Zitrusfrüchte© Michel VIARD / iStock / Getty Images

Pflanzliche Inhaltsstoffe

EINST EINE UNBEKANNTE GEFAHR

Was verbindet „Eau de Cologne“ und die Berloque-Dermatitis, eine fototoxische Reaktion auf bestimmte Pflanzen? Es sind die Cumarine. Dem nicht-pharmazeutischen Erfinder war wahrscheinlich nicht bewusst, was sein Parfüm hätte auslösen können.

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Cumarin und seine Verwandten sind bei Ihren Kunden in der Regel eine eher unbekannte pharmazeutische Wirkstoffgruppe. Der Name Cumarin leitet sich vom guyanesischen Baum „Coumarouna“ab. Aus dessen bekannteren Samen, den Tonkabohnen, wurde ursprünglich Cumarin gewonnen. Der Name ging später auf alle Pflanzenstoffe als Gruppenbezeichnung über, die dasselbe Grundgerüst aufweisen.

Das enthaltene Cumarin ist auch der Grund für ein Verwendungsverbot der Tonkabohne in den USA. Auch in Deutschland darf die Bohne erst seit 1991 wieder eingeschränkt für Lebensmittel verwendet werden. Laut Aromenverordnung darf je nach Art des Lebensmittels ein Maximalwert zwischen fünf und 50 Milligramm pro Kilogramm jedoch nicht überschritten werden.

Der Grund für die Aufhebung des kompletten Verwendungsverbots waren neue Erkenntnisse zur Metabolisierung des Cumarins. Im Gegensatz zu Ratten, bei denen eine karzinogene Wirkung festgestellt wurde, spielen beim Menschen CYP 3A4 und CYP 2A6 im Metabolismus des Cumarins die Hauptrolle. Dieses wird beim Menschen zu nichttoxischen Hydroxycumarinen verstoffwechselt. Somit kann die Tonkabohne wieder eingesetzt werden und ihren typischen leichten Vanillegeschmack entfalten. In der Pharmazie stehen andere Verwandte des Cumarins im Vordergrund.

Hydroxycumarine Relevante Einzelsubstanzen beziehungsweise Stoffgruppen, die zu den Cumarinen gezählt werden, sind Dicumarol, Hydroxycumarine und Furanocumarine. Dicumarol ist die Muttersubstanz vieler synthetischer Antikoagulanzien. Zuerst entdeckt in verdorbenem Steinklee, der zum Tod von Rindern durch eine schwere Blutungsneigung führte, hat es sich durch chemische Veränderung einen Namen in älteren Leitlinien zur Thromboseprophylaxe gemacht.

Nach Umwandlung in Hydroxycumarine kommen verschiedene Substanzen zum Einsatz. In Deutschland hat sich das Phenprocoumon etabliert. Im englischsprachigen Ausland wird bevorzugt das Warfarin eingesetzt. Auch in der Selbstmedikation sind Hydroxycumarine zu finden.

Pelargoniumwurzelextrakt als unspezifisches Immunstimulans bei Erkältungssymptomen enthält verschiedene Vertreter der Hydroxycumarine, wie das Umckalin. Auch in der Therapie von venösen Erkrankungen spielt ein Hydroxycumarin-Vertreter eine Rolle. Aesculin ist neben dem bekannteren Saponin Aescin einer der Inhaltsstoffe der Rosskastanie, die bei Kranmpfaderleiden eingesetzt wird.

Furanocumarine Sie haben im Gegensatz zu ihren Verwandten eine eher zweifelhafte Berühmtheit. Man unterscheidet verschiedene Typen von Furanocumarinen, von denen aber die interessantesten Vertreter die Psoralen-Reihe bilden. Cumarine sind allgemein lipophile Substanzen, die im Darm resorbiert werden und sich rasch bis ins zentrale Nervensystem verteilen. Ein Teil dringt bis in die äußeren Hautschichten vor und reichert sich dort an.

Nun haben Vertreter der erwähnten Psoralen-Reihe den Nachteil, dass sie fotosensibilisierende Eigenschaften auf die Haut ausüben. Das heißt, sie steigern die Empfindlichkeit der Haut auf UV-Strahlung. Diese Eigenschaft macht sie zum einen interessant für den medizinischen Einsatz, zum anderen auch gefährlich.

In der Medizin kommen Psoralene in der sogenannten PUVA-Therapie zum Einsatz. Die Abkürzung steht für Psoralen plus UV-A-Strahlen. Der Wirkstoff Xanthotoxin, welcher chemisch gesehen den Namen 8-Methoxypsoralen trägt, wird hier in Kombination mit langwelligen UV-Strahlen eingesetzt, um verschiedene Krankheitsbilder wie Vitiligo oder Psoriasis zu behandeln. Oral als Tablette oder punktuell als Creme aufgetragen, sorgt Xanthotoxin für die Bildung von hochreaktiven Radikalen in den oberen Hautschichten, die ihrerseits zelltoxische Läsionen erzeugen.

Gezielt eingesetzt können so degenerierte Hautzellen behandelt werden. Verbrennungen der umliegenden Hautpartien sind in der Regel als Nebenwirkung nicht zu umgehen. Im freizeitlichen Privatleben können furanocumarinhaltige Pflanzen zu verschiedenen, unerwünschten Dermatitiden führen. Die Wiesendermatitis kommt beispielsweise durch das Liegen auf Wiesen zustande, auf denen verschiedene Pflanzen beheimatet sind, die Furanocumarine enthalten.

Bekannte Vertreter sind unter anderem Bärenklauarten oder Schafgarbe. Die anfangs genannte Berloque-Dermatitis ist eine solche fototoxische Reaktion durch Furanocumarine, die im Bergamottöl enthalten sind. Reines Bergamottöl soll besonders natürlich gegen lästige Mücken helfen. Fragen Ihre Kunden danach, sollten Sie davon abraten.

In industriell gefertigten Kosmetika werden fast ausschließlich cumarinfreie Bergamottöle verwendet. Und hier schließt sich der Kreis. Das echte Bergamottöl ist wichtiger Bestandteil des Eau de Cologne. Die Bestandteile Bergapten, Citropten und Bergamottin sind Vertreter der Furanocumarine und mitverantwortlich für den Duft des ätherischen Öls. Solange aber nur die empfohlene Menge angewendet wird, sollte sich das Dermatitis-Risiko in Grenzen halten.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 06/2022 ab Seite 52.

Manuel Lüke, Apotheker und PTA-Lehrer für Gefahrstoffkunde

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