Wer nach der Einnahme von Acetylsalicylsäure allergieähnliche Symptome zeigt, könnte an einer ASS-Intoleranz leiden. Eine so genannte adaptive Desaktivierung kann Abhilfe schaffen. © Zinkevych / iStock / Getty Images Plus

Allergieähnliche Symptome | Morbus Samter

ES GIBT SIE, DIE ASS-INTOLERANZ

Bei Kopfschmerzen oder Fieber greifen viele Patienten zu rezeptfreien nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR). Acetylsalicylsäure (ASS), Ibuprofen oder Diclofenac können jedoch allergieähnliche Symptome verursachen – bis hin zum lebensbedrohlichen Asthmaanfall.

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Der nicht Ig-E-vermittelte Mechanismus – deshalb nur allergieähnlich - geht auf die durch die Arzneistoffe verursachte Hemmung der Cyclooxygenase zurück. Eine Desaktivierung von ASS mit langsamer Anpassung der Dosis (adaptiv) kann deshalb in solchen Fällen eine therapeutische Option sein. Ansonsten hilft nur strikte Vermeidung der Medikamente.

Manche Menschen reagieren bereits wenige Minuten nach der Einnahme von ASS, Ibuprofen oder Diclofenac mit akuten Symptomen wie einem Asthmaanfall, Fließschnupfen, Angioödem, Husten, Hautreaktionen wie Urtikaria oder scharlachartige Erytheme. Auch Bauchschmerzen und Übelkeit können die Folge der Einnahme sein. Betroffene leiden an einer so genannten ASS-Intoleranz. Dabei handelt es sich um eine Pseudoallergie.

Tritt die ASS-Intoleranz zusammen mit Polypen und Asthma bronchiale auf, ist der Verlauf meist besonders schwer. Das Krankheitsbild wird als Morbus Samter bezeichnet, wobei mittlerweile der Begriff Aspirin-Exacerbated-Respiratory Disease (AERD) favorisiert wird.

Durch das Schmerzmittel kommt es zu einer Verstärkung bereits bestehender Asthma- beziehungsweise Atemwegsbeschwerden. Die Intoleranz tritt meist ab dem 30. Geburtstag auf; Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Als Risikofaktoren gelten Asthma bronchiale und Nasenpolypen.

Die ASS-Intoleranz erinnert in ihrer Erscheinung an eine Allergie der Soforttyp-Reaktion. Tatsächlich handelt es sich allerdings um eine so genannte Idiosynkrasie, also eine Überempfindlichkeit. Sie beruht auf dem Wirkmechanismus der NSAR, nämlich der nicht selektiven Hemmung der Cyclooxygenase-1 (COX1) – und diese kann bereits ab der ersten Einnahme des Mittels eintreten. Da, anders als bei Allergien, keine Sensibilisierungsphase nötig ist, kann die körperliche Reaktion also unvermutet erfolgen. „Vor Abgabe eines NSAR sollte das Apothekenteam nach Asthmaanfällen oder Überempfindlichkeitsreaktionen wie Urtikaria oder Angioödemen nach Anwendung der Arzneistoffe fragen“, mahnt Professor Torsten Zuberbier, Leiter des Allergie-Centrums der Berliner Charité. Könne der Patient sich an solche Vorfälle erinnern, sei das Mittel für ihn kontraindiziert.

Um schwere Symptome von Asthma oder einer Rhinosinusitis zu lindern, aber auch bei rezidivierenden Polypen, könne eine ASS-Desaktivierung sinnvoll sein. Diese basiert darauf, dass bei den Betroffenen unmittelbar nach der Einnahme von ASS in einer Zeitspanne von etwa 24 bis 72 Stunden keine erneuten Unverträglichkeits-Anzeichen auftreten. Diese Periode wird als Refraktärzeit bezeichnet. Bei einer adaptiven Desaktivierung bekommen die Patienten sukzessiv steigende ASS-Dosen verabreicht. Ziel ist es, eine Toleranz gegenüber therapeutischen Dosen von ASS herzustellen, die vermutlich auf einer Modulation des Arachidonsäure-Metabolismus beruht. Der genaue Wirkmechanismus ist jedoch unklar.

Patienten ohne ASS-Deaktivierung müssen NSAR jedoch strikt meiden. „gegen Schmerzen und Fieber stehen Patienten mit ASS-Intoleranz Paracetamol sowie die verschreibungspflichtigen COX-2-Inhibitoren zur Verfügung. Bei diesen Wirkstoffen ist die auslösende Hemmung der COX-1 nur schwach ausgeprägt.

Doch eine Ausnahme gibt es: Ein Sonderfall der Unverträglichkeit von NSAR ist die allergische Reaktion, einer Typ-II-Allergie vom zytotoxischen Typ. Die dabei entstehende Thrombozytopenie äußert sich durch Symptome wie vermehrte blaue Flecken oder Hautblutungen.

Alexandra Regner,
PTA und Journalistin

Quelle: Pharmazeutische Zeitung

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