NOAK
E-Learning-Fortbildung

Neue orale Antikoagulanzien

Was bedeutet NOAK? Nur ohne Appetit kauen – Motto der neuesten Frühlingsdiät? Durchfahrtsverbot ohne Ausnahme an Kindergärten – neues Verkehrszeichen? Was verbirgt sich tatsächlich hinter dieser Buchstabenkombination?

15 Minuten

Veröffentlichung der Teilnahmebescheinigung:
01. Juni 2020

NOAK – Die Arzneistoffe Dabigatran ist ein kompetitiver, reversibler Thrombin-Hemmer, der auch als FII-Hemmer oder FII-Inhibitor bezeichnet wird. Zusätzlich wird sowohl freies als auch fibringebundenes Thrombin gehemmt und die thrombininduzierte Thrombozytenaggregation beeinflusst. Die hochselektiven Faktor-Xa-Inhibitoren binden kompetitiv, reversibel am aktiven Zentrum von Faktor Xa. In diese Gruppe gehören die Wirkstoffe Apixaban, Rivaroxaban und Edoxaban. Diese Arzneistoff-Gruppe wird auch als Xabane bezeichnet.

Indikation Die vier in Deutschland verfügbaren Arzneistoffe aus der Gruppe der NOAK, der Thrombin- beziehungsweise Faktor-IIa-Hemmer Dabigatran sowie die Faktor-Xa-Inhibitoren Rivaroxaban, Apixaban und Edoxaban, unterscheiden sich nur geringfügig in ihren Einsatzgebieten. Gemeinsam sind sie sowohl bei nicht valvulärem Vorhofflimmern (zum Beispiel nach Einsetzen einer neuen Herzklappe), als auch bei venösen Thromboembolien (VTE) zugelassen. Unter VTE werden die Krankheitsbilder der Lungenembolie und tiefen Venenthrombose (VTV) zusammengefasst. Unterschiede sind hingegen bei den Dosierungen zu beachten, die sich je nach Indikation verschieden gestalten.

Nebenwirkungen und Interaktionen Das Hauptaugenmerk richtet sich, ihrer therapeutisch erwünschten, blutgerinnungshemmenden Wirkung entsprechend, auf das erhöhte Blutungsrisiko. Bei unerwünschten Blutungen, dem Auftreten eines sich ausbreitenden, starken Hautausschlags mit Bläschen oder dem Hinweis auf eine allergische Reaktion sollten sich die Behandelten sofort mit einem Arzt in Verbindung setzen. Schädigende Einflüsse auf Leber und Nieren sind nicht Arzneistoff-spezifisch und wie bei jeder medikamentösen Dauertherapie möglich und nicht auszuschließen. Unter der NOAK-Therapie müssen diverse Wechselwirkungen mit anderen Arzneistoff-Gruppen und verschiedenen Nahrungsmitteln beachtet werden.

Zunächst zu den pharmakokinetischen Interaktionen, welche die Metabolisierung, Distribution (Verteilung im Körper) und Eliminierung betreffen: Alle vier Substanzen sind Substrate des P-Glykoproteins, das zur Familie der sogenannten ABC-Transporter (ATP-Binding-Cassette-Transporter) gehört. Physiologisch haben P-Glykoproteine die Aufgabe mögliche toxische Stoffe aus wichtigen Zellen herauszutransportieren. Da dieser Transport entgegen des Konzentrationsgefälles abläuft, verbraucht er Energie, also ATP. P-Glykoproteine finden sich in Leber, Nieren, Dünn- und Dickdarm, Bauspeicheldrüse, aber auch in der Plazenta sowie in der Blut-Hirn-Schranke. Mit allen Arzneistoffen, die auch P-Glykoprotein-Substrate sein können und die deren Ausprägung verstärken (Induktoren) oder hemmen (Inhibitoren), kommt es zu Wechselwirkungen. So zum Beispiel gehören Verapamil und Amiodaron zu den P-Glykoprotein-Inhibitoren, die eine Dosisanpassung oder Therapieumstellung bedingen.

Ebenfalls großes Interaktionspotenzial besteht mit Substanzen, die über CYP450-Enzyme abgebaut werden und dieses beeinflussen Die Kombination mit starken CYP3A4 –Inhibitoren oder –Induktoren wird nicht empfohlen. Pharmakodynamische Interaktionen sind mit allen Arzneistoffe zu erwarten, die Einfluss auf Blutstillung und Blutgerinnung nehmen. Achtung auch in diesem Zusammenhang bei gleichzeitiger Anwendung von NSAR (nichtsteroidalen Antirheumatika) wie unter anderem Diclofenac oder Ibuprofen. Sie können in diesem Zusammenhang zu lebensgefährlichen Blutungen führen und sollten nur nach strenger Nutzen-Risiko-Abwägung gemeinsam mit NOAK zum Einsatz kommen.

Kontraindikation Einschränkungen des Einsatzes von NOAK sind den Organen Leber und Nieren geschuldet. Im Falle einer Minderleistung der Leber ist die Metabolisierung der Wirkstoffe stark eingeschränkt, bei Funktionseinschränkung der Nieren die renale Elimination stark vermindert. Unter der Therapie mit NOAK ist die regelmäßige Überprüfung von Leberwerten sowie der Blut- und Harnparameter angeraten. Auch ein zeitgleicher Einsatz anderer Arzneistoffe, die zu einer Beeinträchtigung der Blutgerinnung führen, unterliegt der Indikationseinschränkung. Der Einsatz bei Menschen, die jünger als 18 Jahre sind, ist nicht erlaubt. Auch während der Schwangerschaft und Stillzeit sind sie kontraindiziert.

Antidote Auf Empfehlung der EMA (Europäische Arzneimittel-Agentur; European Medicines Agency) wurde das Antidot Idarucizumab für Dabigatran zugelassen. Mitte 2019 erhielt Andexanet alfa eine „bedingte“ Zulassung als Antidot für Apixaban und Rivaroxaban. „Bedingte“ Zulassung bedeutet, dass die erforderliche Datenlage für eine abschließende Bewertung noch nicht komplett ist, aber mittels neuer Informationen und Erkenntnissen aktualisiert werden soll. Im Interesse der öffentlichen Gesundheit überwiegt hier der Nutzen einer sofortigen Zulassung vor dem Risiko. Idarucizumab ist ein humanisiertes monoklonales Antikörperfragment mit sehr hoher Affinität zu Dabigatran.

Die effiziente Wirkung von Idarucizumab ist auf die hohe Bindungsaffinität zu Dabigatran und dessen Metaboliten zurückzuführen, die im Vergleich 300-fach höher ist als die von Dabigatran zu Thrombin. Durch die Bildung des Idarucizumab-Dabigatran-Komplexes wird die gerinnungshemmende Wirkung von Dabigatran aufgehoben. Die Substanzlösung steht als Injektion oder zur Infusion zur Verfügung, muss im Kühlschrank bei zwei bis acht Grad Celcius (°C) gelagert werden und ist auf die Anwendung im Krankenhaus beschränkt. Idarucizumab darf ausschließlich bei mit Dabigatran behandelten erwachsenen Patienten angewendet werden, wenn eine rasche Aufhebung der antikoagulatorischen Wirkung erforderlich ist und die übliche Zeit nach dem Absetzen nicht mehr eingehalten werden kann.

Beispielsweise bei einer Notfall-Operationen oder anderen dringenden Eingriffen sowie bei lebensbedrohlichen oder nicht beherrschbaren Blutungen. Für den Einsatz während Schwangerschaft und Stillzeit liegen keine Erfahrungen mit der Anwendung vor. Zum Einfluss auf die Fertilität beim Menschen von Idarucizumab gibt es keine Daten. Andexanet alfa ist, wie erwähnt, ein spezifisches Antidot für Rivaroxaban oder Apixaban. Laut Zulassung ist die Indikation auf die Aufhebung der Antikoagulation bei erwachsenen Patienten beschränkt, die unter der Therapie dieser beiden Faktor-Xa-Inhibitoren stehen und unter lebensbedrohlichen oder nicht kontrollierbaren Blutungen leiden. Andexanet alfa ist eine rekombinante Variante unseres menschlichen Gerinnungsfaktor Xa.

Als kompetitiver Antagonist besitzt Andexanet alfa eine hohe Affinität zu den Faktor-Xa-Hemmern, hat jedoch keine intrinsische Aktivität und blockiert sie damit. Das aktive Zentrum des Antidot-Proteins ähnelt dem des menschlichen Faktor-Xa, das FXa-Inhibitoren mit der gleichen Affinität wie an den natürliche FXa bindet. Gelungen ist dies lediglich durch den Austausch zweier Aminosäuren im aktiven Zentrum. Die FXa-Inhibitoren binden nun an Andexanet alfa und ihre gerinnungshemmende Wirkung wird nivelliert.

Andexanet alfa steht als Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung zur Verfügung, muss im Kühlschrank bei 2 °C bis 8 °C gelagert werden und ist ebenfalls auf die Anwendung im Krankenhaus beschränkt. Die Wirksamkeit der fertigen Lösung ist für bis zu 16 Stunden belegt, wobei diese auch bei 2 °C bis 8 °C gelagert werden muss. Beim Menschen liegen für den Einsatz während Schwangerschaft und Stillzeit keine Erfahrungen mit der Anwendung vor. Außerdem gibt es bis jetzt keine Daten zur Beeinflussung der Fertilität beim Menschen.

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