Unter der chronischen Form einer Mittelohrentzündung leiden eher Erwachsene. © Aleksej Sarifulin / iStock / Getty Images Plus

Ohr | Mittelohrentzündung

MITTELOHRENTZÜNDUNG: CHRONISCHE FORM KANN LEBEN SCHWER MACHEN

Wer ein Ziehen oder Stechen im Ohr spürt, sollte zum Arzt gehen. Ursache ist häufig eine akute Mittelohrentzündung. Doch die Krankheit kann auch chronisch verlaufen - und ist dann viel schwieriger zu erkennen.

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Es ist die Kinderkrankheit schlechthin - die akute Mittelohrentzündung mit heftigen Schmerzen im Ohr. Die gute Nachricht: Bei den meisten Kindern heilt sie ohne Folgen ab. Die schlechte: Mittelohrentzündungen können auch Erwachsenen das Leben schwer machen.

«Während akute Mittelohrentzündungen tatsächlich vor allem bei Kindern vorkommen, leiden Erwachsene eher an der chronischen Form», sagt Prof. Jens Peter Klußmann, Direktor und Lehrstuhlinhaber der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde an der Universität zu Köln. «Sie entwickelt sich über Jahre und entsteht meist nach mehreren akuten Entzündungen in der Kindheit.»

Was genau geschieht da im Ohr?

«Bei der chronischen Form sind die Schleimhäute des Mittelohrs immer wieder und lang anhaltend entzündet», erklärt Prof. Andreas Gerstner, Chefarzt der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde in Braunschweig. «Außerdem befindet sich im Trommelfell meist ein dauerhaftes Loch.» Die Tücke der chronischen Mittelohrentzündung: Das schmerzhafte Ohrenstechen tritt in der Regel nicht auf.

Wie ist das bei der akuten Entzündung?

Da ist die Sache meistens klar: «Die Patienten nehmen starke Ohrenschmerzen und Fieber sehr ernst und stellen sich damit in der Praxis vor», sagt Sybille Bartelt, Hausärztin in Dortmund. Unkomplizierte, akute Mittelohrentzündungen ließen sich dann meist mit abschwellendem Nasenspray und Schmerzmitteln behandeln.

Vom Fliegen mit akuter Mittelohrentzündung rät Bartelt klar ab: «Der Druckausgleich zum Mittelohr funktioniert nicht mehr. Es können stärkste Schmerzen auftreten.» Schlimmstenfalls kann es zu einer Schädigung des Innenohres kommen, warnt Gerstner. «Betroffene können einen heftigen Schwindel erleben und sogar ertauben.»

Und wie lässt sich die chronische Mittelohrentzündung erkennen?

«Ein Hinweis kann sein, dass dauerhaft Sekret aus dem Ohr läuft», erklärt Klußmann. «Häufig verschlechtert sich auch das Hören.» Stellt der HNO-Arzt eine chronische Mittelohrentzündung fest, sei häufig eine Operation ratsam. «Der Defekt im Trommelfell lässt sich verschließen. Beschädigte Gehörknöchelchen können rekonstruiert werden.»

Aber warum operieren, wenn die Symptome nur schwach sind?

«Weil unbehandelte, chronische Mittelohrentzündungen das Hörvermögen verschlechtern und die Patienten taub werden können», erklärt Gerstner. Zudem müssten Betroffene im Alltag sehr aufpassen: «Es darf kein Wasser in den Gehörgang gelangen.» Es könnte durch das Loch im Trommelfell ins Mittelohr eindringen und dort akute Entzündungen auslösen. Außerdem wird das Gleichgewichtsorgan gereizt - häufige Folge: heftiger Drehschwindel.

Ein weiterer Grund zur Behandlung: Durch chronische Mittelohrentzündungen steigt die Gefahr für eine Knocheneiterung, das sogenannte Cholesteatom. «Dann hat die Entzündung den Knochen befallen und zerstört ihn», sagt Gerstner. Für den Patienten sei auch diese gefährliche Erkrankung schwer zu entdecken. «Hinweis kann ein übelriechendes Ohrsekret sein.»

Ein Cholesteatom muss unbedingt behandelt werden. «Wird nicht operiert, können im Verlauf Gesichtsnervenlähmungen, Schwindel oder sogar eine Blutvergiftung und Hirnhautentzündung auftreten», sagt Klußmann.

Was ist zu tun, um es nicht so weit kommen zu lassen?

«Vorbeugen ist schwierig», sagt Klußmann. «Einige Menschen neigen stärker zu Mittelohrentzündungen als andere. Wahrscheinlich haben sie eine lokale Abwehrschwäche.» Außerdem spiele die Anatomie des Ohres eine Rolle. «Betroffene leiden an einer dauerhaften Belüftungsstörung.»

In dem Fall lässt sich allerdings der Druckausgleich trainieren. Eine Methode sei das sogenannte Valsalva-Manöver, sagt Gerstner: «Patienten halten sich die Nase zu und atmen bei geschlossenem Mund und angespannter Bauchmuskulatur aus, als würden sie sich schnäuzen.» Dies führe zu einem Druckausgleich in den Ohren und helfe, die Ohrtrompete zu belüften.

Hausmittel wie Zwiebelsäckchen oder Watte für die Ohren zum Schutz vor Wind und Wetter sind laut Klußmann unwirksam. «Von Watte rate ich ab. Eine Mittelohrentzündung entsteht nicht von außen, sondern von innen über den Nasenrachenraum», sagt Klußmann. «Watte im Ohr kann zu Entzündungen des Gehörgangs führen.» Ungünstig ist es, mit chronischer Mittelohrentzündung zu rauchen. «Das reizt die Schleimhäute», warnt Gerstner.

Beruhigend zu wissen: Wer an einer chronischen Mittelohrentzündung leidet, hat gute Chancen, sie loszuwerden. «Dank der Operation verschwinden die Beschwerden, und die Patienten können wieder besser hören», sagt Gerstner. Gut behandelbar sei auch das gefürchtete Cholesteatom: «Wird es rechtzeitig operiert, lässt sich auch hier das Hörvermögen wiederherstellen.»

Quelle: dpa

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