Morbus Alzheimer gehört zu den häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen. Betroffene reagieren häufig ängstlich oder aggressiv auf den zunehmenden Gedächtnisverlust. © Andrea Danti / 123rf.com

Antidementiva | Trippel-Agonist

ANTIDIABETISCHER DREIFACH-AGONIST GEGEN ALZHEIMER

Die Diagnose Alzheimer trifft meist nicht nur Betroffene, sondern auch deren Angehörige schwer. Kein Wunder, denn bislang kann man lediglich den Fortschritt der neurodegenerativen Erkrankung verlangsamen. Hoffnungsvolle 35 Kandidaten sollen in nächster Zeit in die klinische Prüfung. Einer von ihnen gehört eigentlich zu den Antidiabetika.

Seite 1/1 2 Minuten

Seite 1/1 2 Minuten

Plötzlich fällt es einem schwer, sich den Inhalt von Gesprächen zu merken, manchmal entfallen einem sogar bestimmte Worte. Ständig verlegt man Gegenstände oder schaut beim Gehen hoch und weiß auf einmal nicht mehr wo man ist. Und obwohl man merkt, dass man ständig Dinge vergisst, kann man es nicht zugeben; es ist peinlich und beängstigend. Die Diagnose beim Arzt: beginnende Demenz. Allein in Deutschland sind von dieser Situation 1,3 Millionen Menschen betroffen, mit steigender Tendenz. Denn unsere Gesellschaft wird immer älter und dies gilt als größter Risiko-Faktor – kaum ein Patient ist unter 60 Jahre.

Ein ebenfalls bekannter Risikofaktor: Diabetes mellitus. Daher konzentrierten sich nun Forscher der Medizinischen Universität Shanxi auf die Entwicklung eines antidiabetisch wirksamen Peptids. Es handelt sich um einen Tripel-Agonist, das bedeutet mit agonistischer Wirkung an drei verschiedenen Rezeptoren. Die Wachstumsfaktoren und gleichzeitig Botenstoffe des Blutzucker- beziehungsweise Insulinstoffwechsels GLP-1 (Glucagon-like Peptid-1), GIP (Glucose-abhängiges insulinotropes Polypeptid) und Glucagon zeigten bereits in vergangenen Studien einen positiven und neuroprotektiven Einfluss auf das Gehirn. Ihre Signalwege werden über G-Protein-gekoppelte Rezeptoren beeinflusst. Über einen Agonismus an diesen Rezeptoren wird die Ausschüttung des second messengers cAMP erhöht, wodurch eine Reihe zellschützender Abläufe (erhöhte Produktion der Wachstumsfaktoren, Reparaturprozesse, Normalisierung der Energienutzung) angestoßen werden. Zusätzlich zeigen GLP-1 und GIP noch antientzündliche Eigenschaften.

Geprüft wurde das Peptid bisher nur in tierexperimentellen Studien. Dafür setzten die Forscher bestimmte Labormäuse ein, deren genetische Veränderung dazu führte, dass sie rasch Alzheimer entwickelten. Mäuse, die einmal täglich über eine Dauer von zwei Monaten eine Injektion mit dem Dreifach-Agonisten bekamen, schnitten in Gedächtnis-Tests (ein speziell entwickeltes Wasserlabyrinth) signifikant besser ab als die Vergleichsgruppe bei gleichzeitigem Anstieg ihrer Lernfähigkeit. Ebenso zeigten sich eine Reduktion der Amyloid-Ablagerungen im Gehirn und eine Zunahme neuroprotektiver und neuronenaufbauender Wachstumsfaktoren. Auch die Auswirkungen von oxidativem Stress und chronischer Entzündung, mitunter Hauptverursacher neurodegenerativer Erkrankungen, konnten durch die Therapie gesenkt werden.

Auch wenn sich noch klinische Studien anschließen müssen, eine entsprechende Dosisfindung stattfinden muss und jetzige Ergebnisse lediglich an Mäusen gezeigt werden konnten, zeigen sich die Forscher zuversichtlich. „Wir haben gezeigt, dass diese neuen Triple-Rezeptor-Wirkstoffe vielversprechende Kandidaten für neue Alzheimer-Mittel sein könnten“ betont Christian Hölscher von der Lancaster University zusammen mit seinen chinesischen Kollegen.

Farina Haase, Volontärin, Apothekerin

Quelle: Bild der Wissenschaft

×