Ein Ampfer-Grünwidderchen sitzt auf einer Blüte.© T. Laußmann / BUND NRW Naturschutzstiftung
Das Ampfer-Grünwidderchen ist der Schmetterling des Jahres 2023.

Naturschutz

SALBEI, PETERSILIE UND FRÜHLINGS-SEIDENBIENE – DAS IST DIE NATUR DES JAHRES 2023

Die Arzneipflanze des Jahres ist der Echte Salbei – vielleicht haben Sie davon schon gelesen. Warum aber gibt es auch noch eine Heilpflanze des Jahres? Und welche spannenden Arten wurden 2023 noch zu Botschaftern der Natur gekürt?

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Jedes Jahr wird die sogenannte Natur des Jahres gewählt: der Baum, die Arzneipflanze, das Insekt des Jahres etwa. Die Wahl wird von Vereinen, Stiftungen oder Fachgremien getroffen. Dabei kann es schon mal eine Dopplung geben: So wählt der „Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“ die Arzneipflanze des Jahres, der „Verein zur Förderung der naturgemäßen Heilweise nach Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus“ hingegen kürt die Heilpflanze des Jahres.

Oft hat die Wahl den Zweck auf etwas aufmerksam zu machen oder Bewusstsein für ein Thema zu schaffen. Das Artensterben etwa, Umweltverschmutzung oder den Klimawandel. Manchmal wollen die Gesellschaften, die die Spezies küren, aber auch auf die besonderen Eigenschaften einer Art hinweisen. Hier finden Sie einen Überblick über die Natur des Jahres 2023, wer den jeweiligen Vertreter gekürt hat und wieso.

Arzneipflanze des Jahres: Echter Salbei

Die Arzneipflanze des Jahres wird vom Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde gewählt. Der Echte Salbei, Salvia officinalis, enthält vor allem ätherische Öle, außerdem Gerbstoffe und Bitterstoffe sowie Flavonoide. Die Pharmazie schätzt ihn wegen seiner keimtötenden, entzündungshemmenden, krampflösenden und schweißhemmenden Eigenschaften. Sie kennen ihn als Bestandteil in Fertigarzneimitteln, Arzneitees und Bonbons.

Heilpflanze des Jahres: Weinrebe

Neben der Arzneipflanze wird jährlich auch eine Heilpflanze des Jahres gekürt, nämlich vom Verein zur Förderung der naturgemäßen Heilweise nach Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus, der den Gewinner traditionell auf dem Heilkräuter-Fachsymposium des Sächsischen Landeskuratoriums Ländlicher Raum kürt.

Heilpraktiker und Vorsitzender des Wahlgremiums Konrad Jungnickel erklärt die Wahl: „Der Weinstock hält besonders in seinen Früchten und Kernen, ja selbst in seinen Blättern, eine Fülle heilkräftiger Stoffe für uns bereit.“ Die Blätter werden gegen Venenleiden eingesetzt, Kerne und Schalen wegen ihrer antioxidativen Polyphenole unter anderem in Kosmetik und Nahrungsergänzungsmitteln.

Giftpflanze des Jahres: Petersilie

Petersilienblätter sind ein typisches, gesundes Küchenkraut mit viel Vitamin C, ganze 160 Milligramm stecken in 100 Gramm Petersilie. Die Saatkörner, die die Pflanze im zweiten Jahr nach der Blüte entwickelt, sind jedoch giftig. Sie enthalten hohe Mengen ätherisches Öl mit den Substanzen Apiol und Myristin.

Sie bewirken Kontraktionen der glatten Muskulatur von Blase, Darm und Gebärmutter und wurden deshalb im Mittelalter für Schwangerschaftsabbrüche verwendet. In hohen Dosierungen führt Petersilienöl auch zu allergischen Reaktionen, Leber- und Nierenschäden, die tödlich verlaufen können.

Nach dem Abblühen gelangt das Petersilienöl aus den Samenkörnern auch in die Blätter und Stiele der Pflanze. Dann sollte das Kraut also nicht mehr gegessen werden. Daran erinnert der Botanische Sondergarten Wandsbek mit seiner Wahl der Giftpflanze des Jahres.

Mikrobe des Jahres: Bacillus subtilis

Die Vereinigung Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie hat Bacillus subtilis zur Mikrobe des Jahres gekürt. Damit macht sie auf die vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten des Keims aufmerksam.

Bacillus subtilis, auch Heubazillus genannt, weil man ihn gut in Heuaufgüssen anreichern kann, ist in der Umwelt sehr verbreitet und ist resistent gegenüber Extrembedingungen. Die Bazille scheidet verschiedene Stoffwechselprodukte aus, die wir nutzen.

  • Die Mikrobe wird zur Synthese von B-Vitaminen, des Antibiotikums Batracin und des Feuchtigkeitsspenders Polyglutaminsäure verwendet.
  • Als Probiotikum unterstützt Bacillus subtilis die Darmmikrobiota.
  • Die Biofilme, die Bacillus subtilis bildet, haften an Oberflächen. Im Tiermodell konnten sie so Nervenzellen schützen. Möglicherweise könnte man das Prinzip bei Morbus Alzheimer nutzen.
  • Im Tierfutter dient die Mikrobe dazu, Darminfekten probiotisch vorzubeugen; so kann der Antibiotikaeinsatz in der Geflügelhaltung reduziert werden.
  • Als Pflanzenschutzmittel wehrt sie Krankheitserreger von den Wurzeln ab und fördert das Wachstum.
  • Im Spülwasser von Autobahnraststätten hält sie pathogene Keime in Schach, indem sie sich schnell vermehrt und andere Mikroorganismen verdrängt.
  • In Asien gibt man Bacillus subtilis an gekochte Sojabohnen. Er bildet ein Enzym, das die Bohnen fermentiert.
  • Andere Enzyme dienen der biotechnologischen Herstellung von Waschmitteln.
  • Bacillus subtilis-Sporen können in Verbindung mit Wasser Risse in Beton schließen.

Einzeller des Jahres: Grünes Gallertkugeltierchen

Die Deutsche Gesellschaft für Protozoologie kürt den Einzeller des Jahres. Ein Einzeller ist nicht das gleiche wie eine Mikrobe; eine Mikrobe kann auch aus mehreren (wenn auch wenigen) Zellen bestehen. Im Jahr 2023 fiel die Wahl auf das Grüne Gallertkugeltierchen.

Das Wimperntierchen bildet Kolonien von bis zu 15 Zentimetern Durchmesser und lebt mit einer Grünalge in Symbiose, die als Indikator für sehr gute Wasserqualität gilt. Die Kolonien werden wiederum oft von anderen Lebewesen besiedelt.

Baum des Jahres: Moorbirke

Mit der Moorbirke (Betula pubescens) als Baum des Jahres macht die Dr. Silvius Wodarz Stiftung und die Stiftung Baum des Jahres auf das Moor als wertvollen Ort aufmerksam. Moorbirken stellen oft die einzige Baumvegetation eines Moores. Stefan Meier, Präsident der Stiftung Baum des Jahres, erklärt: „Moore sind für die Bindung von CO2 wichtig und ein Zuhause für seltene Arten.“

Die Moorbirke gehört auch zu den Birkenarten, deren Blätter wir arzneilich verwenden.

Gemüse des Jahres: Rote Bete

Der Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt hat die Rote Bete zum Gemüse der Jahre 2023 und 2024 erklärt. Aktuell sei sie den meisten nur als Sauerkonserve bekannt. Als Gemüse des Jahres soll die Rote Bete nun dafür werben, traditionelle Wurzelgemüse salonfähig zu machen.

Die Rote Bete soll zudem das Immunsystem stärken, Blutdruck und Cholesterinwerte verbessern, Entzündungen hemmen sowie Knochenstoffwechsel, Muskelwachstum und Gehirnfunktion positiv beeinflussen.

Wildbiene des Jahres: Frühlings-Seidenbiene

Die Frühlings-Seidenbiene ist die größte Seidenbienenart in Deutschland und unterscheidet sich in ihrer Behaarung von anderen Seidenbienen. Sie ernährt sich vorwiegend von Weidenblütenpollen und ist dafür bekannt, wie Pioniere neu entstehende Lebensräume zu besiedeln. Ihre Nester baut sie in Hochwasserdämmen, mageren Wiesen oder auch in Sandkästen. Anders als Honigbienen ist sie nicht als Arbeitsbienenstaat um eine Königin organisiert, sondern mehrere hundert Weibchen in einer Kolonie versorgen jeweils ihr eigenes Nest.

Das Kuratorium „Wildbiene des Jahres“ ist Teil des Arbeitskreises Wildbienen-Kataster Baden-Württemberg, das wiederum zum Entomologischen Verein Stuttgart 1869 am Naturkundemuseum Stuttgart gehört. Die Wahl zeigt außergewöhnliche und spannende Arten, um das Interesse an Natur und Wissenschaft zu wecken.

Lurch des Jahres: Kleiner Wasserfrosch

Der Kleine Wasserfrosch ist, wie sein Name verrät, die kleinste Wasserfroschart. Er lebt in nährstoffarmen Gewässern. Die Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde macht mit ihrer Wahl darauf aufmerksam, dass die Natur unter Nährstoffüberfrachtung (durch übermäßiges Düngen etwa) leidet; der Lebensraum des Kleinen Wasserfroschs ist dadurch bedroht. Der Frosch selbst ist (noch) nicht bedroht, aber streng geschützt.

Fisch des Jahres: Flussbarsch

Der Flussbarsch ist eine sogenannte stellvertretende Monitoring-Art für die klimabedingte Änderung unserer aquatischen Fauna. Das heißt, der Flussbarsch ist auch von Laien so leicht bestimmbar, dass man an ihm gut abzählen kann, wie sich die Biodiversität wandelt, weil die zunehmenden Dürreperioden kleinere Bäche und Teiche austrocknen lassen oder weil bei zu hohen Temperaturen der Sauerstoffgehalt der Gewässer sinkt. Die Wahl traf der Deutsche Angelfischerverband.

Außerdem war der Flussbarsch Ende des 18. Jahrhunderts der erste Fisch, für dessen Fischerei Regelungen zu Schonzeiten festgesetzt wurden.

Insekt des Jahres: Landkärtchen

Das Kuratorium Insekt des Jahres wird vom Senckenberg Deutschen Entomologischen Institut in Müncheberg koordiniert. 2023 fiel die Wahl auf das Landkärtchen, einen Schmetterling, der jedes Jahr zwei unterschiedlich aussehende Generationen hervorbringt. Die Generation im Frühjahr ist braunorange, die Sommergeneration schwarzbraun mit weißen Bändern und gelblichen Flecken. Lange wurden sie für verschiedene Arten gehalten.

Der NABU erklärt: „Wer im eigenen Garten etwas für die Falter tun möchte, sollte an halbschattigen Standorten die Brennnesseln stehen lassen. Dort werden Eier abgelegt. Dort können sich Raupen und Puppen ungestört entwickeln. Wichtig ist auch die Nähe zu Nektarpflanzen, da Landkärtchen keine weiten Strecken zurücklegen.“

Schmetterling des Jahres: Ampfer-Grünwidderchen

Die BUND NRW Naturschutzstiftung kürt mit der Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen den Schmetterling des Jahres und macht so auf die Bedeutung und Bedrohung der Arten aufmerksam. 2023 fiel die Wahl auf das Ampfer-Grünwidderchen, das von den Folgen der intensiven Landwirtschaft und den Rückgang von Grünland betroffen ist.

Denn die Raupen des Ampfer-Grünwidderchens fressen Sauerampfer. Der jedoch verdrängt Futterpflanzen für Vieh, weshalb Landwirte ihn auf ihren Weiden bekämpfen. Und die Blumen, von dessen Nektar der erwachsene Falter sich später ernährt, wachsen auf mit Gülle gedüngtem Grund nicht.

Libelle des Jahres: Alpen-Smaragdlibelle

Die Alpen-Smaragdlibelle ist eine kälteliebende Art und kommt in Deutschland deshalb nur in Lagen über 750 Meter vor. Der Klimawandel bedroht jedoch die Lebensräume der Larven; die deutschen Mittelgebirge sind schlicht nicht hoch genug, dass die Libelle sich in Habitate zurückziehen könnte, die kalt genug wären. Sie wird vermutlich aussterben.

Von den 80 heimischen Libellenarten sind 48 gefährdet. Darauf machen die Gesellschaft für deutschsprachige Odonatologen und der BUND mit ihrer Wahl zur Libelle des Jahres aufmerksam.

Blume des Jahres: Kleine Braunelle

Auch die Wahl der Blume des Jahres durch die Loki Schmidt Stiftung macht auf ein ökologisches Problem aufmerksam. Eigentlich ist die Kleine Braunelle eine robuste Wildblume; überlebt im gemähten Rasen und auf Viehweiden.

Die Bestände sind in den letzten Jahrzehnten jedoch geschrumpft, weil zu häufiges Mähen der Blume keine Zeit lässt, nachzuwachsen, weil sie unter Maßnahmen zur Unkrautbekämpfung leidet und vor allem, weil der hohe Stickstoffeintrag in die Böden ihren Lebensraum überdüngt. Stickstoffliebende Pflanzen verdrängen dann die kleineren Wildblumen.

Flechte des Jahres und Moos des Jahres: Falsche Rentierflechte und Geneigtes Spiralzahnmoos

Die Bryologisch-lichenologische Arbeitsgemeinschaft für Mitteleuropa wählte sowohl die Flechte als auch das Moos des Jahres 2023. Die Wahl fiel auf die Falsche Rentierflechte und das Geneigte Spiralzahnmoos, weil beide sich hervorragend eignen um Hausdächer zu begrünen, aber weniger bekannt sind als Mauerpfeffer, Fetthenne oder Gräser.

Moose und Flechten wachsen noch bei tieferen Temperaturen als Blütenpflanzen und können deshalb auch im Winter Kohlendioxid binden. Außerdem nehmen sie über ihre gesamte Oberfläche Regenwasser auf, während Blütenpflanzen es über ihre Wurzeln aus dem Boden oder Substrat ziehen. Bei starken Regenfällen nach Trockenperioden können sie das Wasser so schneller aufnehmen und länger binden. Und wenn das Wasser verdunstet, kühlt die Verdunstungskälte die Dachoberfläche – ein wichtiger werdender Effekt bei der zunehmenden Aufheizung unserer Städte im Sommer, die bis zu drei Grad Celsius wärmer sind als das Umland.

Mehr Natur des Jahres 2023

VogelBraunkehlchen
WildtierGartenschläfer
SpinneAmmendornfinger
HöhlentierSalamander
Gefährdete Nutztierrasse   Walachenschaf

 

OrchideeHerzblättriges Zweiblatt
StadtpflanzeVierblättriges Nagelkraut
PilzSumpf-Haubenpilz
AlgeJochalge Serritaenia
Regionale Streuobstsorten   Börtlinger Weinapfel,
Bischofsmütze
StaudeIndianernessel/Monarde

 

BodenAckerboden
FlusslandschaftWeiße Elster
WaldgebietChoriner Wald
Pflanzengesellschaft   Strandlingsrasen

 

Weichtier, Wasserpflanze und weitere regionale Streuobstsorten des Jahres werden noch benannt.

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