Mehrere geröstete Esskastanien kullern aus einer Papiertüte.© joannatkaczuk / iStock / Getty Images Plus
Esskastanien kennen Sie bestimmt vom Weihnachtsmarkt. Forscher haben nun einen Inhaltsstoff darin entdeckt, der gegen MRSA eingesetzt werden könnte.

MRSA | Resistenzen

KASTANIE GEGEN KRANKENHAUS-KEIME

Antibiotika sind das Mittel der Wahl gegen bakterielle Infektionen. Was aber, wenn die Erreger gegen das Arzneimittel resistent sind? Insbesondere der Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) ist nur schwer zu therapieren. Ein Wirkstoff aus Kastanien könnte nun helfen.

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Wenn Sie an Arzneimittel aus Kastanien denken, haben Sie vermutlich eine Creme gegen Venenleiden mit Rosskastanien-Extrakt vor Augen. In ländlichen Regionen Italiens kommen jedoch die Blätter der Europäischen Esskastanie zum Einsatz. Cassandra Quave, Forscherin aus einem Team um Akram Salam von der Emory University in Atlanta, erzählt: „In der traditionellen italienischen Medizin wird eine Kompresse aus den gekochten Blättern der Edelkastanie auf die Haut aufgelegt, um Verbrennungen, Ausschläge und infizierte Wunden zu behandeln.“ Das inspirierte die Wissenschaftler, in den Blättern nach pharmakologisch wirksamen Stoffen zu suchen. Dabei stießen sie auf das Triterpenoid Castaneroxy A.

Der Wirkstoff könnte die Therapie von MRSA-Infektionen erleichtern. Dieses Bakterium besiedelt viele Menschen als Teil ihrer natürlichen Bakterienflora. Ist das Immunsystem geschwächt, vermehrt der Keim sich jedoch vielfach, verursacht schwere Infektionen und kann zum Tod führen. Und: Viele Antibiotika sind wirkungslos gegen MRSA. „Angesichts zunehmender Antibiotika-Resistenzen braucht die Welt neue Medikamente gegen Infektionskrankheiten“, schreiben auch die Forscher um Salam.

Weniger Virulenz ohne Resistenz

Antibiotika töten die Erreger ab oder hemmen ihr Wachstum. Sind einzelne Bakterien jedoch resistent, überleben sie die Therapie. Sie können sich anschließend wieder vermehren – sie haben einen Selektionsvorteil –, so setzt sich die resistente Variante letztlich durch. Bei Castaneroxy A ist das laut Quave anders: „Wir haben gezeigt, wie der Wirkstoff Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus entwaffnet, indem er die Fähigkeit der Bakterien, Toxine zu produzieren, ausschaltet.“ So sinkt die Virulenz; die Erreger werden unschädlicher. Da die Keime überleben und sich vermehren können, haben resistente Bakterien keinen Vorteil.

Reinsubstanz gewonnen und entschlüsselt

Die Forscher konnten das Castaneroxy A-Molekül aus den Kastanienblättern isolieren und reine Kristalle gewinnen. Auch die genaue Struktur des Wirkstoffs klärten sie. So können sie für künftige Arzneimittel nach noch wirksameren Derivaten suchen. „Ob Castaneroxy A erfolgreich die therapeutischen Ergebnisse bei der Behandlung von MRSA-Infektionen verbessern kann – entweder allein oder als Ergänzung zu Antibiotika – bleibt abzuwarten“, schreiben die Wissenschaftler. Bisherige Studien hatten Erfolg.

Mäuse: Wirksamkeit

Um zu prüfen, ob der Kastanienextrakt wirkt, infizierten die Forscher Hautwunden von Mäusen mit MRSA. Die Tiere erhielten dann verschieden hohe Dosen des Wirkstoffs. Wie erwartet entzündeten sich die Wunden der Placebo-Grupp, die Haut wurde nekrotisch oder die Tiere verstarben. Die Läsionen der behandelten Mäuse heilten besser, und bei einer Dosis von 50 Mikrogramm (µg) effektiver als bei 10 µg.

Menschliche Hautzellen: Unbedenklichkeit

An menschlichen Keratinozyten war Castaneroxy A in sehr hohen Konzentrationen zytotoxisch. In einer therapeutischen Dosis übt die Substanz „wenig bis keine Zytotoxizität auf Säugetierzellen“ aus, wie es in der Studie heißt. Vor einer Zulassung als Arzneimittel seien hier Sicherheitsstudien nötig.

„Unser Ziel ist es nicht, die Mikroben abzutöten, sondern Wege zu finden, sie so zu schwächen, dass das Immunsystem oder Antibiotika besser in der Lage sind, eine Infektion zu beseitigen.“

Bakterien schwächen statt abtöten

„Wir legen den Grundstein für neue Strategien zur Bekämpfung bakterieller Infektionen auf klinischer Ebene“, freut sich Quave. Anstatt sich zu sehr um die Behandlung des Erregers zu kümmern, konzentriere sich das Team darauf, Patienten besser zu therapieren. „Unser Ziel ist es nicht, die Mikroben abzutöten, sondern Wege zu finden, sie so zu schwächen, dass das Immunsystem oder Antibiotika besser in der Lage sind, eine Infektion zu beseitigen.“

Quellen:
https://www.wissenschaft.de/gesundheit-medizin/wirkstoff-aus-kastanienblaettern-gegen-mrsa/
Salam A et al.: „Castaneroxy A From the Leaves of Castanea sativa Inhibits Virulence in Staphylococcus aureus“, Frontiers in Pharmacology, 28. Juni 2021. https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fphar.2021.640179/full

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