© DIE PTA IN DER APOTHEKE
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Blutwerte

EIN GANZ BESONDERER SAFT

Als einfaches und vielseitiges Diagnosetool sind Blutwerte aus der Medizin nicht mehr wegzudenken. Die Basis für die Nutzung von Blut zum Nachweis von Krankheiten wurde bereits in der Antike gelegt.

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Dass wir Blut noch heute manchmal ein wenig poetisch als „Lebenssaft“ bezeichnen, hat seinen Ursprung in der Humoralpathologie des Hippokrates von Kos. Etwa 400 vor Christus prägte er die Ansicht, dass im Körper vier Säfte vorherrschen: Blut, Schleim, weiße und schwarze Galle. Bei einem gesunden Menschen sind diese Säfte im Gleichgewicht, wird es gestört, kommt es zur Krankheit. Mit dieser Lehre löste Hippokrates die bis dahin gültige Idee der Krankheit als gottgegebener Strafe ab.

Von der Naturphilosophie zur Naturwissenschaft Über zwei Jahrtausende hinweg wurde die Humoralpathologie erweitert und verfeinert und verlor erst im 19. Jahrhundert ihre Bedeutung. Bis dahin war jedoch bereits viel passiert. 1628 hatte William Harvey den großen Blutkreislauf entdeckt, der 1665 vom italienischen Anatomen Marcello Malphigi um den Kapillarkreislauf ergänzt wurde. Malpighi konnte dazu auf die gerade aufkommende Mikroskopie zurückgreifen. So beschrieb er auch seltsame, rote „Fettklumpen“ im Blutserum – die roten Blutkörperchen. Ein Pionier auf dem Gebiet der Mikroskopie war der Niederländer Antoni van Leeuwenhoek. Die von ihm Ende des 17. Jahrhunderts gebauten Mikroskope erlaubten bereits eine 200fache Vergrößerung.

Als Mitglied der renommierten Royal Society in London fiel ihm die Aufgabe zu, das Blut näher zu untersuchen. Dabei fand auch er die roten Blutkörperchen und konnte als erster ihre Größe annähernd genau bestimmen. Er stellte zudem fest, dass die Blutkörperchen schwerer als das Plasma waren und ihre Form sich bei Säugetieren, Vögeln, Fischen und Fröschen unterschied. Van Leeuwenhoek prägte den Begriff „Kapillare“ für kleine Blutgefäße und erkannte sie als die Verbindung zwischen Vene und Arterie. Auch die Synchronisierung der Durchblutung mit dem Herzschlag wurde von ihm entdeckt.

Medizin wird empirisch basiert Die eigentliche Geburtsstunde der Blutdiagnostik schlug jedoch erst Anfang des 19. Jahrhunderts, als die Humoralpathologie durch den Zusammenschluss von Medizin und klinischer Chemie abgelöst wurde. Krankheiten wurden jetzt zunehmend aufgrund von Beobachtungen und Erfahrungen der Ärzte erkannt, wobei die mikroskopische Untersuchung von Zellen und Geweben eine wesentliche Rolle spielte – die Labordiagnostik war geboren. Als Pionier auf dem Gebiet galt Johann Lukas Schönlein, der bereits 1826 Blutanalysen nutzte, um Krankheiten auf die Spur zu kommen.

Blut – Basis der Labordiagnostik Vollblut besteht zur Hälfte aus Flüssigkeit, dem Blutplasma, in dem Elektrolyte, Eiweiße und Gerinnungsfaktoren gelöst sind. Die andere Hälfte besteht aus drei Zellarten: roten Blutkörperchen (Erythrozyten), die Sauerstoff und Kohlendioxid transportieren, weißen Blutkörperchen (Leukozyten), die Erreger bekämpfen sowie Blutplättchen (Thrombozyten), die für die Gerinnung und den Wundverschluss notwendig sind. Lässt man das Vollblut eine Weile stehen, gerinnt es, weil die Gerinnungsfaktoren mit den Thrombozyten verklumpen. Zentrifugiert man das Ganze, bleibt im Überstand das Blutplasma ohne die Gerinnungsfaktoren, das man als Blutserum bezeichnet. Ein gesunder Mensch hat etwa fünf bis sechs Liter Blut. Mit einer Geschwindigkeit von einem Meter pro Sekunde wird es in jeder Minute einmal komplett durch unseren Körper gepumpt und versorgt unsere Zellen dabei mit Sauerstoff, Nährstoffen, Salzen, Vitaminen und Hormonen. Gleichzeitig transportiert es Kohlendioxid, Harnstoff und andere Abfallprodukte aus den Zellen ab. Das alles kann nur funktionieren, wenn die Substanzen im Blut in einem gesunden Gleichgewicht zueinander stehen. Genau hier setzt die Blutdiagnostik an. Sie gibt Aufschluss, ob zelluläre oder molekulare Strukturen quantitativ oder qualitativ verändert sind, wodurch man Entzündungen, Infektionen, Mangelerkrankungen, Stoffwechselstörungen oder Tumorerkrankungen erkennen kann. Im „kleinen Blutbild“ untersucht man dabei nur Veränderungen der Blutzellen. Ist es auffällig, kann man ein „großes“ oder „Differentialblutbild“ durchführen, bei dem man sich die verschiedenen Arten der weißen Blutkörperchen dann genauer anschaut.

Schnell und sicher Für die Entnahme der Blutprobe sollte man nüchtern sein, da zum Beispiel ein fettes oder zuckerreiches Essen die Konzentration dieser Stoffe im Blut verzerrt. Nüchtern bedeutet, dass man zwölf Stunden vor der Blutabnahme nichts mehr gegessen hat, Nur ungesüßter Tee, schwarzer Kaffee oder Wasser sind erlaubt. Herkömmliche Blutbilder werden aus Vollblut erstellt. Dabei wird das Blut aus der Armbeuge mit einer Kanüle entnommen, direkt in ein Blutentnahmeröhrchen transportiert und mit dem Antikoagulans EDTA versetzt, das die Blutgerinnung verhindert, indem es das dazu benötigte Calcium bindet. Die meisten Blutbilder werden aus diesem EDTA-Blut erstellt.

Durch Zentrifugation kann man im Überstand auch EDTA-Blutplasma gewinnen, das im Gegensatz zum Serum noch die Gerinnungsfaktoren enthält. Je nachdem, was genau untersucht werden soll, setzt man unterschiedliche Antikoagulanzien ein. Dies wird jeweils durch verschiedene Farbmarkierungen angezeigt, wie etwa eine rote Kappe bei EDTA-Blutröhrchen. Nach der Entnahme wird die Probe an ein Labor geschickt und dort untersucht. Die Ergebnisse werden dem Arzt meist ein oder zwei Tage später mitgeteilt. Er bespricht sie dann mit dem Patienten. Im Krankenhaus mit eigenem Labor können Blutwerte schneller ermittelt werden.

Kostenübernahme Ein kleines Blutbild gehört zur Routineuntersuchung und wird von den Krankenkassen meist bezahlt. Generell haben Versicherte alle zwei Jahre einen Anspruch darauf. Bei einem Krankheitsverdacht übernimmt die Kasse ebenfalls die Kosten der diagnostisch notwendigen Blutbilder. Möchte man aber spezielle Parameter nachprüfen lassen, wie zum Beispiel den Vitamin-D-Gehalt im Blut, zählt das als IGe-Leistung und muss selbst bezahlt werden. Wer ohne Verdachtsdiagnose häufiger testen lässt, muss ebenfalls selbst zahlen: Für ein kleines Blutbild ungefähr 25 Euro, für ein großes je nach Umfang bis zu 100 Euro.

Grenzen der Blutdiagnostik Laborwerte orientieren sich an den durchschnittlichen Werten Gesunder, wobei nach oben und unten Grenzwerte angegeben werden. Da Menschen jedoch unterschiedlich sind, müssen diese Werte vom Arzt interpretiert und differentialdiagnostisch genau eingeordnet werden. Denn keineswegs immer ist die Entgleisung eines Normwertes krankhaft. Eine solche Veränderung kann auch auf falsche Ernährung oder psychische Faktoren wie Stress zurückzuführen sein. Dann normalisieren sich die Blutwerte meist wieder, wenn die Lebensumstände angepasst werden.

Tumoren spezifisch bekämpfen Eine wichtige Rolle wird die Blutdiagnostik künftig sicher beim Nachweis von Tumormarkern spielen. Entweder wird das Blut dabei auf spezielle Eiweißprodukte von Krebszellen untersucht, um Tumoren früher nachweisen zu können. Oder man prüft, ob bei den im Blut vorhandenen Tumorzellen bestimmte Gene verändert sind, sodass man die Therapie speziell darauf ausrichten kann. Bisher ist noch kein Durchbruch gelungen, doch das ist wohl nur eine Frage der Zeit.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 03/2021 ab Seite 70.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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