Salzkörner auf schwarzem Hintergrund© LoveTheWind / iStock / Getty Images Plus
Bald könnte Natrium Acetat bei Menschen mit einer Sepsis vorbeugend und behandelnd eingesetzt werden.

Blutvergiftung

NEUE STRATEGIE GEGEN SEPSIS

Die Gründe, warum manche Blutvergiftungen mild, andere tödlich verlaufen, sind trotz Forschung jahrzehntelang im Dunklen geblieben. Forschende der Universität Tübingen haben nun eine mögliche Ursache entdeckt – und eine Strategie zur Bekämpfung entwickelt.

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Als Folge einer lokalen Infektion kann es zum Eindringen von Bakterien in die Blutbahn kommen, was zu einer lebensbedrohlichen Sepsis und einem septischen Schock mit Organversagen führen kann – umgangssprachlich Blutvergiftung genannt. Verursacher einer solchen Sepsis können unter anderem Methicillin-resistente Staphylococcus aureus Bakterien (MRSA) sein, welche gegen viele der gängigen Antibiotika Resistenzen gebildet haben.

Das Forschungsteam unter der Leitung von Professor Andreas Peschel und Dr. Dorothee Kretschmer fand heraus, dass die körpereigene Immunabwehr gegenüber Staphylokokken durch Gabe des Essigsäuresalzes Natrium-Acetat gestärkt wird. Dadurch kann der Körper besser mit der Infektion fertig werden, ohne dass ein Antibiotikum zum Einsatz kommt. Experimente mit Mäusen zeigen: Bei denjenigen, die über das Trinkwasser oder eine Injektion Acetat erhielten, wurde der Verlauf einer bakteriellen Sepsis deutlich verbessert.

Wie wird eine Sepsis bekämpft?

Neutrophile Granulozyten sind die häufigsten weißen Blutkörperchen im Blutkreislauf. Sie bekämpfen eine bakterielle Infektion, indem sie die Erreger erkennen, aufnehmen und zerstören. Auf ihrer Oberfläche befinden sich verschiedene Mustererkennungsmoleküle, Rezeptoren, an die bakterienspezifische Komponenten binden und so die Anwesenheit von Bakterien signalisieren. Acetat ist so eine Komponente. Es wird von vielen Bakterien gebildet – vor allem von Infektionserregern wie Staphylococcus aureus und von Darmbakterien beim Verdauen der Nahrung.

Acetat wird vom Rezeptor GPR43 auf den Neutrophilen erkannt.

Kretschmer berichtet, dass sie und die anderen Forschenden in der Studie zum ersten Mal untersuchen konnten, welche Auswirkungen die Bindung des Acetats an Neutrophile hat. Laut ihr scheint es ein Verstärker zu sein, der die Granulozyten aufweckt und in Alarmbereitschaft versetzt. Sie erklärt außerdem:

Acetat wirkt über die Aktivierung des GPR43-Rezeptors regulatorisch, sodass eine adäquate und zielgerichtete körpereigene Immunantwort auf mehreren Ebenen stattfinden kann.“

Granulozyten in Aktion

Werden Granulozyten bereits vor einer Infektion in Alarmbereitschaft versetzt, können sie effektiver auf die eindringenden Krankheitserreger reagieren. Das führt dazu, dass sie schneller aus dem Blut zum Infektionsort wandern, mehr Bakterien aufnehmen und Sauerstoffradikale bilden, die die Bakterien abtöten. So konnten sich die Bakterien bei einer anschließenden Sepsis durch das Bakterium Staphylococcus aureus weniger gut vermehren und in den Organen verteilen.

Experimente an Mäusen belegten die Annahme: Eine Acetatinjektion oder die Gabe von acetathaltigem Trinkwasser führt bei Mäusen zu einer verbesserten Immunantwort. „So konnte ein tödlicher Verlauf verhindert werden“, sagt Kretschmer. Darüber hinaus seien die Nager schneller genesen. „Interessanterweise konnten wir denselben Effekt beobachten, wenn wir das Acetat erst nach Beginn der Sepsis verabreichten“, berichtet die Erstautorin der Studie Katja Schlatterer vom CMFI.

Auch bei menschlicher Sepsis

Aufgrund seiner Ergebnisse hält es das Forschungsteam für denkbar, Acetat auch beim Menschen sowohl vorbeugend als auch zur Behandlung einer Sepsis zu nutzen. Acetat findet bereits Anwendung im klinischen Bereich, zum Beispiel als Säure-Basen-Regulator in Infusionen, die bei Flüssigkeitsverlust gelegt werden. Die Verträglichkeit beim Menschen ist somit schon erwiesen.

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft

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