Stapelweise gebündeltes Papier© pinkomelet / iStock / Getty Images Plus
Viele Innovationen verschwinden in stapelweise Papier und Verwaltungsakten.

Prostatakrebs

FDA LÄSST HEIDELBERGER KREBSMEDIKAMENT ZU

Täglich werden Forschungsgelder eingestellt, über Jahre erworbene wissenschaftliche Erkenntnisse beiseite gepackt. Doch es gibt auch Erfolge und wertvolles Wissen findet seinen Weg in die klinische Anwendung – dank translationaler Forschungszentren.

Seite 1/1 2 Minuten

Seite 1/1 2 Minuten

Lutetium-177 PSMA-617 trägt einen sperrigen Namen, aber auch ein geniales Wirkprinzip: Der Ligand dockt zielgenau an das sogenannte Prostata-spezifische Membran-Antigen (PSMA) und befördert seine radioaktive Ladung auf diese Weise direkt in die Prostatakrebszellen. Dort reichert sich das Lutetium-177 an und gibt aus dem Tumorinneren heraus radioaktive Strahlung ab. Im restlichen Körper kommt hiervon kaum etwas an.

Diese zielgenaue Therapie kommt nun Patienten mit metastasierendem Prostatakrebs zugute, die bereits eine Chemotherapie hinter sich haben und bei denen ein Hormonentzug gescheitert ist. Dass der Wirkstoff nun in den USA zugelassen wurde und nicht nur eine schöne Theorie geblieben ist, liegt an der engen interdisziplinären Zusammenarbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Institute.

Translationale Forschung: Was ist das?

From-bench-to-bedside, also von der Laborbank an das Patientenbett lautet hier das Motto. Bei der translationalen Forschung werden naturwissenschaftliche Grunderkenntnisse jeglicher Forschungsgebiete in klinisch anwendbare Methoden übertragen. Dabei ist es unerheblich aus welcher Grundlagenforschung diese Erkenntnisse stammen, die jeweiligen Expert*innen arbeiten in engem Austausch miteinander, um Therapiestandards langfristig zu verbessern.

Im Falle von Lutetium-177 PSMA-617 sah dieser Weg folgendermaßen aus: Ein wissenschaftliches Fachteam bestehend aus Mitgliedern der Universität Heidelberg und dem Universitätsklinikum Heidelberg erhielt nach jahrelanger Arbeit unter der Schirmherrschaft des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) ein Gemeinschaftspatent für Lutetium-177 PSMA-617. Zur weiteren Vermarktung wurde es an die ABX GmbH in Radeberg auslizenziert, woraufhin einige Jahre später die US-amerikanische Endocyte Inc. die Lizenzrechte von ABX erwarb. Wiederum einige Jahre später übernahm Novartis Endocyte und meldete den Wirkstoff zur Prüfung bei der US-amerikanischen Zulassungsbehörde Food and Drug Administration (FDA) an. Seit Mitte März ist der Wirkstoff in den USA zugelassen, eine voraussichtlich baldige Zulassung wird in Europa erwartet. „Die FDA-Zulassung ist eine große Chance für die betroffenen Männer und ein großer Erfolg für das DKFZ: Unsere Mission ist es, mit exzellenter Grundlagenforschung Wissen und Lösungen für die klinische Praxis zu liefern. Mit der Erfindung von Lutetium-177 PSMA-617 ist unseren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein herausragendes Beispiel für diesen Transfer gelungen“, sagt Michael Baumann, Vorstandvorsitzender des DKFZ. „Von dem neuen Medikament können jetzt weltweit Patienten mit fortgeschrittenem Prostatakrebs profitieren, die sonst kaum noch aussichtsreiche Behandlungsoptionen haben.“

Vielversprechende klinische Studien

70 000 Männer erkranken jährlich an Prostatakrebs. Beschränkt sich der Tumor auf die Prostata, ist die Prognose sehr gut. Bei metastasierenden Tumoren wiederum überlebt nur jeder dritte Mann die ersten fünf Jahre nach Diagnosestellung. In der Zulassungsstudie VIOSION III reduzierte Lutetium-177 PSMA-617 ergänzend zur Standardtherapie die Gesamtsterblichkeit um fast 40 Prozent und das Fortschreiten der Krebserkrankung um 60 Prozent. Die Zulassung erhielt das Präparat bislang zur Behandlung von Männern mit durchlebter Chemo- sowie gescheiterter Hormonentzugstherapie. Aktuelle Studien sollen das Potenzial des radioaktiv gekoppelten Liganden zur Ersttherapie bei metastasierendem Prostatakarzinom prüfen.

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft

×