Dmitrij Mendelejew hatte nicht nur einen wilden Haarwuchs, sondern er war auch ein Mensch, der ein geniales Organigramm erfand: Das Periodensystem der Elemente stammt aus seiner Feder. © popovaphoto / iStock / Getty Images Plus

PSE

DAS PERIODENSYSTEM DER ELEMENTE HAT GEBURTSTAG

150 Jahre ist es her, dass der russische Professor Dmitrij Mendelejew Ordnung in das Chaos der Chemie brachte: Mit seinem „Periodensystem der Elemente“ schuf er einen Meilenstein, mit dem man sogar Vorhersagen treffen konnte.

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Das 18. und 19. Jahrhundert war die Gründerzeit der modernen Chemie. Bis dato suchte man nach Ausdünstungen, vergifteten Lüften und vor allem nach dem geheimnisvollen „Phlogiston“, einer Substanz, die das aktive Prinzip der Verbrennung sein sollte. Bis Antoine-Laurent Lavoisier kam: Der französische Wissenschaftler mit der stattlichen Anzahl an Glaskolben im heimischen Labor und dem Hang zur Tüftelei führte Strenge, Klarheit und Methodik in die Chemie ein und benannte die „schädlichen Lüfte“ um in das, was sie wirklich waren; Sauerstoff und Wasserstoff beispielsweise. Seine Ehefrau entdeckte dabei, dass Metallgegenstände mehr wogen, wenn sie verrostet waren, woraus sie richtig schloss, dass sie irgendwelche Teilchen aus der Luft angezogen hatten. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die Stickstoffverbindung Lachgas populär, zunächst wegen ihrer berauschenden Wirkung als Partydroge, dann aufgrund ihrer narkotisierenden Eigenschaften. Und dann erbarmte sich endlich einer und gründete die „Royal Institution“. Der Graf von Rumsford schuf damit für die Chemie eine ernst zu nehmende wissenschaftliche Fachgesellschaft, die die junge Wissenschaft aktiv unterstützte.

Dessen Vorsitzender Humphry Davy machte sich mit Feuereifer an die Arbeit und stellte ein neues Element nach dem anderen vor: zum Beispiel Kalium, Natrium, Magnesium, Calcium, Strontium und Aluminium. Er hatte dazu eine Apparatur entwickelt, die elektrischen Strom auf eine geschmolzene Substanz einwirken ließ: die Elektrolyse. Immerhin entdeckte er damit ein Fünftel der damals bekannten Elemente, bevor er einen verhängnisvollen Hang zum oben erwähnten Distickstoffmonoxid entwickelte und vermutlich deshalb 1829 ums Leben kam.

1808 wurde das „Atom“, das unteilbare kleinste Materie-Teil, vorgestellt, 1811 veröffentlichte Graf Lorenzo Avogadro ein Prinzip, mit der man Größe und Gewicht von Atomen genau bestimmen konnte.

Doch es fehlte jemand, der in die Fülle der Neuentdeckungen Ordnung brachte. Auf die junge Wissenschaft prasselten die Informationen nur so herunter: So konnte es beispielsweise passieren, dass die Avogadro-Gleichung 50 Jahre lang unentdeckt blieb. Da es noch keine rechte Nomenklatur gab, bedeutete H2O für manche Chemiker Wasser, für andere aber Wasserstoffperoxid, und C2H4 konnte entweder für Ethylen oder für Sumpfgas stehen – kaum ein Molekül trug überall die gleiche Bezeichnung. Symbole und Abkürzungen gingen ebenfalls wild durcheinander, bis ein Mann namens J.J. Berzelius immerhin darauf drang, es sollten alle die Elemente mit Abkürzungen ihrer lateinischen und griechischen Namen bezeichnen. So heißt Eisen bis heute Fe (von ferrum) und Silber Ag (von argentum), Wasserstoff H wie hydrogenium. Berzelius verwendete eine hochgestellte Zahl, um die Anzahl der Atome in einem Molekül zu kennzeichnen (H2O), später wanderte diese dann nach unten (H2O).

Das Elemente-Chaos war also mehr oder weniger perfekt, als Dmitrij Mendelejew 1869 auf den Plan trat. Er entstammte einer zahlreichen Familie, ob er 14 oder 17 Geschwister hatte, ist nicht ganz klar: Sicher aber ist, dass er der jüngste war. Energie und Durchsetzungskraft schienen ihm mitgegeben, denn nach dem frühen Tod des Vaters leitete die Mutter allein und erfolgreich eine Fabrik in der russischen Provinz und erkannte wohl, dass in ihrem Jüngsten mehr steckte als in allen anderen: Sie brachte ihn ins 6500 Kilometer weit entfernte St. Petersburg, wo der junge Mann pflichtschuldigst sein Studium der Chemie abschloss. Er war kein besonders herausragender Wissenschaftler, aber bekannt für seinen äußerst wilden Haarwuchs: Die Matte auf dem Kopf und am Kinn ließ er sich nämlich nur einmal im Jahr stutzen. Doch die Kollegen, die über ihn lachten, schauten bald verdutzt. Der methodisch veranlagte Mendelejew erfand nämlich ein geniales System, in das die bis dahin bekannten 63 Elemente eingetragen werden konnten – und das zudem noch Platz ließ für zukünftige Neuentdeckungen.

Bis dahin teilte man die Elemente entweder nach Avogadros Atomgewichten oder aufgrund gemeinsamer Eigenschaften ein (Metalle, Gase). Mendelejew kombinierte beides und benutzte damit eine Methode des Kollegen John Newland drei Jahre zuvor: Der hatte nämlich entdeckt, dass sich bestimmte Eigenschaften der Elemente in jeder achten Position wiederholen, wenn man sie nach Gewicht ordnet. Inspiriert vom Kartenspiel Patience, das er gern spielte, ordnete er seine Kandidaten in Siebenergruppen: Die waagerechten Reihen hießen Perioden, die senkrechten Spalten nannte er Gruppen. Die beiden Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Elementen zeigten sich immer dann, wenn man sie von oben nach unten las – oder aber von rechts nach links (siehe Kasten). Dieses System erlaubte sogar Vorhersagen (die übrigens alle eintrafen): Für Chemiker ist das PSE eines der elegantesten Organigramme, das je erfunden wurde.

Das Periodensystem der Elemente (PSE)
Im Periodensystem sind alle bekannten chemischen Elemente in einem Gliederungsschema übersichtlich zusammengefasst. Der wesentliche Ordnungsfaktor ist die Elektronenkonfiguration. Das PSE gliedert sich in sieben waagerecht angeordnete Perioden, acht senkrecht angeordnete Hauptgruppen (Alkalimetalle, Erdalkalimetalle, Borgruppe, Kohlenstoffgruppe, Stickstoffgruppe, Chalkogene, Halogene, Edelgase) und acht eingeschobene Nebengruppen. Die Außenelektronen sind prägend für die Eigenschaften eines Elementes – damit ergibt sich ein Zusammenhang zwischen der Stellung im PSE und den Eigenschaften der Elemente.


Mittlerweile sind auch die letzten Lücken in Mendelejews Tabelle aufgefüllt: Mit Nihonium, Moscovium, Tennessin und Oganesson in der 7. Periode schloss sich der Kreis und die übrig gebliebenen weißen Stellen. Diese Elemente sind zwar so instabil, dass sie nur unter Laborbedingungen künstlich synthetisiert werden können und auch gleich wieder zerfallen – aber der russische Professor hatte recht: Es gibt sie. Fast würden wir übrigens an dieser Stelle einen deutschen Wissenschaftler für den 150. Geburtstag des Periodensystems feiern: Der Tübinger Chemiker Lothar Meyer stellte bereits ab 1859 für seine Studenten eine selbst verfasste Tabelle zusammen, ebenfalls in Gruppen nach Atomgewicht und Wertigkeit. Überrascht las er zehn Jahre später die Veröffentlichung seines Kollegen und beeilte sich mit einem eigenen Artikel – der dann allerdings erst einige Monate später in einem Fachorgan erschien. Doch die Royal Society bemühte sich um Fairness: Dmitrij Mendelejew und Lothar Meyer erhielten für ihre Entdeckung gemeinsam die nach dem ersten Vorsitzenden benannte Davy-Medaille.

Alexandra Regner,
PTA/Redaktion

Quellen:
Bill Bryson: Eine kurze Geschichte von fast allem, Goldmann
Jörg Martin: Allgemeine und pharmazeutische Chemie, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
www.periodensystem.info

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