Gelbe Pillen mit aufgemalten Gesichtern in einem Blister auf blauem Grund.© TanyaJoy / iStock / Getty Images Plus
Depressionen werden oft medikamentös mit behandelt. Wo Antidepressiva an ihre Grenzen stoßen, könnten nun ein Probiotikum helfen.

Probiotika

BAKTERIEN LINDERN SCHWERE DEPRESSIONEN

Schwere Depressionen werden meist mit Medikamenten behandelt. Doch oft reichen diese nicht aus, um die Beschwerden völlig verschwinden zu lassen. Was dann?

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5,3 Millionen Menschen in Deutschland leiden an Depressionen. Das statistische Bundesamt gab 2015 an: Mehr Menschen sterben hierzulande durch Suizid (10 080) als durch Drogen (1226), Verkehrsunfälle (3578) und HIV (371) zusammen. Ein Team am Londoner King’s College schätzt, dass ungefähr 60 Prozent aller Behandelten mit schweren Depressionen darunter leiden, dass ihre Antidepressiva nicht ausreichend wirken.

Ein Probiotikum könnte die Therapie unterstützen. Die Forschenden um Viktoriya L. Nikolova fanden heraus, dass eine im Handel erhältliche Kombination aus 14 Bakterienstämmen depressive Beschwerden lindern kann.

Probiotikum unterstützt Antidepressiva

Das Londoner Team untersuchte das Probiotikum in einer Placebo-kontrollierten, doppelblinden, randomisierten Studie. Es ist den Wissenschaftlern vom Institut für Psychiatrie, Psychologie und Neurowissenschaft zufolge die erste Studie dieser Art. Sie überprüften die Sicherheit, Akzeptanz und das Therapiepotenzial eines im Handel befindlichen Probiotikums auf Menschen mit schweren Depressionen.

Die meisten der knapp 50 Probanden erhielten bereits Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) gegen ihre Depressionen, deren Wirkung aber sie aber als unzureichend wahrnahmen. Bipolare Störungen, Psychosen oder Selbstmordgedanken galten als Ausschlusskriterien, ebenso wie eine kürzlich erfolgte Antibiotikabehandlung.

Besonders die Ängstlichkeit ließ bei den Probanden der Verumgruppe deutlich nach, aber auch die depressiven Symptome besserten sich im Studienverlauf von acht Wochen signifikant. Schwere unerwünschte Ereignisse gab es nicht.

Mikrobiom und Psyche

Die Idee, Probiotika bei psychischen Problemen anzuwenden, ist nicht neu, viele meist kleinere Studien wurden in den letzten Jahren durchgeführt. Experten sehen die Zusammenhänge zwischen unserem Darmmikrobiom und dem menschlichen Gehirn als vielversprechendes Target für die Behandlung von Depressionen an. Auch in weiteren Untersuchungen konnten bereits positive Effekte von Probiotika gezeigt werden, allerdings fehlen weiterhin Daten.

Das Team um Nikolova hat das verwendete Probiotikum (Bio Kult Advanced) deshalb ausgewählt, weil es zu den enthaltenen Bakterienstämmen bereits Wirksamkeitsstudien bei Depressionen gab. Es sind verschiedene Lactobazillen, Bifidobakterien und Streptococcus thermophilus enthalten.

Warum Studien zu Depressionen schwierig sind

Aufgrund der Vielzahl von therapeutisch eingesetzten Bakterienstämmen gestaltet sich das Studiendesign oft schwierig. Außerdem gibt es eine Vielzahl zugelassener Antidepressiva mit ganz unterschiedlichen Wirkweisen.

Die Londoner Forscher geben auch bei ihrer Untersuchung zu bedenken: Ihre Beobachtungen beziehen sich auf Menschen, die SSRI gegen ihre Depression erhalten. Die Ergebnisse könnten also möglicherweise auf eine spezifische Interaktion des Probiotikums mit SSRI zurückzuführen sein.

Generell gestaltet sich die Behandlung einer Depression nicht ganz einfach, denn die Kriterien, mit denen man die Schwere der Erkrankung beurteilt, sind oft subjektiv: Zur Diagnosestellung und Verlaufskontrolle dienen den Ärzten Fragebögen wie die Hamilton Depression Rating Scale oder das Inventary of Depressive Symptomatology. Das macht es kompliziert, eine Depression mit einer anderen zu vergleichen oder den Therapieerfolg zu bewerten.

Auch die Studie aus London bringt noch keine endgültigen Ergebnisse. Sie zeigt allerdings, dass sich weitere Forschung lohnen könnte.

Quellen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/probiotikum-wirksam-bei-depressionen-140843/
https://jamanetwork.com/journals/jamapsychiatry/fullarticle/2806011
https://www.aok-bv.de/imperia/md/aokbv/presse/pressemitteilungen/archiv/2018/07_faktenblatt_depressionen.pdf

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