Filmklappe © Fernando Gregory / 123rf.com
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Kino – Schon gesehen?

GILBERT GRAPE – IRGENDWO IN IOWA

Der amerikanische Film des Regisseurs Lasse Hallström aus dem Jahre 1993 schildert einen Ausschnitt aus dem Leben des Gilbert Grape, dessen Alltag aus den Fugen gerät, als er seine große Liebe Becky kennenlernt.

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Der Lebensmittelverkäufer Gilbert Grape lebt irgendwo in Iowa, genau genommen in dem kleinen, ländlichen Ort Endora. Er ist eines von fünf Kindern und hat zwei Brüder und zwei Schwestern. Sein älterer Bruder hat die Familie jedoch vor Jahren verlassen und der jüngere Bruder Arnie (Leonardo DiCaprio) ist von Geburt an geistig behindert. Der Vater ist bereits verstorben – er hat sich im Keller erhängt. Von diesem Schock hat sich Mutter Bonnie (Darlene Cates) nie erholt. Sie ist extrem fettleibig geworden, wiegt 500 Pfund und hat das Haus seit Jahren nicht mehr verlassen.

Die komplette Verantwortung für die Familie lastet daher wie ein schwerer Stein auf Gilbert. Über Langeweile kann er sich, trotz des kleinen, verschlafenen Ortes, nicht beklagen: Die übrig gebliebene Familie lebt in einem maroden Landhaus, für dessen Instandhaltung Gilbert verantwortlich ist.

Belastend ist außerdem, dass Arnie regelmäßig ausbüchst, das gesamte Dorf dadurch in Aufregung versetzt und Gilberts Geduld somit in hohem Maße beansprucht. Hinzu kommt, dass die Existenz von Gilberts Arbeitsstelle neuerdings durch einen großen Supermarkt bedroht ist.

Entspannung findet er in einer amourösen Affäre zu der erheblich älteren Betty Carver (Mary Steenburgen), deren Ehemann regelmäßig versucht, den Grapes Versicherungen zu verkaufen. Für Freunde ist wenig Zeit und so bleiben ihm nur der Imbissbudenbesitzer Tucker van Dyke (John C. Reilly) sowie der Bestatter Bobby McBurney (Crispin Glover). Eines Tages kommt die junge Becky (Juliette Lewis) mit ihrer Großmutter nach Endora, um ihren Wohnwagen reparieren zu lassen. Die beiden sind gezwungen, ihre Weiterreise für ein paar Tage aufzuschieben und bleiben erst einmal im Ort.

ÜBERBLICK
In unserer Serie „Kino – Schon gesehen?“ stellen wir Ihnen demnächst folgende verfilmte Krankheitsthemen vor:
+ Der Doktor – Ein gewöhnlicher Patient (Kehlkopfkrebs)
+ Shutter Island (Psychose)
+ Love Story (Leukämie)
+ Marias letzte Reise (Krebs)
+ Benny & Joon (Neurose)
+ Durchgeknallt (Borderline)
+ Vertigo (Höhenangst)
+ Reine Nervensache (Panikattacken)

Gilbert und Becky treffen in dieser Zeit aufeinander und verlieben sich. Doch in der Beziehung gibt es gleich zu Beginn Probleme: Becky würde gerne Gilberts Mutter kennenlernen, doch er blockt ihren Wunsch mehrmals ab, weil er sich für Bonnie schämt. Becky merkt rasch, welch hohe familiäre Verantwortung auf ihrem Freund lastet. Als Arnie wieder einmal von zuhause wegläuft und auf einen Wasserturm klettert, nimmt die Polizei ihn in Gewahrsam. Zum ersten Mal seit Jahren wagt sich Bonnie in die Öffentlichkeit und fordert auf der Polizeiwache Arnies Freilassung. Um sie herum versammeln sich spottende Schaulustige und Gilbert ist das Auftreten seiner Mutter fürchterlich peinlich.

Eines Abends vernachlässigt Gilbert seinen Bruder und lässt ihn beim Waschen alleine zurück. Er findet ihn am nächsten Morgen zitternd in der Badewanne. Schließlich eskaliert die Situation am Abend vor Arnies 18. Geburtstag: Der völlig überforderte Gilbert schlägt seinem geistig behinderten Bruder nach einem Fehlverhalten so hart ins Gesicht, dass dieser sogar blutet. Geschockt über sein eigenes Verhalten flüchtet Gilbert und fährt davon. In der Zwischenzeit sucht Arnie Zuflucht bei Becky, die ihn beruhigt und schließlich zu seinen Schwestern bringt.

Becky findet auch Gilbert, der das Geschehen heimlich von einem Versteck aus beobachtet hat, und die beiden verbringen die Nacht zusammen. An Arnies Geburtstag kehrt Gilbert nach Hause zurück und versöhnt sich mit seinem Bruder. Mit seiner Mutter hat er an diesem Tag eine ernste Unterredung. Sie kritisiert zwar Gilberts Tat, erklärt aber auch, dass sie sich darüber bewusst ist, welch hohe Belastung sie in all den Jahren für ihre Kinder war. Nach dem Gespräch stellt Gilbert seiner Mutter endlich seine Freundin Becky vor. An diesem Abend entschließt sich Bonnie, statt auf der Couch wieder in ihrem eigenen Bett in der oberen Etage zu übernachten. Nur mit Mühe und Not schleppt sich die krankhaft Übergewichtige die Stufen zum Schlafzimmer hoch.

Ihr Wunsch, Arnie noch einmal zu sehen, wird nicht erfüllt. Als dieser bei ihr eintrifft, ist sie bereits tot. Allen ist klar, dass der Leichnam ihrer Mutter mit einem Kran aus dem Haus gehievt werden müsste. Gilbert möchte allerdings mit allen Mitteln verhindern, seine Mutter noch einmal der Lächerlichkeit preiszugeben. Daher steht der Entschluss schnell fest: Die Geschwister räumen das gesamte Haus leer und Gilbert zündet es an, bis es lichterloh, samt Bonnie, abbrennt. Der Film endet mit der Szene, dass Becky und ihre Großmutter ein Jahr später, kurz vor Arnies 19. Geburtstag, auf dem Weg zur Wohnwagenkarawane wieder in den Ort kommen. Gilbert und Arnie steigen dazu und gemeinsam verlassen sie Endora.

Geistige Behinderung Im ICD-10 fällt dieses Phänomen, bei dem es sich um einen andauernden Zustand deutlich unterdurchschnittlicher kognitiver Fähigkeit sowie Einschränkungen im affektiven Verhalten handelt, unter Intelligenzminderung (F70-79). Die Diagnose ist mithilfe von standardisierten Intelligenztests möglich, wobei ein Intelligenzquotient (IQ) von etwa 70 bis 85 als unterdurchschnittlich und als Lernbehinderung gilt. Im Falle eines IQ von unter 70 liegt eine geistige Behinderung vor.

Einige andere Krankheitsbilder ähneln der geistigen Behinderung und müssen daher differenzialdiagnostisch abgeklärt werden. Dazu gehören unter anderem das Deprivationssyndrom, Pseudodebilität, frühkindlicher Autismus sowie weitere hirnorganische Erkrankungen. Charakteristisch für die Intelligenzminderung ist im Vergleich, dass diese von Geburt an besteht, das Sozialverhalten Betroffener nicht autistisch ist und keine Wahnsymptome vorliegen.

Bei geistig behinderten Menschen findet die kognitiv-intellektuelle Entwicklung verzögert statt, zudem äußert sich die Intelligenzminderung durch Lernschwierigkeiten in der Schule oder durch eine verminderte Abstraktionsfähigkeit. Auch die soziale und emotionale Reife sowie das Anpassungsvermögen sind eingeschränkt. Trotz alledem ist die Fähigkeit, Gefühle zu empfinden, nicht beeinträchtigt, die Artikulation und der Umgang mit den Emotionen verlaufen jedoch abweichend und äußern sich zum Teil in einer lautsprachlichen Kommunikation. Als Ursache für eine geistige Behinderung werden endogene (z. B. Erbkrankheiten) und exogene Faktoren (Alkoholkonsum in der Schwangerschaft, Sauerstoffmangel während der Geburt, Unfälle) diskutiert.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 04/14 ab Seite 90.

Martina Görz, PTA und Fachjournalistin (FJS)

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