hängende Pflanzen
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Phytotherapie

HEILKRAFT DER NATUR

Die Phytotherapie hat einen festen Platz in der Selbstmedikation. Pflanzliche Arzneimittel, die ein aufwändiges Zulassungsverfahren durchlaufen haben, sind oft eine gute Alternative zu synthetischen Präparaten.

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Von der Pflanze ... Ausgangsmaterial für die Herstellung von Pflanzenzubereitungen ist immer die frische Arzneipflanze. Sie kann direkt zum Presssaft oder Ölmazerat weiterverarbeitet werden. Häufiger wird die Frischpflanze aber durch schonende Trocknung in die getrocknete Pflanze (Droge) überführt, die Ausgangsbasis für Tees oder diverse Extraktarten ist. Die Herstellung der Extrakte erfolgt unter standardisierten, also genau festgelegten Bedingungen, um eine gleichbleibende Zusammensetzung des Phytopharmakons zu gewährleisten. Eine gleichbleibende Qualität des pflanzlichen Rohstoffs bildet dabei die Grundvoraussetzung für ein qualitativ hochwertiges, standardisiertes Phytopharmakon. Zunehmend verwenden Hersteller pflanzliche Rohstoffe aus kontrolliertem Anbau, um Phytopharmaka mit gleichbleibender Qualität zu gewährleisten. Einige züchten sogar eigenes Saatgut, um Sorten mit einen besonders hohen Gehalt an wirksamen Inhaltsstoffen zu erhalten.

Da bei vielen Arzneipflanzen die wirksamen Inhaltsstoffe nicht gleichmäßig in der ganzen Pflanze verteilt sind, wird in der Regel nur ein bestimmter Pflanzenteil für die Phytopharmakaherstellung genommen. Dieser variiert bei den Arzneipflanzen. So werden bei der Birke beispielsweise die Blätter verwendet, beim Baldrian kommt hingegen die Wurzel zum Einsatz. Es ist auch möglich, dass von einer Pflanze verschiedene Teile verwendet werden, da sie aufgrund ihres unterschiedlichen Spektrums an Inhaltstoffen für jeweils andere Indikationen geeignet sind. Beispielsweise werden von der Brennnessel neben den Blättern, die der Durchspülung bei entzündlichen Erkrankungen der ableitenden Harnwege dienen, auch die Wurzel zur symptomatischen Behandlung von Miktionsbeschwerden im Zusammenhang mit Benigner Prostatahyperplasie (BPH) gebraucht.

... zum Extrakt Während früher Arzneipflanzen fast ausschließlich als Tee oder Tinktur zur Anwendung kamen, werden sie heute für die Herstellung von pflanzlichen Arzneimitteln zunehmend zu Extrakten verarbeitet. Die Extraktion erfolgt nach diversen technischen Verfahren (z. B. Aufguss, Abkochung, Kaltauszug oder davon abgeleitete Verfahren) mit unterschiedlichen Extraktionsmitteln (z. B. Ethanol/Wasser, Methanol, Ether oder Aceton). Die Herstellungsvorschriften für die wichtigsten Extraktionsverfahren finden sich im Deutschen (DAB) beziehungsweise im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.). Je nach Art des Verfahrens und des Extraktionsmittels werden aus derselben Arzneipflanze unterschiedliche Extrakte (z. B. Dick-, Trocken-, Fluidextrakt/ Tinktur) mit teils sehr unterschiedlichen Eigenschaften und Wirkungen gewonnen.

Extrakt gleich Wirkstoff Das Extraktionsmittel hat einen entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis. Wird beispielsweise Wasser eingesetzt, finden sich im Extrakt vor allem gut wasserlösliche Inhaltsstoffe. Mit Ethanol-Wasser-Mischungen werden auch lipophile Substanzen extrahiert, wobei umso mehr lipophile Inhaltsstoffe herausgelöst werden, je höher der Ethanolgehalt ist. Das Extraktionsmittel bestimmt also das Spektrum der Inhaltstoffe, wobei es sich bei einem Extrakt immer um ein Vielstoffgemisch handelt. Die Vielzahl von Inhaltsstoffen bestimmt in ihrer Gesamtheit die Wirksamkeit. Daher stellt stets die Zubereitung als Ganzes (z. B. Extrakt) den Wirkstoff dar. So ist beispielsweise ein zugelassenes Cimicifuga-Präparat verschiedener Hersteller nicht immer gleich.

Auch wenn jedes Mal die Traubensilberkerze (Cimicifuga racemosa) als Ausgangspflanze verwendet wurde, enthalten verschiedene Cimicifuga- Präparate nicht zwangsläufig den gleichen Wirkstoff. Der Wirkstoff ist nicht die Pflanze selbst, sondern die daraus gewonnene Zubereitung, also der daraus gewonnene Extrakt. Die verschiedenen Cimicifuga-Präparate unterscheiden sich in dem chemischen Profil ihrer Extrakte. So gibt es Präparate, deren Wirkstoff ein Extrakt ist, der durch eine Ethanol- Wasser-Extraktion entstanden ist, während die Wirksamkeit anderer auf einem isopropanolischen Extrakt beruht. Damit sind auch Aussagen zur Wirksamkeit nicht von einem Präparat auf das andere zu übertragen. Vorgelegte Daten beziehen sich immer nur auf den untersuchten Extrakt.

Extraktqualität Die Art und Konzentration des Extraktionsmittels muss auf jeder Packung deklariert sein. Zudem ist das Droge-Extrakt- Verhältnis (DEV) angegeben. Als DEV wird das Verhältnis von Menge der eingesetzten Droge zur Menge des erhaltenen Extraktes bezeichnet. Die Angabe erfolgt in seiner natürlichen Schwankungsbreite als Spanne mit Minimal- und Maximalwert. Ein DEV von 3-6:1 bedeutet beispielsweise, dass aus drei bis sechs Teilen Droge ein Teil Extrakt hergestellt wird. Somit entsprechen 100 Milligramm Extrakt 300 bis 600 Milligramm Droge. Der DEV ist ein Kriterium für die Beschreibung der Extraktqualität. Je enger die Spannbreite ist, desto stärker legt sich der Hersteller auf eine einheitliche Drogenqualität fest und je niedriger der Wert ist, desto ergiebiger ist die Droge.

Da der DEV vom Extraktionsmittel abhängt, lässt er sich bei verschiedenen Präparaten nur vergleichen, wenn das gleiche Extraktionsmittel eingesetzt wurde. Mit dem DEV lässt sich auch überprüfen, ob die deklarierte Tagesdosis auch der in der Monographie E für die Droge angegebenen Tagesdosis entspricht. Enthält beispielsweise ein Dragee 440 Milligramm Baldrianwurzel- Trockenextrakt mit einem DAV von 6 bis 7,4:1 entspricht dies der empfohlenen Tagesdosis von 2 bis 3 Gramm, welche die Monographie der Kommission E fordert. Zur Erläuterung: Zu dem Ergebnis kommt man rechnerisch durch Multiplikation von 440 Milligramm x 6,7 (Mittel aus 6 bis 7,4), woraus sich 2948 Milligramm Droge ergibt.

Neben- und Wechselwirkungen Phytopharmaka werden von den Kunden nicht zuletzt wegen ihrer guten Verträglichkeit geschätzt. Allerdings sind sie nicht grundsätzlich nebenwirkungsfrei. Für verschiedene pflanzliche Arzneimittel wurden in der Vergangenheit unerwünschte Wirkungen festgestellt, die dazu führten, dass sie mittlerweile aus Sicherheitsgründen nicht mehr medizinisch verwendet werden. Berühmtes Beispiel sind Präparate mit Pflanzen, die Pyrrolizidinalkaloide enthalten (z. B. in Huflattich) und bei innerlicher Anwendung leberschädigende und krebsauslösende Wirkungen aufweisen. Auch das hepatotoxische Potential von Kava-Kava hat dazu geführt, dass Kava-Kava- haltige Präparate vom Markt genommen wurden.

Bei anderen Präparaten (z. B. mit Kapland-Pelargonie) mussten lediglich die Gebrauchs- und Fachinformationen um den Hinweis ergänzt werden: „Fälle von Leberschäden und Hepatitis wurden im Zusammenhang mit der Einnahme von Pelargonium-haltigen Arzneimitteln berichtet; die Häufigkeit ist nicht bekannt“. Manche pflanzliche Zubereitungen weisen wiederum ein hohes allergisches Potential auf (z. B. mit Arnika, Teebaumöl), sodass sie nicht für jeden geeignet sind. Vorsicht ist auch bei der Anwendung von Erkältungssalben mit ätherischen Ölen wie Menthol geboten, da diese bei Säuglingen und Kleinkindern lebensgefährliche Krämpfe der Luftwege auslösen können.

Zu bedenken ist zudem, dass auch Phytopharmaka Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln haben können. So wurden beispielsweise Interaktionen von Johanniskrautpräparaten mit Ovulationshemmern und Gerinnungshemmern festgestellt und auch bei Extrakten der Kapland-Pelargonie ist eine verstärkte Wirkung gerinnungshemmender Medikamente vom Cumarin- Typ wie Phenprocoumon und Warfarin bei gleichzeitiger Einnahme nicht auszuschließen.

Phytopharmaka sind stets Vielstoffgemische. Grundsätzlich stellt der pflanzliche Extrakt in seiner Gesamtheit den Wirkstoff pflanzlicher Arzneimittel dar.

Mehr und mehr in Leitlinien Einige Phytopharmaka haben es inzwischen sogar geschafft, in Therapieleitlinien von Fachgesellschaften aufgenommen zu sein (z. B. Ginkgo biloba- haltige Arzneimittel). So sind pflanzliche Arzneimittel in Leitlinien zur Behandlung von Erkältungskrankheiten, demenziellen oder urologischen Erkrankungen aufgeführt. Sie werden entweder zur alleinigen Anwendung oder in Ergänzung zu chemisch definierten Arzneimitteln genannt.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 01/17 ab Seite 14.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

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