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Der Apothekenkrimi

DIE MÖRDERBLUME – TEIL 2

Angebot über Angebot stapelte sich mit Rabattaktionen verschiedener Arzneimittelhersteller. Ein Brief war von der Apothekerkammer, wahrscheinlich über Fortbildungen. Britta überflog kurz die Seminare...

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Und zwar auf eine Art und Weise, als habe er etwas sehr Intimes von ihr erfahren. Das war ja frech. Britta schlug die Augen nieder. „Hallo“, sagte eine Stimme. „Ich bin Jens. Nimmst du auch an dem Seminar teil?“ Sie schaute auf. „M-hmm“, machte sie und ärgerte sich, dass der Langhaarige sie so aus der Fassung gebracht hatte. „Herzlich willkommen“, sagte der Fahrer des Wagens zu ihr, von dem sie nun wusste, dass er Jens hieß. „Ich hoffe, du fühlst dich bei uns wie zu Hause.“ „Da…danke“, stotterte Britta. „Ich fahr jetzt durch das Tor und du folgst mir bitte, das Tor schließt sich danach automatisch. Fahr bitte langsam und vorsichtig, es kann sein, dass Alfred dir in die Quere kommt, er mag keine fremden Autos und attackiert immer die Reifen.“

Wer war Alfred? Jens seufzte. „Leider sind meine Mitfahrer schon ausgestiegen, sie konnten nicht warten, und ich musste erst den Code für das Tor eingeben. Also werd‘ ich sie erstmal durchscheuchen.“ „Okay“, sagte Britta. Jens nickte ihr zu und machte sich wieder auf den Weg zu seinem Auto. Ein weißhaariger Mann mit randloser Brille und staatsmännischer Haltung, der neben dem Kofferraum des Geländewagens stand, fragte sonor: „Hilft uns jemand bei dem Gepäck?“ „Das musst du schon selbst übernehmen“, sagte Jens bedauernd und schwang sich auf den Autositz.

Britta hätte schwören können, den Anflug eines Grinsens bei ihm gesehen zu haben. Aber vielleicht war das durch die spiegelnden Scheiben auch nicht so gut zu erkennen. Als sie die Flügeltüren des Eingangstors passierten, das sich surrend wieder hinter ihnen schloss, vernahm Britta plötzlich ein Rauschen und ein buntes Flirren. Und sah plötzlich gar nichts mehr. Vor ihr, auf der Motorhaube hatte ein Pfau Platz genommen. Soweit Vögel grimmig gucken können, tat er das; er beugte sich sogar noch vor, um Britta durch die Windschutzscheibe stechenden Blicks aufs Korn nehmen zu können.

Seine Schwanzfedern hingen herunter. Britta blieb auf der Stelle stehen, so erschrocken war sie. Der Pfau schien darauf nur gewartet zu haben. Mit einem Satz rutschte er herunter, schlug in Sekundenschnelle ein riesiges Rad und fing dann an, mit seinem Schnabel ihre Reifen zu attackieren. Das muss Alfred sein, dachte Britta. Hinter einem Buchsbaum am Rande der gekiesten Auffahrt lugte eine Henne hervor, viel kleiner als der Hahn, im schmucklosen grauen Federkleid. Sie schaute ihrem Gemahl zu, wie der seinen wütenden Kampf führte und pickte dann ein bisschen zwischen den Steinen herum. Jens kurbelte das Beifahrerfenster herunter. „Einfach weiterfahren“, rief er Britta zu. „Der geht dann zur Seite.“ Na, das geht ja gut los, dachte Britta, als sie mit stockendem Motor vorsichtig weiterrollte, gefolgt von dem tobenden, radschlagenden Pfau.

Als sie vor der Fassade des beeindruckenden Gutshofes hielten – sie war gespickt von Stuck und Gauben und Türmchen und gekrönt von einem riesigen, metallenen Wetterhahn –, verwandelte sich Alfred mit seiner Gattin plötzlich in ein formvollendetes Empfangskomitee. Mit der grauen Henne an der Seite, stellte er sich brav neben die Rabatten, reckte seinen Hals und rührte sich nicht mehr von der Stelle. „Angeber“, sagte Jens zu ihm, als er zu Britta ging und ohne zu fragen ihren Koffer nahm. „Aber…“, sagte sie, da sie die empörten Blicke des brillentragenden Kollegen spürte.

„Ladies sind von dieser Regel ausgenommen“, sagte Jens und diesmal grinste er wirklich, unverhohlen und spöttisch. Die Tür des Gutshauses öffnete sich und ein Mann kam heraus, der ein Zwilling von Jens hätte sein können. Neben ihm tänzelte ein großer, schwarzer Pudel mit einem knallroten Halsband. Es sah wirklich komisch aus; der Hund bewegte sich so elegant und graziös wie ein Balletttänzer, der Mann hingegen schlappte in irgendwas Pantoffeligem zu den steinernen Stufen, rief „Willkommen!“ und breitete die Arme aus.

Die Apothekertruppe schaute beeindruckt hinauf. „Das ist Karl“, sagte Jens. „Es ist eine Freude, euch hierzuhaben“, rief Karl und hob noch einmal die Hände. „Dem Himmel sei Dank, dass eure Herfahrt so glimpflich verlief, ihr standet wohl unter der Obhut des Allmächtigen!“ „Schon gut, Karl“, sagte Jens und stieg die Stufen hinauf. Der Pudel schoss wie eine Kanonenkugel in die Gruppe der Ankommenden, stupste jeden einmal an, dann nahm er entschlossen Brittas Stiefel an deren Schaft ins Maul und trug sie den Ankommenden hinterher.

„Das macht dir doch nichts aus?“ fragte Jens. „Er ist immer ganz vorsichtig und er hasst es, wenn er nicht mithelfen darf.“ „Schon in Ordnung.“ Britta ging den beiden hinterher. Was der Hund wohl tut, wenn man es ihm verwehrt? überlegte sie. Die Leute in die Waden zwicken? Ihnen die Geldbörse klauen? Die Prozession bewegte sich einen langen Flur entlang, an deren gekalkten Wänden Ölgemälde mit Ernteszenen hingen, und kam zu einer Reihe von Türen. „Ladies first“, sagte Jens und stieß die erste auf.

Sie war aus dunklem, schweren Eichenholz und knarrte ein wenig beim Öffnen. „Hier ist dein Zimmer. Die anderen Herrschaften können sich eines aussuchen. Sie sind alle gleichartig“, sagte er beschwichtigend, weil der Weißhaarige schon wieder den Mund öffnete, „und befinden sich gleich nebenan.“ Der Pudel ließ die Stiefel fallen, denn er hatte eine große, graugetigerte Katze gesehen, die ganz am Ende des Flurs saß und die Ankommenden betrachtete. In gestrecktem Galopp rannte er auf sie zu, stoppte dann kurz vorher und begann in aufgeregten, schnellen Hopsern um die Katze herumzuhüpfen.

Der kleine Graubärtige lachte meckernd. Die Katze warf nur einen Blick auf den schwarzen Hund, dann gähnte sie, streckte sich und ging langsam und majestätisch in Richtung Ausgang. Der Pudel setzte sich und schaute ihr hinterher. „So“, sagte Jens, „das war die Willkommensvorstellung. Wenn ihr euch eingerichtet habt, gibt es Mittagessen. Und dann zeig ich euch den Hof.“ Er nickte allen freundlich zu. „Bis bald.“ Nachdem sie sich frisch gemacht und ihre Sachen in einen Schrank von beeindruckender Größe geräumt hatte, setzte sich Britta auf das Bett.

War es richtig gewesen, dass sie die Flucht ergriffen hatte? Dass sie Billie gefragt hatte, ob sie ein paar Tage übernehmen könne? Immerhin gab es hier nur einen äußerst wackligen Handyempfang, die Inbetriebnahme von Smartphones war zudem nicht erwünscht. Sie wollte, konnte (oder sollte) mit Robert keinen Kontakt aufnehmen und war auch sonst nur in Notfällen erreichbar, so hatte sie es mit Billie vereinbart. Wenn sie nur wüsste, was sie machen sollte. Britta verspürte einen deutlichen Widerwillen gegen eine erneute Bindung in Form einer Heirat – aber ganz und gar keinen gegen den Mann an sich.

Ihr war schon klar, dass sie mit Robert das große Los gezogen hatte. Sollte sie ihn ziehen lassen, obwohl sie in diesem Leben wahrscheinlich nie wieder einen solchen… Seelenverwandten treffen würde? Es nutzte nichts, dass sie sich seine Vorzüge aufzählte – er war gebildet, fleißig, charmant, sie fand ihn körperlich anziehend und sie teilten einige Interessen: Es lag an ihr. Sie musste sich klar darüber werden, wo sie hinwollte.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 02/18 ab Seite 106.

von Alexandra Regner

Drei Apotheker, ein Pfau und ein Pudel: Inmitten dieser bunten Truppe muss Britta eine Lebensentscheidung treffen. Wie es weitergeht, erfahren Sie in der März-Ausgabe von „DIE PTA IN DER APOTHEKE“!

„Die Mörderblume – Teil 2”

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