Eine junge Frau schaut auf ihr Smartphone und schaut schockiert.
Ist die Schlagzeile über eine Person emotional, fällen wir ein Urteil über sie - egal, wie vertrauenswürdig die Quelle ist. © grinvalds / iStock / Getty Images Plus

Schlagzeilen | Urteilsvermögen

WENN’S MIT EMOTIONEN VERKNÜPFT IST, GLAUBT UNSER HIRN EINFACH ALLES

Ob Fake News oder Wahrheit: Unser Gehirn macht offensichtlich keinen Unterschied, wenn es mit Nachrichten konfrontiert wird. Bittere Erkenntnis: Emotionen beeinflussen unser Urteil – so sehr, dass die Glaubwürdigkeit der Medienquelle wirkungslos bleibt.

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Viele von uns sind häufig online, und was im Internet an Gerüchten, Halbwahrheiten und Falschinformationen unterwegs ist, mag man sich ausmalen. Obwohl der Wahrheitsgehalt solcher Informationen fragwürdig ist, können sie einen erheblichen Einfluss auf die eigene Meinung und öffentliche Diskurse ausüben – siehe das Wahldrama um den noch amtierenden und den bereits gewählten US-Präsidenten.

Wenig war allerdings bisher darüber bekannt, welche Folgen Fake News auf die Verarbeitung im Gehirn haben und inwiefern dieser neuronale Prozess unser Urteilsvermögen beeinflusst. Die Forscher der neurokognitiven Psychologie zeigen uns, dass emotionsgeladene Schlagzeilen selbst dann großen Einfluss auf unsere Informationsverarbeitung und Urteilsbildung über Menschen haben, wenn wir die Nachrichtenquelle für unglaubwürdig halten.

Ausgetrickst
Dazu konstruierten die Wissenschaftler der Berlin School of Mind and Brain und das Psychologische Institut der Humboldt-Universität zu Berlin fiktive Schlagzeilen mit sozial-emotionalen oder vergleichsweise neutralen Informationen im jeweiligen Online-Layout bekannter deutscher Medienquellen über fiktive Personen. Beispielsweise wurde über jemanden berichtet, dass er Steuergelder veruntreut habe und über einen anderen, dass er besondere Zivilcourage bewiesen habe.

Und obwohl die Studienteilnehmer*innen die Medienquellen als unterschiedlich glaubwürdig einschätzten, spielten diese Einschätzungen für die Meinungsbildung keine Rolle. Anders bei den emotionalen Inhalten der Schlagzeilen: Die hatten starke Auswirkungen auf die Urteile.

Auch, wenn Probanden einer Nachrichtenquelle so gar kein Vertrauen entgegenbrachten, fällten sie extreme Urteile über die Menschen, über deren Verhalten die Schlagzeilen berichteten. Die Teilnehmer bewerteten Personen, deren Verhalten als negativ beschrieben wurde, als unsympathisch und negativ, während sie Personen, die mit guten Taten Schlagzeilen machten, als sehr sympathisch und positiv einschätzten.

EEG bestätigt: Glaubwürdigkeit egal
Die Gehirnaktivität der Versuchsteilnehmer wurde mittels Elektroenzephalogramm erfasst, während sie ihre Urteile über die Personen fällten, von denen sie gerade gelesen hatten. Dabei konnten schnelle und unwillkürliche Antworten von langsameren, kontrollierten Reaktionen unterschieden werden. Erwartet hatte man, dass diese „überlegteren“ Reaktionen neben der Emotion auch eine Berücksichtigung der Quelle beinhalten. Dass also die Glaubwürdigkeit der Quelle in das Urteil mit einfließen könnte. Doch weit gefehlt: Sowohl in späten als auch in frühen Reaktionen des Gehirns dominierte die Emotionalität der Schlagzeilen, unabhängig von der Glaubwürdigkeit.

Bitter, aber wahr: Nachrichteninhalte, die Gefühle wie Begeisterung oder Empörung auslösen, prallen auch dann nicht einfach so von uns ab, wenn wir der Quelle nicht vertrauen. Vielmehr bleiben Vorbehalte gegenüber der Verlässlichkeit einer Quelle wirkungslos, wenn emotionale Inhalte unser Urteilsvermögen dominieren.

Das Fazit: Diese Konsequenzen emotional geladener Nachrichten sind noch nicht ausreichend bekannt und erforscht. Das wäre aber ein essenzieller erster Schritt, um sich gegen die möglicherweise schädlichen Folgen von Gerüchten, Halbwahrheiten und Falschinformation zu schützen.

Alexandra Regner,
PTA und Medizinjournalistin

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft 

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