

Das verabreichte Medikament Ruxolitinib stammt, wie beschrieben, ursprünglich aus der Krebstherapie. Das Mittel hemmt Enzyme (Tyrosinkinasen) im Körper, die an überschießenden Entzündungsreaktionen beteiligt sind. Da diese überschießende Immunantwort oft mit erhöhter Sterblichkeit bei einer COVID-19-Erkrankung einhergeht, untersuchte ein Team von Fachärzten aus Marburg und Kassel, ob eine Verabreichung des Tyrosinkinasehemmers das Leben von Patienten verlängert, die künstlich beatmet werden müssen.

Die Studie schloss 16 dieser Patienten im Alter zwischen 35 und 92 Jahren ein, die meisten davon waren Männer. Sie erhielten das Medikament für eine Dauer von 4 bis 28 Tagen, zusätzlich zur Standardbehandlung, beispielsweise mit dem entzündungshemmenden Medikament Dexamethason. Nach vier Wochen endete die Studie – mit einer Überlebensrate von vier Fünfteln. Bei einer früheren Studie lag die Überlebensrate nur bei drei Fünfteln der Patienten.

Vor Studienbeginn waren alle Probanden mehr als einen Tag an die Beatmungsmaschine angeschlossen: „Der Beginn der Ruxolitinib-Behandlung hat sich für das Ergebnis als kritisch erwiesen“, schlussfolgert Dr. Thomas Wiesmann von der Marburger Klinik für Anästhesie und Intensivbehandlung. „Im Vergleich mit anderen publizierten Behandlungen schneidet Ruxolitinib gut ab“, erklärt Koautorin Dr. Caroline Rolfes von der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie am Klinikum Kassel.

Mehr Aussagekraft nach weiterer Studie

Neubauer fügt einschränkend hinzu: „Natürlich war die Anzahl der Patienten, die wir in unsere Studie eingeschlossen haben, zu klein, um endgültige Aussagen über die Wirksamkeit von Ruxolitinib bei COVID-19 zu treffen“. Außerdem verzichtete das Ärzteteam aus ethischen Gründen auf den Vergleich mit einer Kontrollgruppe, um niemandem die Behandlung mit Ruxolitinib vorzuenthalten. Mittlerweile läuft mit diesem Wirkstoff bereits eine größere klinische Studie.

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft

×