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Kochen und genießen

DER MENSCH IST, WAS ER ISST

Diesen Ausspruch kennen wir. Doch was steckt dahinter? Was und wie essen wir? Und mit wem? Wie bereiten wir unsere Speisen zu? Nehmen wir uns die Zeit dafür und spielt der Genuss beim Kochen und Essen noch eine Rolle?

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Gleich mal vorneweg: na klar!! Wir essen einfach gern. Und mit den Möglichkeiten und der Vielfalt, die uns Natur, Erzeuger, Handel und Märkte bieten, können wirklich sämtliche Ansprüche an unsere Lebensmittel, seien sie politischen, geschmacklichen oder überzeugungstechnischen Ursprungs, erfüllt werden. Was wir dann daraus machen, hängt von vielen Faktoren ab. Zum Beispiel von der Erziehung, vom Interesse, vom äußeren Einfluss. Aber eines macht der Mensch, egal wo auf dieser Erde er lebt: Er kocht. Für sich und für andere. Das Ziel ist neben der Versorgung mit Nahrung auf alle Fälle auch eine große Portion Genuss.

Gute Lebensmittel – gutes Essen Der Philosoph Ludwig Feuerbach hat Mitte des 19. Jahrhunderts mit seinem Spruch „Der Mensch ist, was wer isst“ auf den Punkt gebracht, worum es gerade jetzt zu Beginn der 21. Jahrhunderts und wohl auch künftig noch mehr geht: Wir legen viel Wert auf qualitativ hochwertige Lebensmittel, die möglichst schonend und nährstofferhaltend zubereitet sind. Denn dann geht es uns Menschen gut. Wenn dabei auch noch die Natur und unsere Nutztiere respektvoll und mit Bedacht behandelt werden, dann schaffen wir eine gute Basis für gutes Essen.

Unser Körper reagiert durchaus darauf, was wir ihm zuführen, womit er sich quälen muss, was ihm guttut, womit er etwas anfangen kann und was so gar nichts für ihn ist. Fast Food gibt es, und das kann ja auch mal sein. Aber wir leben zum Glück in einer Zeit, in der das Bewusstsein für Qualität im Kühlschrank deutlich gewachsen ist. Prüfzertifikate von vereidigten Kontrollinstituten zeugen von regionaler und/oder überwachter Herkunft der Lebensmittel. Der Einsatz von Pestiziden und Insektiziden wird recht streng beobachtet, und eine immer größer werdende Zahl von Erzeugern passt sich der ebenfalls immer größer werdenden Zahl von Verbrauchern an, die nach biologisch möglichst unbelasteten und einwandfreien Produkten rufen.

Das Bewusstsein für gesunde Böden, gesunde Pflanzen, gesunde Tiere und damit gesunde Menschen nimmt bei uns zwar nicht rasant, aber stetig zu. Im Corona-Jahr 2020 ist der Umsatz an Bio-Lebensmitteln laut dem Bund ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) um sage und schreibe 22 Prozent gestiegen, was einen Gesamtumsatz am Lebensmittelmarkt von 6,5 Prozent ausmacht. Das klingt noch nicht viel, aber entspricht einer deutlichen Steigerung.

Gutes Essen – gute Laune War es bis vor nicht allzu langer Zeit gang und gäbe, dass in den meisten Familien zumindest eine Mahlzeit am Tag frisch zubereitet, gekocht und gemeinsam eingenommen wurde, so lebt ein großer Teil der Menschen heute ein bisschen anders. Die gesamte Jobsituation hat sich gravierend verändert. Eine moderne Familie besteht nicht selten aus zwei Verdienern und einem Kind oder mehreren Kindern. Das hat natürlich dazu geführt, dass die Konzentration auf den Vorgang des Kochens allein schon aus Zeitgründen ein wenig ins Hintertreffen geraten ist.

Und Singles haben auch meist erst abends Zeit, sich mit der Frage „Was koche ich denn heute?“ auseinanderzusetzen. Küchen sind in modernen Wohnungen oft sehr klein, dafür verfügen sie aber häufig über moderne Geräte, die das Kochen erleichtern: Glaskeramik- oder Induktionsherd, Mikrowelle, Dampfgarer, Multifunktionsküchenmaschine. Wunderwerke der Technik, die gute Laune und Lust auf individuelles Kochen machen. Und gute Laune ist durchaus eine hervorragende Zutat für gutes Kochen. Die Kochtechnik hat sich verändert, aber das Kochen bleibt.

Gute Laune – gutes Kochen Unsere Vorfahren – ja, auch schon die von ganz früher – haben sich um eine zentrale offene Feuerstelle versammelt, der folgte ein Ofen, dem wiederum ein Herd. Immer ging es darum, dass eine Speise so lecker wie möglich zubereitet wurde. Sicher, das Kochen wandelte sich in vielen Fällen vom familiären, gesellschaftlichen Ereignis zu einer Tätigkeit, die in der Küche und damit ein bisschen außerhalb der Sichtweite der restlichen Familienmitglieder und Freunde stattfand, denn der Familienmittelpunkt ist im Laufe der Urbanisierung ins Ess- oder Wohnzimmer gewandert. Auch der Aufwand wurde ein anderer. Schnell und einfach wurde die Devise in der Küche. Die Mikrowelle ermöglicht das schnelle Warme. Aus Zeitgründen ist das häufig eine probate Lösung, die zuvor zubereiteten Speisen rasch zu erwärmen. Der Alltag mag ein anderer geworden sein, aber die Lust am Kochen besteht ja nach wie vor.

Beredtes Zeugnis dafür legen zum Beispiel die unzähligen Kochshows im Fernsehen ab, die sich wachsender Beliebtheit erfreuen. Dort wird nicht nur der Wettbewerb großgeschrieben, sondern es wird auf spielerische Weise das Vergnügen des Kochvorgangs dargestellt. Klar, es geht um raffinierte Rezepte und ums Gewinnen. Aber die bewusste Auseinandersetzung mit den Zutaten, die Entmystifizierung des Kochens zu einer von jedermann ausübbaren Tätigkeit, die Freude an der Vorbereitung, die Ungeduld der wartenden Familienmitglieder und Freunde, die Begeisterung über einen besonders hübsch gedeckten Tisch und die Befriedigung, wenn die Lobeshymnen der anderen erklingen – das alles macht doch jedes Gemüseputzen und sämtliche manchmal als lästig empfundenen Tätigkeiten im Vorfeld wett.

Gutes Kochen – große Lust Kochen ist etwas Wunderbares! Der französische Chefkoch Pierre Gagnaire hat einmal gesagt: „Die Küche ist multisensorisch (…) sie spricht Auge, Mund, Nase, Ohr und Geist an. Keine andere Kunst besitzt diese Komplexität.“ Wie recht er doch hatte. Kochen kann lustvoll und ein wahres Fest der Sinne sein. Dabei muss gar nicht ein aufwendiges Viergängemenü zubereitet werden. Ein frisches Kräuterrührei mit einem knackigen Salat kann der Himmel auf Erden sein. Oder eine exotisch gewürzte Gemüsepfanne. Vor ungefähr 1,9 Millionen Jahren – das haben Forschungen ergeben – hat der Homo erectus das Kochen erfunden, somit allein wegen der besseren Bekömmlichkeit der Nahrung seine Überlebenschancen deutlich erhöht und seine Fitness und die seiner Nachfahren deutlich verbessert.

Kochen ist ein weitaus mehr als thermisch bedingter Vorgang. Kochen ist Lebensfreude, kann Meditation sein, bringt die Endorphine – auch die der anderen – zum Hüpfen, macht auch hinterher noch Spaß, denn das Essen schmeckt ja auch noch gut, und stimuliert ab dem ersten Schnitt in die Zwiebel auf vielfältige Weise unsere Synapsen. Professor Gunther Hirschfelder vom Institut für Volkskunde der Universität Bonn schrieb einmal sehr deutlich: „Die gemeinsame Mahlzeit wurde zur Grundkomponente menschlichen Zusammenlebens“.

Und er beschreibt das Kochen als einen Bestandteil täglicher Routine, was auch bedeutet, dass Familienmitglieder mehr Zeit miteinander verbrachten, denn die Kochstelle versprach ihnen ein warmes Essen, vertraute Menschen, Licht und Wärme. Das gemeinsame Einnehmen der Mahlzeiten war der Schlüssel für familiäres Leben. Und das ist heute nicht sehr viel anders. Outdoor-Grills feiern seit Jahren eine unglaubliche Renaissance. Waren sie früher etwas für den Campingplatz, so sind es heutzutage hochkomplexe Hightech-Maschinen, die keine lukullischen Wünsche offenlassen. Und da ist sie wieder: die Multisensorik.

Das Auge isst ja bekanntlich immer mit, die Ohren hören, wie es knistert und kruschpelt, die Nase fängt die köstlichen viel beschworenen Röstaromen ein, und dann der Höhepunkt: der Biss in das Objekt der Begierde. Mmmm! Die Speisen waren köstlich, der Geist ist froh. Also, die ganz einfache Formel für den Gesamtvorgang vom Planen bis zum Abspülen lautet: Kochen und genießen. Weniger eine Formel als vielmehr ein Aufruf. Na dann, guten Appetit!

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 07/2021 ab Seite 106.

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