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Drei Pflanzen

DREI MIT UNSCHEINBAREN BLÜTEN

Die Blüten der Kleinen und Großen Brennnessel, des Kleinblütigen Weidenröschens und des Stechenden Mäusedorns sind so zierlich und unscheinbar, dass man sie fast übersieht. Oder sind Ihnen die Blüten der Brennnessel schon mal aufgefallen?

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Die kleinen Blüten der drei Pflanzen sind nicht die Pflanzenteile, die arzneilich genutzt werden. Vielmehr sind ihre Blätter, das Kraut und/oder der Wurzelstock beziehungsweise die Wurzeln von medizinischem Interesse.

Brennnessel Die Brennnessel ist eine Ruderalpflanze, die überall wächst. Man findet sie besonders häufig an Wegrändern, auf Schuttstellen und selbst im Garten, wo sie als unliebsames Unkraut gilt. In der Antike stand sie aufgrund der großen Verbreitung indes für Vitalität und Fruchtbarkeit, weshalb man die Pflanze als Aphrodisiakum schätzte. Zudem wurden ihre Blätter und das Kraut bereits früh aufgrund ihrer diuretischen Effekte verwendet. Heute kommen zudem Extrakte aus der Brennnesselwurzel als Prostatamittel zum Einsatz. Es werden zwei Arten aus der Familie der Brennnesselgewächse (Urticaceae) als Arzneipflanze genutzt: Die ausdauernde Große (Urtica dioica L.) und die einjährige Kleine Brennnessel (Urtica urens L.).

Während Urtica dioica L. eine Größe von bis zu 150 Zentimetern (cm) erreichen kann, ist Urtica urens L. mit zehn bis 50 cm deutlich keiner. Beide zeichnen sich durch einen vierkantigen Stängel aus, an dem kreuzgegenständig gesägte Blätter sitzen. Der Stängel ist dicht mit Brenn- und Borstenhaaren übersät, was sich sowohl in der deutschen Bezeichnung Brennnessel als auch im lateinischen Gattungsnamen Urtica widerspiegelt (lat. urere = brennen). Zudem nimmt bei der Kleinen Brennnessel der Artname urens darauf Bezug, indem er den Gattungsnamen verstärkt. Beide Brennnesselarten entwickeln kleine unscheinbare Rispen mit weißlichen (Große Brennnessel) oder gelblichen (Kleine Brennnessel) Blüten.

Männliche und weibliche Blüten stehen auf verschiedenen Pflanzen, worauf der Artname dioica der Großen Brennnessel verweist (dioica = zweihäusig, von griechisch di = zwei und oikos = Haus). Für die harntreibende Wirkung werden ungesättigte Fettsäuren, Caffeoylchinasäuren (darunter Caffeoyläpfelsäure), Mineralsalze und Kieselsäure verantwortlich gemacht. Vor allem die Mineralstoffe (sehr viel Kalium) bewirken eine verstärkte Wasserdiurese. Caffeoyläpfelsäure und ungesättigte Fettsäuren haben antiphlogistische Effekte. Die Monographien der Kommission E und der ESCOP führen Brennnesselblätter und -kraut zur unterstützenden Behandlung bei rheumatischen Beschwerden, zur Durchspülungstherapie bei entzündlichen Erkrankungen der Harnwege sowie vorbeugend und zur Behandlung von Nierengrieß auf.

Extrakte aus der Wurzel wurden von beiden Gremien zur Behandlung von Blasenentleerungsstörungen im Anfangsstadium einer gutartigen Prostatavergrößerung positiv monographiert. Als wirksamkeitsbestimmende Wirkstoffe werden beta-Sitosterol/-glykosid, Lignane, Urtica-dioica-Agglutine (UDA) und/oder Polysaccharide diskutiert. Sie sollen für eine Erhöhung der ausgeschiedenen Urinmenge und des maximalen Harnflusses sowie für eine Erniedrigung der Restharnmenge verantwortlich sein.

Kleinblütiges Weidenröschen Ebenso wird das Kleinblütige Weidenröschen (Epilobium parviflorum Schreb.) zur Linderung von Harnwegsbeschwerden im Zusammenhang mit einer vergrößerten Prostata genutzt. Die Pflanze aus der Familie der Nachtkerzengewächse (Onagraceae) kann circa 80 cm groß werden. Direkt am Stängel sitzen gegenständig lange, leicht gezahnte Blätter mit einer lanzettlich-länglichen Form. Die Pflanze zeichnet sich durch kleine Blüten aus, die sich endständig an 0,5 bis 1,8 cm langen Blütenstielen befinden. Die Blüten sind rosa bis violett gefärbt und bestehen aus vier Kelch- und vier Kronblättern. Die Narbe ist vierteilig.

Charakteristisches Merkmal ist der unterständige, lange Fruchtknoten, der eindeutig die Zugehörigkeit der Pflanze zur Gattung Weidenröschen (Epilobium) bekundet. Die Position der Blütenblätter über dem Fruchtknoten nimmt auch der Gattungsname Epilobium (griech. epi = auf und lobos = Lappen) auf. Der Artname (lat. parvus = klein, flora = Blüte) verweist hingegen auf die winzige Größe der Blüten, was auch im deutschen Namen Kleinblütiges Weidenröschen zum Ausdruck kommt. Zudem werden die Blattform, die an eine Weide erinnert, sowie die Ähnlichkeit der Blüten mit Rosenblüten zu einem Wort (Weiden-röschen) vereint.

Aus den Blüten entwickeln sich zwischen Juli und Oktober lange, schmale schotenförmige Kapselfrüchte, die nach der Reife an vier Seiten aufspringen und zahlreiche Samen freigeben, die mit Hilfe ihrer Flughaare kilometerweit verstreut werden. Weidenröschenarten sind schon seit langem in der Heilkunde gebräuchlich. Bereits Leonhart Fuchs widmet dem Weidenröschen in seinem „New Kreüterbuch“ aus dem Jahr 1543 eine Monographie mit dem Titel „Von Weiderich“, in der die Pflanze als Mittel zum Blutstillen und bei Frauenkrankheiten erwähnt wird. Die Volksmedizin setzte das Kraut der Weidenröschen zudem schon seit langem bei der heute anerkannten Indikation Miktionsbeschwerden aufgrund einer gutartigen (benignen) Prostatahyperplasie (BPH) ein.

Inzwischen hat sich das Kleinblütige Weidenröschen als Arzneipflanze etabliert und eine HMPC-Monographie als traditionell verwendete Heilpflanze zur Linderung von Harnwegsbeschwerden im Zusammenhang mit einer BPH erhalten. Als wirksamkeitsrelevant gelten zum einen entzündungshemmende Flavonoide (Quercetin, Myricetin, Kaempferol), die als Prostaglandinsynthese-Hemmer wirken. Darüber hinaus sind Phytosterole (beta-Sitosterol, Sitosterolglykoside und Sitosterolester), die eine 5-alpha-Reduktase-Hemmung aufweisen, sowie Gallussäurederivate aus der Gruppe der Gerbstoffe (Oenothein A und B) als Aromatase-Hemmstoffe an der Wirkung beteiligt.

Stechender Mäusedorn Extrakte aus dem Wurzelstock des Stechenden Mäusedorns (Ruscus aculeatus L.) finden zur unterstützenden Behandlung von Beschwerden bei chronisch-venöser Insuffizienz (CVI) Verwendung. Der immergrüne Strauch aus der Familie der Spargelgewächse (Asparagaceae) ist in den Ländern rund um das Mittelmeer bis Vorderasien heimisch und kann Wuchshöhen bis zu 100 cm erreichen. Die kleinen bräunlichen lanzettlichen Blätter sind schuppenförmig und fallen früh ab. Statt der Blätter entwickeln sich dann blattartige 1,5 bis 2,5 cm lange Seitensprosse (Phyllokladien), in denen die Fotosynthese stattfindet.

Auf ihre scharfen Spitzen verweisen sowohl der Artname (lat. aculeatus = stechend, dornig) als auch die deutsche Bezeichnung Stechender Mäusedorn. Der Gattungsname Ruscus (lat. ruber = rot) bezieht sich auf die scharlachroten Beeren, die sich aus den kleinen unscheinbaren weißlichen Blüten entwickeln. Diese sitzen scheinbar mitten auf den Phyllokladien, was eine botanische Besonderheit darstellt. Medizinisches Interesse findet der etwa zwei cm dicke, längliche Wurzelstock. Dieser enthält die venenwirksamen Steroidsaponine Ruscin und Ruscosid mit den Aglyka Ruscogenin und Neoruscogenin, deren Gemisch als Ruscogenine bezeichnet wird.

Ihnen werden kapillarabdichtende, entwässernde und entzündungshemmende Wirkungen zugeschrieben. Schon in der Antike bis ins 16. Jahrhundert hinein war das Spargelgewächs für die Anwendung bei Wassersucht (heute würde man Ödeme sagen) bekannt. Es existieren positive Monographien der Kommission E und der ESCOP, in denen Extrakte des Mäusedornwurzelstocks sowie deren Zubereitungen zum Einnehmen zur unterstützenden Therapie von Beschwerden bei CVI wie Schmerzen und Schweregefühl in den Beinen, nächtlichen Wadenkrämpfen, Juckreiz und Schwellungen angeraten werden.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 06/2021 ab Seite 124.

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