Eine junge Frau in weißem Kittel macht sich, auf den HV-Tisch gebeugt, Notizen auf einem Klemmbrett.
Viel Schreibarbeit: Mit der Hämophilie-Versorgung kommt ein neues Betätigungsfeld auf Apotheken zu. © dragana991 / iStock / Getty Images Plus

Praxishilfe | Bluterkrankheit

HÄMOPHILIE-VERSORGUNG: WIE GEHT DAS?

Etwa 10 000 Menschen in Deutschland sind von Hämophilie betroffen. Ab September erhalten sie ihre Gerinnungsfaktoren ausschließlich über Apotheken – dabei gibt es einiges zu beachten.

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Leidet man an Hämophilie, fehlen einem Faktoren, die in der Gerinnungskaskade zum Stoppen von Blutungen beitragen – bei Hämophilie A ist es Faktor VIII, bei Hämophilie B Faktor IX. Die Folgen reichen von einer Neigung zu blauen Flecken bis hin zu lebensbedrohlichen Situationen bei leichten Verletzungen. Die fehlenden Gerinnungsfaktoren kann man glücklicherweise durch Infusionen ersetzen. Bislang erhielten Betroffene diese Präparate meist direkt vom behandelnden Arzt in Hämophilie-Zentren oder Spezialkliniken. Ab dem 1. September liegt diese Aufgabe durch eine Änderung des Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) in der Hand der Apotheken. Was muss man bei der Abgabe beachten?

Das Rezept
Verordnungen über Hämophilie-Präparate erfolgen zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse (GKV) auf dem rosa Muster-16-Formular oder auf einem Privatrezept. Sie müssen die gleichen Angaben zum Patienten und zum verordnenden Arzt enthalten wie andere Arzneimittel-Rezepte auch.

Die Packungsgröße: Achtung!
Ist die verordnete Menge als Packungsgröße im Handel, wird sie wie gewohnt abgegeben und abgerechnet. Die meisten Präparate sind jedoch nur als N1-Größe zur einmaligen Behandlung verfügbar. Gemäß §3 der Packungsgrößenverordnung darf bei Hämophilie-Arzneimitteln gestückelt werden.

  • N1: 1 Stück
  • N2: 5 bis 6 Stück
  • N3: 29 bis 30 Stück

Die Verordnungszeilen des Rezeptes müssen dabei einzeln betrachtet werden.

Die Zuzahlung
Auch bei diesen gestückelten, durch die Apotheke zusammengestellten Packungsgrößen, zählt die Abgabe als eine Packung – die Zuzahlung zahlt der Kunde deshalb nicht für jede einzelne Packung, sondern einmal pro Normbereich.

Beispiel 1: Ein Kunde hat 30 Stück verordnet bekommen. Die Apotheke beliefert 30-mal N1 und berechnet die Zuzahlung für einmal N3.

Beispiel 2: Eine Kundin hat 35 Stück verordnet bekommen. Die Apotheke beliefert 35-mal N1. Die Zuzahlung setzt sich aus einmal N3 und einmal N2 zusammen.

Die Dokumentation in der Apotheke
Laut Apothekenbetriebsordnung, §17 Absatz 6a, müssen Arzneimittel zur spezifischen Therapie von Gerinnungsstörungen bei Hämophilie genau wie Blutzubereitungen dokumentiert und für 30 Jahre verwahrt werden. Folgende Angaben gehören in die Dokumentation:

  • Name des Arzneimittels
  • Chargenbezeichnung und Menge
  • Datum des Erwerbs
  • Abgabedatum
  • Name und Anschrift des verschreibenden Arztes
  • Name oder Firma und Anschrift des Lieferanten
  • Name, Geburtsdatum und Adresse des Kunden beziehungsweise bei Praxisbedarf Name und Anschrift des Arztes

Die Meldung an den Arzt
Zusätzlich zur apothekeneigenen Dokumentation besteht auch eine Meldepflicht an den Arzt. Schriftlich oder elektronisch müssen folgende Angaben übermittelt werden:

  • Name des Arzneimittels
  • Chargenbezeichnung und Menge
  • Abgabedatum
  • Name, Geburtsdatum und Wohnort des Patienten

Der Arzt gibt diese Informationen dann an das Deutsche Hämophilie-Register des Paul-Ehrlich-Instituts weiter.

Die Notfallversorgung
Für die schnellstmögliche Versorgung von Hämophilie-Patienten in Notsituationen gibt es Notfall-Depots für Gerinnungsfaktoren. Bislang wurden diese von den behandelnden Ärzten und Hämophilie-Zentren geführt. Ab dem 1. September ist auch eine Bevorratung im Notfalldepot der Apotheken vorgesehen, dazu wurde §47 des Arzneimittelgesetzes angepasst.

Die Dokumentation durch den Kunden
Auch der Kunde selbst muss seine Behandlung in einem Substitutionstagebuch dokumentieren. Er hält darin fest: 

  • Datum und Uhrzeit der Applikation
  • PZN, Chargenbezeichnung und Hersteller
  • Menge und Stärke der Injektion

Das bedeutet für die versorgende Apotheke also einen höheren Aufwand, aber auch ein weiteres Beratungsfeld, mit dem sie sich gegenüber der (Online-)Konkurrenz abheben kann.

Gesa Van Hecke,
PTA und Redaktionsvolontärin

Quelle: apotheke adhoc

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