Nachdenklicher Mann © bowie15 / iStock / Thinkstock

Kolumne | Holger Schulze

ÜBUNG MACHT DEN MEISTER

Woher weiß das Gehirn, was es sich merken soll? Der Schlüssel zum Verständnis liegt in der Funktionsweise des Hippocampus: Wiederholung macht den Unterschied!

Seite 1/1 2 Minuten

Seite 1/1 2 Minuten

Kennen Sie das auch? Wie mühsam es sein kann, sich manche Dinge zu merken? Wünschen Sie sich da nicht auch manchmal ein eidetisches Gedächtnis wie es Sheldon Cooper aus der Sitcom „Big Bang Theory“ hat, der sich einfach alles merkt, auch wenn er es nur ein einziges Mal gesehen oder erlebt hat? Tatsächlich wäre solch eine Fähigkeit wohl eher Fluch als Segen, denn es gehört zu einem gesunden, effektiv arbeitenden Gehirn durchaus dazu, Dinge auch vergessen zu können, nicht nur im Falle traumatischer Ereignisse (vgl. PTA 7/2010). Wie aber entscheidet das Gehirn, was es sich merken sollte und was nicht?

Aufschluss hierüber geben neueste Erkenntnisse über die Arbeitsweise des Hippocampus. Schon lange ist bekannt, dass der wegen seiner Form nach dem Seepferdchen benannte Teil des Gehirns für das Erinnern essenziell ist: Beidseitige Zerstörung dieser Struktur wie im Falle des Patienten HM (Henry Gustav Molaison, ein Mann mit einer besonderen Erinnerungsschädigung, die bis zu seinem Tod 2008 intensiv studiert wurde) führt zu sogenannter anterograder Amnesie, bei der das Kurzzeitgedächtnis zwar noch intakt, aber keine Langzeitgedächtnisbildung mehr möglich ist: Der Patient lebt vereinfacht gesagt nur noch in der Gegenwart.

Wie aber funktioniert nun dieser Hippocampus? Seit knapp 30 Jahren ist bekannt (wenn jüngst auch nicht mehr ganz unumstritten), dass der Hippocampus zu den wenigen Regionen im Gehirn gehört, in denen zeitlebens neue Nervenzellen gebildet werden. Information, die dauerhaft gespeichert werden soll, gelangt zunächst in den Hippocampus und löst dort plastische Prozesse aus, die zu einem Umbau der synaptischen Verbindungen führen.

Durch diesen Umbau verändert sich das Netzwerk der neuronalen Verbindungen, und die Information kann wieder abgerufen werden, indem dieses Netzwerk erneut aktiviert wird. Werden nun neue Nervenzellen in dieses Netzwerk eingebaut, so verblasst das Gespeicherte langsam wieder, weil bei erneuter Aktivierung des Netzwerks eben nicht mehr die genau gleichen Aktivierungsmuster entstehen sondern nur noch ähnliche.

Wir lernen nachhaltig durch Wiederholung.

Je länger dieser Prozess fortschreitet, desto unähnlicher werden die Muster und desto vager wird die Erinnerung. Soll eine bestimmte Information nun dauerhaft im Gehirn abgespeichert werden, so muss sie vom Hippocampus in die Großhirnrinde (Cortex) übertragen werden, wo sie dann wesentlich stabiler abgelegt wird. Allerdings erfordert dieser Vorgang Zeit. Ist während dieses Zeitraums die Information im Hippocampus aus den genannten Gründen aber bereits verblasst, kann sie im Cortex auch nicht mehr vollständig gespeichert werden.

Der Schlüssel liegt daher in der Wiederholung der Information: Wird diese wiederholt präsentiert, erfährt das Netzwerk im Hippocampus sozusagen ein regelmäßiges Update, und zwar im Idealfall so lange, bis das Ganze sicher im Cortex angekommen ist. So sortiert der Hippocampus also weniger wichtige Dinge aus, etwa belanglose Erlebnisse. Was aber wiederholt wahrgenommen wird, ist es wahrscheinlich auch wert, dauerhaft erinnert zu werden. Wenn Sie also etwas wirklich lernen wollen, heißt es üben, üben, üben – Sie kennen das…

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 05/18 auf Seite 12.

Zur Person

Prof. Dr. Schulze Hirnforscher
Holger.Schulze@uk-erlangen.de 

Prof. Dr. Schulze ist Leiter des Forschungslabors der HNO-Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg sowie auswärtiges wissenschaftliches Mitglied des Leibniz-Instituts für Neurobiologie in Magdeburg. Seine Untersuchungen zielen auf ein Verständnis der Neurobiologie des Lernens und Hörens. www.schulze-holger.de 

×