Ein Mann liegt im Dunkeln im Bett, fasst sich an den Kopf und verzieht das Gesicht.© Prostock-Studio / iStock / Getty Images Plus
Während einer Migräne-Attacke sind Betroffene oft auch lichtempfindlich.

Kopfschmerzen

MIGRÄNE-LEITLINIE EMPFIEHLT NEUE SUBSTANZEN UND VERFAHREN

Die medizinische Leitlinie zu Migräne wurde überarbeitet. Das umfasst zusätzliche Wirkstoffe, mehr Spielraum bei der Prophylaxe und technische Helfer.

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Medizinische Leitlinien geben den Beschäftigten im Gesundheitswesen Empfehlungen für die Therapie von bestimmten Erkrankungen. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie und die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft haben die S1-Leitlinie von 2018 überprüft und aktualisiert.

Zwei neue Substanzklassen erweitern die Akuttherapie. Auch bei der vorbeugenden Migränebehandlung gibt es Neues. Und die Leitlinien-Autor*innen haben Medizinprodukte unter die Lupe genommen und ihren Nutzen bewertet.

Neue Migräne-Therapeutika für die Akuttherapie
Lasmiditan (Rayvow®) und Rimegepant (Vydura®) als Vertreter der Ditane und Gepante sind in der Europäischen Union bereits zugelassen und voraussichtlich bald erhältlich.

Ditane sind mit den Triptanen verwandt, wirken also am Serotonin-Rezeptor, jedoch an einem anderen Subtyp. So bewirken sie keine Vasokonstriktion, sondern verhindern nur, dass das gefäßerweiternde Calcitonin-Gene-Related-Peptide (CGRP) bei einer Migräneattacke ausgeschüttet wird. Anders als Triptane sind Ditane deshalb auch für Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen geeignet.

Gepante docken am CGRP-Rezeptor an und blockieren ihn. Ähnlich wirkt auch der schon länger zugelassene monoklonale Antikörper Erenumab, allerdings können Gepante oral eingenommen werden. Und sie eignen sich nicht nur prophylaktisch, sondern auch im Akutfall. Davon könnten vor allem Patient*innen profitieren, denen Analgetika und Triptane bislang nicht geholfen haben.

Was ist nochmal CGRP?
CGRP steht für Calcitonin-Gene-Related-Peptide und ist ein Neuropeptid. Vor allem findet man es in den sensorischen Ganglien, im Trigeminusnerv, der Hirnrinde und der Hypophyse, aber auch an den Nervenenden der Blutgefäße. Es bewirkt eine Vasodilatation und gilt als wichtiger Migräneauslöser.
● Lasmiditan verhindert, dass CGRP ausgeschüttet wird.
● Rimegepant blockiert den CGRP-Rezeptor, sodass CGRP nicht wirken kann.
● Erenumab ist ein monoklonaler Antikörper und bindet an den CGRP-Rezeptor.
● Eptinezumab, Fremanezumab und Galcanezumab sind monoklonale Antikörper und neutralisieren CGRP.

Das sind die konkreten Empfehlungen

Generell sollen Betroffene es im Akutfall zunächst mit freiverkäuflichen Schmerzmitteln versuchen. Triptane sollen bei (mittel-)schweren Attacken verordnet werden, wenn Analgetika nicht ausreichend wirken. Rimegepant soll zum Einsatz kommen, wenn Analgetika oder Triptane nicht wirken oder nicht vertragen werden. Und Lasmiditan ist für Patient*innen bestimmt, bei denen Kontraindikationen gegen Triptane bestehen.

Spielraum bei der Migräne-Prophylaxe

Zur vorbeugenden Migränetherapie stehen nach wie vor Betablocker und Amitriptylin zur Verfügung sowie die monoklonalen CGRP-Antikörper Erenumab, Fremanezumab und Galcanezumab. Neu hinzugekommen sind der Antikörper Eptinezumab und das bereits erwähnte Rimegepant.

Außerdem galt bislang, dass die medikamentöse Prophylaxe nach sechs bis neun Monaten hinterfragt werden muss und maximal ein Jahr dauern darf. Dies wurde nun überworfen. Zwar soll ihr Sinn weiterhin regelmäßig überprüft werden, aber nicht in festen Zeitabständen. Die Dauer der Prophylaxe richtet sich nun nach der Erkrankung und den persönlichen Lebensumständen.

Mehr als Medikamente

Die neue Leitlinie empfiehlt bei akuten Migräneattacken auch die nichtinvasive Stimulation des Nervus supraorbitalis. Es gibt ein Therapiesystem, das mit Klebeelektroden über den Augenhöhlen arbeitet, allerdings zahlen die gesetzlichen Krankenkassen es bislang nicht. Außerdem wurden in der Leitlinie bestimmte Smartphone-Apps ergänzt. Hierzu stehen die Ergebnisse kontrollierter Studien aber noch aus, sodass die Studienautor*innen die Evidenz noch nicht beurteilen konnten.

Nein zu…
Laut Leitlinie sind nach aktueller Studienlage invasive Neurostimulation und andere Operationen, spezielle Piercings, Homöopathie und Nahrungsergänzungsmittel (auch Probiotika) nicht geeignet, um Migräne zu behandeln oder ihr vorzubeugen.

Quellen:
https://register.awmf.org/assets/guidelines/030-057l_S1_Therapie-der-Migraeneattacke-Prophylaxe-der-Migraene_2023-01.pdf
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/das-sind-die-neuen-empfehlungen-137940/ 

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