© DIE PTA IN DER APOTHEKE
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Interview

„EINE DER HERAUSFORDERUNGEN IST DIE NACHWUCHSFÖRDERUNG.“

Seit dem 1. Januar 2021 hat die ABDA, Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e.V., als Spitzenorganisation der deutschen ApothekerInnen eine Präsidentin: Gabriele Regina Overwiening. Für DIE PTA IN DER APOTHEKE äußerte sie sich über die Arbeit in Zeiten von Corona, Frauen in Führungspositionen, die Bedeutung der Apotheke vor Ort sowie die wichtige Arbeit der PTA.

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Frau Overwiening, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zu ihrer Wahl! Mit Ihnen steht erstmals eine Frau an der Spitze der ABDA. Ist das nicht eigentlich eine logische Entwicklung, denn immerhin sind rund 70 Prozent der pharmazeutischen Arbeitskräfte in den Apotheken weiblich?
Die Spitzen von Berufsverbänden sind nach wie vor überwiegend männlich besetzt. Das gilt gerade auch für die freien Berufe. Bei uns im Berufsstand machen Frauen nicht nur mehr als zwei Drittel der Beschäftigten, sondern auch fast die Hälfte der Selbstständigen aus. Da ist es nur natürlich, wenn eine Frau in der ersten Reihe steht. Offen gestanden hoffe ich aber, dass solche Fragen in ein paar Jahren gar keiner Erwähnung mehr bedürfen.

Nicht nur Ihre Wahl fand unter Corona-Bedingungen statt. Wie sehen Sie die Arbeit der Apotheken in den Zeiten der Pandemie?
Die Apothekenteams waren in der ersten Pandemiewelle sehr gefordert. Und in der zweiten sind sie es mindestens genauso. Man denke nur an die Hauruckaktion mit der kostenfreien Verteilung von Schutzmasken an Risikopatienten. Aber die Arbeit unter den Bedingungen der Pandemie ist auch eine große Chance: Wir haben neue Aufgabenfelder für die Apotheken erschlossen. Und es hat sich gezeigt, dass ein dezentrales, wohnortnahes Arzneimittelversorgungssystem eine enorme Krisenfestigkeit und damit einen hohen Wert hat.

Laut einer aktuellen Umfrage der ABDA zeigen sich die Bundesbürger mit den Apotheken gerade während der Corona-Pandemie sehr zufrieden. Teilen auch Sie diese Einschätzung?
Natürlich. Das Standing in der Bevölkerung und bei der Politik ist so gut, weil die Apotheken auch in schwierigen Phasen für die Patienten da waren und die Versorgung sichergestellt haben. Nicht zuletzt dank frühzeitiger und konsequenter Infektionsschutzmaßnahmen blieben vorübergehende Schließungen von Betrieben die absolute Ausnahme. In diesem Zusammenhang fällt mir ein Tagesschau-Beitrag vom April 2020 ein, den der Moderator mit den Worten ankündigte: „Von Apotheken lernen, heißt siegen lernen.“ Da mag man schmunzeln, aber das ist Balsam für die Seelen der gestressten Apothekenteams.

Drei Viertel der Apotheken erwarten eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in den nächsten zwei bis drei Jahren. Befürchten Sie, dass sie Recht haben? Man muss etwas differenzieren. Fragt man in Apotheken nach den wirtschaftlichen Prognosen für die Branche, dann fällt die Einschätzung ziemlich negativ aus. Fragt man nach der Perspektive für den eigenen Betrieb, sieht es meistens schon etwas besser aus. eRezept und Digitalisierung sowie die Nachwuchsgewinnung sind für unsere Apotheken entscheidende Herausforderungen mit Risiken, aber auch großen Chancen. Da müssen wir sie so gut wie möglich unterstützen und die Vor-Ort-Versorgung längerfristig stabilisieren.

Ein äußerst brisantes Thema für die Apotheken und ihre Kunden: Lieferengpässe von Arzneimitteln. Wie kann man dem entgegensteuern? Die tieferen Ursachen von Lieferengpässen liegen in den Produktions- und Vertriebsstrukturen eines globalisierten Arzneimittelmarktes. Sie können deswegen nur langfristig und auf internationaler Ebene, vornehmlich über die EU, angegangen werden. Aber das kurzfristige Management von Engpässen wird einfacher, wenn die Apotheke vor Ort mehr pharmazeutische Entscheidungsfreiheit bekommt. Für die Dauer der Pandemie haben wir ja schon mehr Spielraum zum Beispiel im Umgang mit Rabattverträgen. Aber diese Freiheit brauchen wir dauerhaft, auch wenn die Krise überstanden ist. Denn Lieferengpässe wird es auch dann noch geben.

In jeder gut funktionierenden Apotheke spielen die PTA eine wesentliche Rolle. In welcher Form können Sie sich eine Kompetenzerweiterung dieser Berufsgruppe vorstellen? PTA sind für Apotheken unverzichtbar. Sie haben schon heute viele Kompetenzen und dürfen bis auf einige Ausnahmen alle pharmazeutischen Tätigkeiten übernehmen. Diese Ausnahmen sind in der Apothekenbetriebsordnung definiert, zum Beispiel die Medikationsanalyse. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass PTA auch hier die Apothekerin oder den Apotheker unterstützen können, etwa bei der Erfassung der Gesamtmedikation des Patienten.

Um es noch einmal deutlich zu sagen: Es geht nicht um eine Vertretungsbefugnis bei Abwesenheit des/der Apothekenleiters/Apothekenleiterin? Ja, das ist unstrittig: Die Leitung einer Apotheke ist und bleibt die Aufgabe der Apothekerin oder des Apothekers.

Könnten Sie sich beispielsweise Erleichterungen bei der Abgabe von (auch verschreibungspflichtigen) Arzneimitteln vorstellen? PTA dürfen ja verschreibungspflichtige Arzneimittel abgeben. Allerdings ist die Abzeichnung des Rezeptes laut Apothekenbetriebsordnung dem Apotheker vorbehalten. Das sehe ich aber nicht als überflüssige bürokratische Hürde, sondern als ein ganz vernünftiges Verfahren: Es garantiert ein Vier-Augen-Prinzip, das die Patienten, aber auch das Apothekenteam vor Fehlern schützt. Wir sollten ohnehin eine offenere Fehlerkultur anstreben und Fehler als etwas betrachten, das uns hilft zu lernen und besser zu werden.

Vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch, liebe Frau Overwiening.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 02/2021 ab Seite 28.

Das Interview führte Werner Hilbig.

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