Darstellung von Krebszellen im Fadenkreuz.© wildpixel / iStock / Getty Images Plus
Jüngste Studien deuten darauf hin, dass sogenannte neutrophile Granulozyten eine wirksame Waffe gegen den Krebs sein und betroffene Zellen gezielt beseitigen könnten.

Immuntherapie

NEUTROPHILE GEGEN KREBS

Neutrophile Granulozyten sind bisher aus einigen Studien bekannt dafür, das Tumorwachstum zu fördern. Doch neue Erkenntnisse aus den USA zeigen: sie können auch anders.

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Ein Team an der Harvard Medical School in Boston zeigt, dass die Neutrophilen wichtige Faktoren dafür sind, ob eine Immuntherapie gegen Krebs gelingt oder scheitert. Bisher ist der Erfolg dieser für manche Patienten überlebenswichtigen Behandlung nur schlecht kalkulierbar.

Jeremy Gungabeeson und sein Team konnten nachweisen, dass es verschiedene Typen von Neutrophilen gibt, die auch jeweils unterschiedliche Marker auf ihrer Oberfläche tragen. Sie sind somit vielfältiger als bisher gedacht. Das könnte neue Therapieoptionen ermöglichen.

Unterstützung fürs Immunsystem bei der Krebstherapie

Neutrophile Granulozyten sind ein Teil des adaptiven Immunsystems. Sie stellen den größten Teil der im Blut zirkulierenden Immunzellen und setzen bei Infektionen oder Verletzungen rasch antimikrobielle Stoffe frei. Die aktuellen Forschungsergebnisse weisen auf weitere Funktionen dieser Zellen hin.

In einem Experiment an Mäusen mit Lungenkrebs verdoppelte sich die Zahl der Neutrophilen binnen zwei Tagen nach Beginn einer Immuntherapie. Untersucht wurden Mäuse, deren Tumoren gut auf die Behandlung ansprachen. Die Neutrophilen, die als Reaktion auf eine Immuntherapie entstehen, unterscheiden sich deutlich von denen, die das Tumorwachstum fördern.

Die Neutrophilen, die als Reaktion auf eine Immuntherapie entstehen, unterscheiden sich deutlich von denen, die das Tumorwachstum fördern.

Weitere Studien zeigten: Die Unterdrückung eines Transkriptionsfaktors namens IRF1 in den Neutrophilen der Mäuse führte zum Scheitern der Immuntherapie. Bei IRF1 handelt es sich um ein Protein, das auf den Entzündungsbotenstoff Interferon-1 reagiert. Es scheint eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung der Krebszellen durch die Neutrophilen einzunehmen. Wenn das Eiweiß fehlt, bleibt die Immuntherapie erfolglos.

Was ist eine Immuntherapie?
Bei dieser Art der Krebsbehandlung unterstützt man die eigene Immunabwehr des Patienten dabei, entartete Zellen zu erkennen und sie zu beseitigen. Es gibt viele mögliche Ansätze für eine solche Behandlung, die Forschung läuft weltweit auf Hochtouren. Bisher zugelassene Therapien richten sich zum Beispiel gegen Mechanismen, durch die der Tumor die Abwehrzellen schwächt (Checkpoint-Inhibitoren) oder unterstützen gezielt die T-Zell-Antwort. Unsere T-Zellen stellen als Teil des adaptiven Immunsystems einen wichtigen Mechanismus bei der Bekämpfung veränderter Zellen dar. Bei manchen Krebsformen (Lungenkrebs, Schwarzer Hautkrebs) sind Immuntherapien entscheidend für den Krankheitsverlauf und die Heilungschancen.

Weitere Daten zur Immuntherapie bei Menschen mit Lungenkrebs erbrachten ähnliche Ergebnisse wie die Untersuchungen der Mäuse. Patienten mit einer ausgeprägten Reaktion der Neutrophilen auf die Therapie hatten bessere Krankheitsverläufe und überlebten häufiger. Eine solche starke neutrophile Reaktion, ausgelöst durch eine Immuntherapie, kann sich also günstig auswirken, so die Wissenschaftler. Ihrer Meinung nach können Neutrophile sogar Krebszellen beseitigen, die sich vor den T-Zellen verbergen.

Eine starke neutrophile Reaktion, ausgelöst durch eine Immuntherapie, kann sich günstig auswirken. Neutrophile könnten sogar Krebszellen beseitigen, die sich vor den T-Zellen verbergen.

Immuntherapie der Zukunft: Kombi gegen Krebs?

Weitere Untersuchungen sind nach Meinung des Bostoner Teams erforderlich und befinden sich in Planung. Ob Neutrophile für oder gegen Tumoren wirken, wird bereits bei ihrer Bildung im Knochenmark festgelegt, so Mikael Pittet, Mitautor der Studie. Er hofft, dass die Erkenntnisse bald neue Möglichkeiten in der Krebsbehandlung eröffnen.

Eine zukünftig vielleicht mögliche Kombination aus T-Zell-Therapie und Anti-Tumor-Neutrophilen könnte einen Durchbruch in der Immuntherapie bedeuten und vielen Patienten helfen.

Quellen:
https://www.wissenschaft.de/gesundheit-medizin/neutrophile-koennen-krebs-bekaempfen/
Jeremy Gungabeeson et al.: „A neutrophil response linked to tumor control in immunotherapy“, Cell, 30. März 2023. https://www.cell.com/cell/fulltext/S0092-8674(23)00210-6
https://www.krebsinformationsdienst.de/behandlung/immuntherapie/impfen-gegen-krebs.php

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