Ein Mann mit geöffnetem Gürtel hält in der einen Hand ein Kondom, in der anderen einen Pillen-Blister.
Wollen Männer zur Verhütung beitragen, können sie das derzeit mit Kondomen oder einer Vasektomie - dabei wären viele bereit, Kontrazeptiva einzunehmen. © Ocskaymark / iStock / Getty Images Plus

Geschlechter | Hormonelle Verhütung

DIE PILLE FÜR DEN MANN?

Verhütung ist auch Männersache. Die Auswahl an Verhütungsmitteln ist für Frauen jedoch viel größer. Besonders in Langzeitbeziehungen sind orale Kontrazeptiva in Deutschland das beliebteste Mittel. So stellt sich die Frage, wie der Mann zum Empfängnisschutz beitragen kann.

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Mit der Entwicklung der hormonellen oralen Kontrazeptiva in den Sechzigern haben Frauen größere Kontrolle über die Empfängnisverhütung erlangt, gleichzeitig haben sie damit auch die Verantwortung übernommen. Eine Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) zeigte, dass die Pille in Deutschland mit einer Nutzungsrate von 47 Prozent noch immer das beliebteste Verhütungsmittel ist, dicht gefolgt von Kondomen mit 46 Prozent. Dem Kondom kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, da es nicht nur vor Schwangerschaften schützt, sondern auch vor sexuell übertragbaren Krankheiten (STD). Die Pille wird entweder zusätzlich angewendet oder, besonders in Langzeitbeziehungen, als alleiniger Schutz.

Eine andere, internationale Befragung verdeutlichte das Interesse der Männer, zur Verhütung beizutragen: Mehr als die Hälfte können sich vorstellen, hormonelle Methoden selbst anzuwenden. Die Auswahl an Verhütungsmitteln für Männer ist jedoch gering.

Anforderungen an ein neues Verhütungsmittel
• mindestens so wirksam wie bestehende Methoden
• schneller Wirkeintritt
• gute Verträglichkeit
• keine Schädigung der Nachkommen
• reversible Wirkung
• Akzeptanz bei beiden Partnern
• Kostengünstig

Kondome
Als Barrieremethode verhindern Kondome den Kontakt von Penis und Sperma mit der Vagina. Sie sind besonders beliebt, da sie kostengünstig zu erwerben sind und nicht nur vor Schwangerschaften, sondern auch vor STD schützen. Bei korrekter Anwendung sind sie mit einem Pearl-Index von 2 (bei 100 Anwenderinnen kommt es in einem Jahr zu zwei Schwangerschaften) genauso sicher wie die Pille. Falsches oder zu spätes Überziehen, schlechter Sitz aufgrund der falschen Größe, falsche Lagerung (Sonne, zu warm in der Hosentasche) und der Gebrauch nach dem Verfallsdatum lassen den Index jedoch auf 12 ansteigen.

Vasektomie
Bei dieser operativen Lösung werden die Samenleiter getrennt oder verödet. Der Mann produziert zwar weiterhin Spermien, diese werden aber in den Hoden wieder abgebaut. Nach einem ambulanten Eingriff wird die Spermienanzahl im Ejakulat über drei Monate regelmäßig kontrolliert. Sinkt sie auf unter 100 000 pro Milliliter (von 20 bis 100 Millionen), war der Eingriff erfolgreich. Zwar ist eine Vasektomie einfacher und leichter umzukehren als der entsprechende Eingriff bei einer Frau, dennoch sollte sie nur vorgenommen werden, wenn die Familienplanung abgeschlossen ist.

Spermienentstehung zusammengefasst
Aus dem Hypothalamus wird Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH) freigesetzt, dadurch schüttet die Hypophyse Luteinisierendes Hormon (LH) und Follikel-stimulierendes Hormon (FSH) aus. Diese regen die Sertoli-Zellen zur Spermatogenese und die Leydig-Zwischenzellen zur Testosteron-Produktion an. Das Testosteron wiederum hemmt über eine negative Rückkopplung die Hormonausschüttung im Hirn.

Die „Pille für den Mann“
Arzneiliche Verhütungsmethoden sind für Männer bislang nicht zugelassen, sie werden aber erforscht.
Um die Spermienproduktion zu unterdrücken, wurde Testosteron untersucht. Man macht sich dabei zunutze, dass das Androgen über ein negatives Feedback die Spermatogenese hemmt (siehe Kasten). Die Behandlung war in Studien äußerst wirksam. Nachteile sind jedoch, dass Testosteron parenteral durch Depotinjektionen verabreicht werden muss. Außerdem kam es zu typisch hyperandrogenen Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme, Akne und sinkenden HDL-Spiegeln (high density lipoprotein). Möglicherweise steigt auch das Risiko für Prostatahyperplasien.
Eine andere Substanzgruppe, die die Spermatogenese herabsetzen soll, sind GnRH-Analoga. Sie müssten jedoch täglich injiziert werden und sind teuer, deshalb wird die Forschung nicht weiterverfolgt.
Eine Kombination synthetischer Gestagene mit Testosteron war in Studien durchaus wirksam. Die Gestagene wie Levonorgestrel oder Cyproteronacetat, wie man sie aus den Kontrazeptiva für Frauen kennt, sorgen in Implantatform für einen peripheren Testosteronmangel. Regelmäßige Testosteroninjektionen gleichen den Mangel außerhalb der Hoden aus. Eine noch laufende Studie untersucht Segesteronacetat, ein Gestagen, das sowohl die GnRH-Freisetzung verhindert als auch die Testosteronsynthese in den Hoden blockiert. Segesteronacetat wird in Gelform aufgetragen und kann in dieser Applikationsform mit Testosteron gemeinsam verarbeitet werden – mit nur einer Anwendung steigt die Compliance. Ergebnisse könnten 2022 vorliegen.
An oralen Applikationsformen forscht man noch. Die hierfür in Frage kommenden selektiven Androgenrezeptor-Modulatoren wie 7α-Methyl-19-nortestosteron sind jedoch bislang nicht lang genug wirksam. Auch das Androgen Dimethandrolon und 11β-Methyl-19-nortestosteron-17β-dodecylcarbonat werden untersucht.

Andere Verfahren
Zu den Ideen, die derzeit studiert werden, gehören Substanzen, die Retinsäure-Rezeptoren blockieren, denn Vitamin A ist essenziell für die Spermienbildung. Denkbar ist auch eine Blockade von Adrenorezeptoren und Purinorezeptoren, was die Beweglichkeit der Spermien reduzieren würde. Adrenorezeptor-Antagonisten wie Prazosin sind für andere Indikationen bereits zugelassen, Purinorezeptoren-Blocker jedoch noch nicht. Auch zu Auszügen aus Justicia gendarussa gibt es Studien.

Generell schreitet die Entwicklung neuer Verhütungsmittel für den Mann nur schleppend voran. Dabei scheitert es nicht an fehlenden Mechanismen, sondern daran, dass diese Sparte finanziell für Pharmaunternehmen nicht als attraktiv angesehen wird. So bleibt Verhütung über Kondome und Vasektomien hinaus wohl vorerst Frauensache.

Gesa Van Hecke,
PTA und Redaktionsvolontärin

Quelle: Pharmazeutische Zeitung

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