Über einer Männerhand schwebt eine illustrierte Leber.
Das neue Arzneimittel Givosiran setzt in der Leber bestimmte Genabschnitte außer Kraft, damit haben AHP-Erkrankte erstmals ein vorbeugendes Präparat zur Hand. © Tharakorn / iStock / Getty Images Plus

Gentherapie | hepatische Porphyrie

RNA-INTERFERENZ-THERAPEUTIKUM GIVOSIRAN ZUGELASSEN

Givosiran ist der zweite in Deutschland zugelassene Arzneistoff, der durch RNA-Interferenz wirkt. Der neue Behandlungsansatz ist gleichzeitig die erste Dauertherapie bei der Erbkrankheit hepatische Porphyrie.

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Die Biosynthese des roten Blutfarbstoffs Häm verläuft in mehreren Schritten über spezifische Enzyme. Fehlen die Enzyme, reichern sich Stoffwechselzwischenprodukte im Blut an. Bei der akuten hepatischen Porphyrie (AHP) sind das Aminolävulinsäure und Porphobilinogen. Diese Substanzen verursachen schwere Attacken mit Bauchschmerzen, Erbrechen und epileptischen Anfällen. Da es auch zu Lähmungen und Atemstillstand kommen kann, sind diese Schübe lebensbedrohlich. Doch auch in der anfallsfreien Zeit leiden die Betroffenen oft unter chronischen Schmerzen.

Der neue Wirkstoff Givosiran (Givlaari®) ist eine siRNA, eine doppelsträngige kleine interferierende Ribonukleinsäure. Diese RNA aus wenigen Basenpaaren codiert im Gegensatz zu körpereigenen RNA keine Proteine, sondern verbindet sich mit komplementären einzelsträngigen Ribonukleinsäure-Molekülen und setzt diese damit außer Kraft. In den Leberzellen bewirkt sie eine RNA-Interferenz, sie legt also bestimmte Genabschnitte lahm, indem sie Wechselwirkungen mit mRNA eingeht. In diesem Fall baut sie die Aminolävulinsäure-Synthase-1-Boten-Ribonukleinsäure ab. So werden die Blutspiegel von Aminolävulinsäure und Phorphobilinogen gesenkt, den beiden Auslösern der Erkrankung.

Givosiran wird einmal monatlich subkutan injiziert und ist für Erwachsene und Kinder ab zwölf Jahren zugelassen. Während der Behandlung soll auf allergische Reaktionen geachtet sowie die Leber- und Nierenwerte kontrolliert werden. Steigt der Transaminase-Wert, kann die Anwendung unterbrochen und später in halber Dosierung fortgesetzt werden. Eine Anwendung während Schwangerschaft und Stillzeit ist nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung möglich. Eine Schädigung des Kindes bei Anwendung in der Schwangerschaft kann nicht ausgeschlossen werden, allerdings ist diese auch durch die AHP-Attacken selbst möglich.

Damit steht den von der seltenen Erbkrankheit Betroffenen eine vorbeugende Dauermedikation zur Verfügung, wo es bislang nur Notfallbehandlungen gab. Givosiran ist erst das zweite mRNA-Interferenz-Therapeutikum nach Partisiran, mit dem die hereditäre ATTR-Amyloidose behandelt wird.

Gesa Van Hecke,
PTA und Redaktionsvolontärin

Quelle: Pharmazeutische Zeitung

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