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Bereits bei der Abgabe des Arzneimittels sollten Sie auf Besonderheiten der Verpackung oder Anwendung hinweisen. © dolgachov / 123rf.com

Senioren und Arzneimittel

WENN DER KINDERSICHERE VERSCHLUSS DIE THERAPIE BEEINTRÄCHTIGT

Zur Arzneimitteltherapiesicherheit gehört auch die Sicherstellung einer Anwendung, die für jeden Patienten einfach und exakt durchführbar ist. Gerade Senioren berichten allerdings immer wieder von Problemen beim Öffnen von Verschlüssen, beim Verabreichen von Augentropfen oder beim Herausdrücken verblisterter Tabletten. Wie kann die PTA hierbei helfend zur Hand gehen?

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Es ist schon lange kein Geheimnis mehr: Wir leben in einer alternden Gesellschaft. Eine höhere Lebenserwartung und eine geringere Geburtenrate führen zu einem stetigen Anstieg des Seniorenanteils. Diese Personen ab dem 65. Lebensjahr beziehungsweise dem Renteneintrittsalter machen bereits heute den Großteil der Apothekenkundschaft aus. Zudem gehören Medikamente gegen sogenannte Alterskrankheiten wie zum Beispiel Diabetes mellitus, Glaukom, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Rheumatische Leiden zu den Abgabe-Schlagern in der Apotheke. Daher könnte man meinen, diese Arzneimittel seien auch speziell für den Umgang durch einen älteren Menschen konzipiert, aber oftmals scheint genau das Gegenteil der Fall zu sein.

Wenn die Kraft nachlässt Im Laufe des Lebensalters lassen sowohl motorische Geschicklichkeit als auch Kraft nach. Durch die natürlich sinkende Anzahl der Muskelfasern und die zusätzlich steigende Einlagerung von Binde- und Fettgewebe, ändert sich auch der Energiestoffwechsel. Da die Muskelzellen nicht mehr so anpassungsfähig darauf reagieren können, resultiert, oftmals trotz Training, eine verminderte Leistungsfähigkeit und Einschränkung der Beweglichkeit.

Zusätzlich plagen viele Senioren Fingersteifigkeit oder ein Tremor. Saisonal quält dann ein trockenes Auge oder man muss krankheitsbedingt sogar regelmäßig zu ihnen greifen: Augentropfen. Einen Tropfen aus den kleinen Quetschflaschen zu bekommen bedarf einer gewissen Kraft. Dazu kommt dann auch noch eine exakte Koordination, um wirklich zu treffen – das kann dann schon einmal ins Auge gehen, oder eben nicht.

Fiese Falle Augentropfen Ein erster Schritt besteht in der ausführlich erklärten Anwendung bei der Abgabe der Tropfen. Mittlerweile gibt es auch andere Applikationssysteme als die altbekannte Quetschflasche, deren Handhabung ohne Erklärung Fragen aufwerfen kann. Zudem ist es vielen Kunden unangenehm zuzugeben, dass sie nicht mit dem System zurechtkommen. Bei Aussagen wie „Da kommt nix raus“ sollten sie sensibel nachhaken. Spezielle Applikationshilfen (z.B. Autodrop®, Opticare®) können dann Abhilfe schaffen, auch eine handelsübliche Wimpernzange kann das Tropfen aus einer Einzeldosen-Pipette vereinfachen. Zudem kann auch eine nachlassende Griffstärke mit der richtigen Technik noch voll ausgeschöpft werden.

Anstatt das Fläschchen mit den Spitzen von Zeigefinger und Daumen zu drücken (Spitzgriff), kann dem Kunden der sogenannte Schlüsselgriff (Spitze des Daumens drückt auf Mittelglied des gebogenen Zeigefingers) oder Dreifingergriff (gleichzeitiges zusammendrücken von Daumen-, Zeigefinger- und Mittelfingerspitze) vorgeführt werden. So kann deutlich mehr Kraft aufgebracht werden. Manchmal hilft auch bereits die zimmerwarme Applikation: dazu das Fläschchen kurz in der Hand oder Hosentasche anwärmen.

Sich selbst Augentropfen zu verabreichen gestaltet sich dennoch oft schwierig, daher empfehlen Sie am besten die kanthale Applikation. Dabei wird jeweils ein Tropfen auf den inneren Lidwinkel des geschlossenen Auges getropft, der Anwender befindet sich dazu in der Rückenlage. Das Auge wird anschließend kurz geöffnet und dann wieder verschlossen. Danach sollte noch eine Minute auf dem Rücken geruht werden.

Kritische Darreichungsformen Auch Inhalationssysteme gehören zu den klassischen beratungsintensiven Darreichungsformen, nicht nur bei Senioren. Ein gemeinsames Inhalationstraining mit Placebo-haltigen Demomodellen hilft, Unsicherheiten abzulegen. Zudem ist es sinnvoll, bei Folgeverordnungen immer wieder nachzufragen, ob die Anwendung Probleme bereitet. Ein Großteil der Inhalationen (ca. 40-80%) wird nicht richtig ausgeführt. Dies kann zur Folge haben, dass im schlimmsten Fall gar kein Arzneistoff am eigentlichen Wirkort ankommt. Gerade ältere Menschen haben Probleme mit den unterschiedlichen Systemen.

Unterstützen Sie sie beispielsweise durch das Vorbereiten des Inhalators (z.B. Einlegen der Patrone/des Pulver-Reservoire) oder machen Sie auf akustische Signale bei der Anwendung (Klicken beim Laden des Devices oder Anstechen der Pulverkapsel) aufmerksam. Bei Schwerhörigkeit kann ein angelegter Joghurtbecher oder die Vorbereitung auf der Tischplatte zur Resonanzverstärkung dienen. Geeignete Hilfsmittel wie Spacer können die schwer umzusetzende simultane Auslösung von Dosieraerosol und Einatmung unterstützen. In manchen Fällen kann auch eine Umstellung auf eine geeignetere Darreichungsform angezeigt sein (z.B. von Pulver- auf Dosieraerosol). Raten Sie in diesem Fall zu einem Gespräch mit dem behandelnden Arzt. 

Kleine Hilfen, große Wirkung Eine geeignete Darreichungsform zu finden kann auch außerhalb der Indikation von Asthma oder COPD problematisch werden. Viele Senioren leiden unter Mundtrockenheit, auch einige Arzneistoffe führen diese Nebenwirkung in ihrer Fachinformation auf. Das Schlucken einer Tablette kann dann eine regelmäßige Einnahme erschweren. Wenn die korrekte Einnahme auch nicht mit einer geeigneten Menge Wasser (200-250ml) gelingt und eine Umstellung auf dosisgleiche Tropfen, Kapseln oder Zäpfchen keine Option darstellt, kann eine Schluckhilfe (z.B. Medcoat®) angewendet werden.

Sie überzieht die Tablette mit einem gleitfähigen Film, der vor allem die Einnahme großer oder nicht überzogener Tabletten erleichtert. Auch beim Tablettenteilen gibt es praktische Helferlein, wenn die Fingerkraft nicht ausreicht. Tablettenteiler sollten unbedingt dem Küchenmesser vorgezogen werden, da sonst keine Teilung in gleiche Dosen gewährleisten werden kann. Bei der dermalen Anwendung kann mitunter auch Hilfe benötigt werden. Sogenannte Tubenquetscher oder –presser können nicht nur dem vollständigen Entleeren der Tube dienen, sondern auch deren Handhabung zur Applikation gleichbleibender Dosen (z.B. je 2 cm Salbenstrang) unterstützen.

Das Ziel vor Augen Lässt die Sehkraft im Alter nach, wird nicht nur das Lesen des Beipackzettels oder der Schrift der Packung zum Problem. Hier können übrigens bestimmte Vorlesedienste unterstützen. Auf www.patienteninfo-service.de sind bereits für viele Fertigarzneimittel sowohl entsprechende Audiodateien als auch Beipackzettel in vergrößerter Darstellung hinterlegt. Die handschriftliche Kennung der Packungen in der Offizin (z.B. METFORMIN, DIABETES) und ein übersichtlicher Medikamenten-Einnahmeplan in großer Schrift verbessern ebenfalls die Therapiesicherheit.

Ein besonderes Problem stellt an dieser Stelle auch die Einnahme arzneistoffhaltiger Tropfen dar. Wenn man die Tropfen nicht richtig sieht, ist eine korrekte Dosierung fast unmöglich und kann mitunter gefährlich werden. Auch hier können Joghurtbecher als Resonanzverstärker wirken: einfach reintropfen und die Geräusche mitzählen. Manche Systeme sind statt eines Tropfers mit einer Pumpe ausgestattet, so können die Pumpstöße gezählt werden (vorher Tropfenzahl in Pumpstöße umrechnen).

Ebenso stellen sogenannte Oraldispenser eine Alternative dar. Dazu die verordnete Tropfenzahl in Milliliter umwandeln, die Dispenser-Spritze mittels Adapter auf den Tropfer aufsetzten und dann die entsprechende Flüssigkeitsmenge entnehmen. Hier können Sie als PTA wirklich etwas bewirken! Gerade Senioren sind Ihnen sehr dankbar, wenn sie Ihnen empathisch und einfühlsam mit offenem Ohr zur Seite stehen und auf die Probleme bei der Applikation eingehen.

Farina Haase,
Apothekerin, Volontärin



Quellen:
 

„Wenn der kindersichere Verschluss die Therapie beeinträchtigt”

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