© coffeekai / iStock / Getty Images

Anti-Aging-Wirkstoffe

KEIN OXIDATIVER STRESS, BITTE!

Freie Radikale greifen jeden Tag unsere Haut an. Davor müssen wir sie schützen, sonst droht vorzeitige Hautalterung – sagt zumindest die Werbung. Alles nur ein Marketingtrick oder bringen Antioxidanzien wirklich etwas?

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Um es direkt zu sagen: Oxidativen Stress gibt es wirklich. Natürlich altert die Haut, aber nur zehn Prozent des Hautalterns sollen genetisch bedingt sein. Den Rest erledigen UV-Strahlung, Rauchen, Lebensführung, Stress, Alkohol, aber auch bestimmte Lebensumstände wie Schwangerschaft, Leistungssport oder chronische Hauterkrankungen wie Neurodermitis. Diese Stressoren führen dazu, dass unsere Haut sehr aktiv werden muss, sie erhöht Stoffwechsel-, Abwehr- und Reparaturreaktionen. Dafür braucht sie Sauerstoff und wird der verbraucht, fallen zunehmend Radikale an, die den Körper und somit auch unsere Haut potenziell schädigen können, sogenannte reaktive Sauerstoffspezies (ROS).

Sie reagieren mit allen geeigneten, reaktionsfreudigen Hautbausteinen: DNA, Proteinen oder ungesättigten Fettsäuren. Dementsprechend können sie zu malignen Veränderungen der Haut, zu einer Schädigung des Kollagens oder zu einer Degeneration der elastischen Fasern führen. Die Folgen wären dann vorzeitige Hautalterung und schlimmstenfalls Hautschäden und Hautkrankheiten. Zwar verfügt unser Körper über eine Vielzahl eigener Mechanismen, um freie Radikale abzufangen und abzubauen. Aber die Haut an dieser Stelle zu unterstützen schadet nicht, denn irgendwann sind auch die besten antioxidativen Systeme überlastet.

Schutzwirkung Grob gesagt lassen sich Antioxidanzien je nach Wirkungsmechanismus in drei Gruppen einteilen: Radikalfänger, Reduktionsmittel und Co-Antioxidationsmittel. Radikalfänger wie Vitamin E (Tocopherole) greifen freie Radikale ab und unterbrechen dadurch die Radikal-Kettenreaktion, also die fortlaufende Bildung neuer Radikale. Sogenannte Reduktionsmittel haben ein sehr niedriges Redox-Potenzial, dadurch werden sie eher oxidiert als die zu schützende Substanz. Dazu zählt beispielsweise Ascorbinsäure, also Vitamin C. Co-Antioxidationsmittel weisen selbst zwar keine antioxidative Eigenschaft auf, unterstützen oder verstärken aber die Wirkung des Antioxidans, zum Beispiel durch Regeneration des verbrauchten Antioxidans. Ein wichtiger Vertreter ist das Coenzym Ubichinon-10 oder Q10, das unter anderem zur Regeneration von Vitamin E beiträgt.

Doch nicht jeder Stoff kann seine Anti-Aging-Wirkung direkt auf die Haut aufgetragen, zum Beispiel als wirksamer Inhaltsstoff einer Creme, entfalten. Tatsächlich können die meisten Nährstoffe die Hornschicht kaum überwinden. Ausnahmen bilden die Vitamine A und E sowie die essenziellen Fettsäuren, da sie lipophil genug sind, die Barriere zu durchdringen. In tieferen Hautschichten werden dementsprechend messbare Konzentrationen erreicht. Hauptsächlich ist die Haut bei der Versorgung aber auf die Blutbahn angewiesen. Dementsprechend kann Anti-Aging auch „von innen“ stattfinden. Lebensmittel, die besonders reich an Antioxidanzien sind, kommen vor allem aus dem Obst- und Gemüseregal. Aber auch in Pflanzenölen, Nüssen oder Eiern finden sich Stoffe mit antioxidativer Wirkung.

Vitamine für die Haut Vitamin E ist der wichtigste Radikalfänger im lipophilen Milieu. Auch wenn die Bezeichnung gerne synonym für alpha-Tocopherol verwendet wird, ist sie vielmehr ein Sammelbegriff für verschiedene fettlösliche Stoffe mit antioxidativer und nicht-antioxidativer Wirkung, hauptsächlich Tocopherole, Tocotrienole und Tocomonoenole. Vitamin E ist Bestandteil aller Zellmembranen und schützt dort mehrfach ungesättigte Fettsäuren in Membranlipiden, Lipoproteinen und Depotfett vor einer Zerstörung durch Oxidation. Freie Radikale würden mit den Doppelbindungen der Fettsäuren reagieren, Vitamin E fängt mit seinen freien Phenolgruppen die Radikale ab und wird somit selbst zum Radikal – aber zu einem sehr trägen und reaktionsunwilligen, weshalb man die Kettenreaktion als abgebrochen bezeichnen kann.

Der Schutz der Membranen hat noch einen zusätzlichen Effekt: Die Hautbarriere wird gestärkt und dadurch widerstandsfähiger. In Cremes wird Vitamin E mit 0,05 bis 0,2 Prozent zugesetzt, zum einen als Antioxidans. Zum anderen erhöht es die Mitoserate der Basalzellen, die mit dem Alter natürlicherweise abnimmt, wodurch sich die Haut verdünnt. Unterstützt wird Vitamin E häufig durch Vitamin A, genauer durch Beta-Carotin, also das Provitamin A. Aufgrund seiner kräftigen Farbe kann es Kosmetika aber nur in geringen Konzentrationen zugesetzt werden.

Einer der am besten untersuchten Anti-Aging-Wirkstoffe ist Vitamin C. Als Antioxidans wirkt Ascorbinsäure dabei sogar auf zwei Wegen: Zum einen ist es maßgeblich an der Regeneration von Vitamin E beteiligt, zum anderen schützt es als starkes Reduktionsmittel körpereigene Strukturen vor oxidativer Zerstörung. Im Vergleich zu Vitamin E ist es als Antioxidans eher untergeordnet, wird aber trotzdem gerne in Kosmetika eingesetzt. So soll es aufhellende Eigenschaften haben (z. B. bei Altersflecken) oder die Kollagensynthese fördern, sodass sogar altersbedingte Bindegewebsschäden regeneriert werden können.

Lebenswichtiges Co-Enzym Die Atmungskette würde ohne das Coenzym Q10 zum Erliegen kommen. Dort ist es nämlich als Radikalfänger während der ATP-Bildung beteiligt. Es neutralisiert anfallende Sauerstoffradikale, bevor es zu Zellschäden kommen kann. Außerdem ist es in der Lage, die antioxidative Wirkung von Vitamin E zu regenerieren. Zusätzlich zeigt es einen membranstabilisierenden Effekt, indem es sich in die Lipid-Doppelschicht der Zellmembranen einlagert. Messungen ergaben, dass der Q10- Gehalt der Haut durch oxidativen Stress zurückgeht. Zusätzlich sinkt im Alter die natürliche Biosyntheserate – es muss vermehrt von außen zugeführt werden. Das geht natürlich durch Lebensmittel wie Fisch, Olivenöl, Soja oder Walnüsse. Aufgrund seiner Lipophilie ist es aber auch sinnvoll, Q10 direkt auf die Haut aufzutragen, denn es gelangt auch so in tiefere Hautschichten. Dort kann es dann gegen oxidativen Stress wirken und Lichtschäden sowie Hautalterung vorbeugen.

Pflanzenpower Die in den Pflanzen produzierten Polyphenole (sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe) eignen sich analog der Wirkungsweise von Vitamin E als Antioxidanzien, also Radikalfänger. Anthocyane, Bioflavonoide, Proanthocyanidine, Katechine, Hydroxyzimtsäuren und Hydroxybenzoesäure werden mittlerweile viel- fach in Anti-Aging-Kosmetika eingesetzt. Sie scheinen zusätzlich die Produktion proentzündlicher Mediatoren wie Histamin, Leukotriene oder Prostaglandine sowie UV-B-induzierte DNA-Schädigungen zu reduzieren. Ihnen werden antikanzerogene, antiphlogistische und immunstimulierende Effekte zugeschrieben. Besonders hautschützende antioxidative Eigenschaften scheinen die Polyphenole aus grünem und schwarzem Tee zu besitzen. Kontrollierte Studien zur topischen Applikation von pflanzlichen Polyphenolen bei Hautalterungserscheinungen fehlen allerdings noch.

Den Artikel finden Sie auch in unserem Sonderheft „Kosmetik – Anti-Aging“ 2019 ab Seite 12.

Farina Haase, Apothekerin/Redaktion

×