Fettstoffwechselstörungen
PTA-Fortbildung

Rechtzeitig gegensteuern

Ein ungesunder Lebensstil und die genetische Disposition sind wichtige Faktoren, die zu Hyper- und Dyslipidämien führen. Das bleibt auf Dauer nicht ohne Folgen. Herz-Kreislauf-Erkrankungen stehen damit in Zusammenhang.

17 Minuten

Veröffentlichung der Teilnahmebescheinigung:
01. Februar 2022

Therapie Basis einer jeden Therapie ist zunächst die Sicherstellung der nichtmedikamentösen Maßnahmen. Unabhängig von der Ursache der Dyslipidämie sollte auf eine Lebensstiländerung hingewiesen werden. Dazu zählen die Empfehlung einer ausgewogenen Ernährung mit einer Reduktion der gesättigten Fettsäuren und Trans-Fettsäuren, mehr Bewegung, Vermeidung von Alkohol und die Raucherentwöhnung bei Rauchern. Im Rahmen der Pharmakotherapie stehen heute verschiedene Behandlungsansätze zur Verfügung, um die Neubildung von Cholesterin beziehungsweise die Fettaufnahme zu reduzieren.

Senkung der Cholesterinbildung Der Cholesterinvorrat in der Leber wird durch die exogene Zufuhr und durch die körpereigene Produktion reguliert. Mehr als 80 Prozent der täglichen Cholesterinbiosynthese erfolgen, wie gesagt, in der Leber und im Dünndarm. Die Synthese besteht aus einem mehrstufigen Prozess, an dem das Enzym Hydroxyl-methyl-glutaryl-CoA-Reduktase (HMG-CoA-Reduktase) maßgeblich beteiligt ist. Die endogene Biosynthese von Cholesterin und Aufnahme in die Leberzellen wird unter anderem durch die LDL-Rezeptoren gesteuert. Daher spielen die Leber und ihre LDL-Rezeptoren eine wichtige Rolle für eine therapeutische Senkung der LDL-Cholesterin-Spiegel.

So führt eine hohe Konzentration von Cholesterin außerhalb der Zelle zu einer reduzierten Aufnahme aus dem Darm. Therapeutischer Ansatzpunkt der Statine ist die Hemmung der HMGCoA-Reduktase und damit die Drosselung der körpereigenen Cholesterinbildung. Mit der Senkung des Cholesteringehalts in der Zelle werden als Gegenregulation vermehrt LDL-Rezeptoren gebildet, sodass vermehrt exogen zugeführtes Cholesterin in die Leberzellen transportiert wird. Zu Beginn der Therapie wird der LDL-Spiegel stärker gesenkt als später unter der Dauertherapie.

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Dieses Phänomen lässt sich so erklären, dass sich unter der Behandlung nun im Gegenzug auch die Bildung des Enzyms HMG-CoAReduktase erhöht. Es stellt sich unter der Dauertherapie eine Art Gleichgewichtszustand ein, der abhängig von dem eingesetzten Statin und seiner Dosierung eine Senkung des LDL-Wertes von 20 bis 60 Prozent vom Ausgangswert erreichen kann. In der Regel wird außerdem eine Senkung der Triglyceride und eine Erhöhung der HDL-Cholesterinspiegel erzielt.

Die Gruppe der Statine umfasst die geringer wirksamen Fluvastatin, Pravastatin, Lovastatin und Simvastatin und die stärker wirksamen Arzneistoffe Atorvastatin und Rosuvastatin. Statine werden nicht nur bei der Indikation Hyperlipidämie, sondern auch zur Primär- und Sekundärprophylaxe bei Patienten mit Koronarsyndrom nach Myokardinfarkt oder instabiler Angina pectoris verordnet. Die Wirkstoffe aus der Gruppe der Statine unterscheiden sich besonders in ihren pharmakokinetischen Eigenschaften. Lovastatin und Simvastin sind Prodrugs, die in der Leber erst in ihre Wirkmetaboliten umgewandelt werden. Alle Statine unterliegen einem First-Pass-Effekt. Simvastatin wird intensiv, Atorvastatin ein wenig über CYP 3A4 metabolisiert, was ein gewisses Wechselwirkungspotenzial mit sich bringt. Bei Fluvastatin ist die Metabolisierung über CYP2C9 zu beachten. Pravastatin und Rosuvastatin werden kaum über CYP-Enzyme abgebaut.

Lipidkonzentrationen im Blut
(Deutsche Gesellschaft für Kardiologie) – Normalwerte
+ Triglyzeride: <175 mg/dl
+ Gesamtcholesterin: <190 mg/dl
+ LDL-Cholesterin: <115 mg/dl
+ HDL-Cholesterin: >40 mg/dl

Diese Werte müssen nicht unter Nüchternmessung festgestellt werden. Bei einer weitergehenden Diagnostik sind Nüchernblutspiegel sinnvoll, da sich die Triglyceridwerte in Abhängigkeit von der Nahrungszufuhr und der Alkoholeinnahme erhöhen.

Bekannte Nebenwirkungen aller Wirkstoffe dieser Gruppe sind Muskelschmerzen, häufig mit einem Schwächegefühl verbunden. Sie werden als SAMS – Statin-assoziierte Muskelsymptome – bezeichnet. In seltenen Fällen können ansteigende Kreatininkinase-Werte beobachtet werden, die auf Myopathien oder sogar eine Rhabdomyolyse, den Abbau von Muskelzellen aus der quergestreiften Muskulatur, hinweisen. Ein Warnsymptom ist die Dunkelfärbung des Urins nach rot-bräunlich. Dies ist auf die Ausscheidung von Myoglobin über die Nieren zurückzuführen.

Eine gefährliche Komplikation ist dann das akute Nierenversagen. Bei gesicherter Diagnose der Rhabdomyolyse sollte mit Absetzen der auslösenden Medikamente und einer forcierten Diurese gehandelt werden. Statine stehen aufgrund der allgemein bekannten Nebenwirkungen SAMS bei vielen Patienten in der Diskussion. Die Sorge vor dieser Nebenwirkung ist ein häufiger Grund für einen Therapieabbruch oder Non-Adhärenz. Entscheidend für die Bewertung einer möglichen Nebenwirkung ist, dass die Statin-assoziierten Muskelschmerzen etwa vier bis sechs Wochen nach Behandlungsbeginn, nach Dosiserhöhung oder Verordnung eines mit den Statinen interagierenden Wirkstoffs auftritt.

In Beobachtungsstudien wird die Prävalenz der Muskelbeschwerden bei Befragungen von Patienten auf fast 30 Prozent beschrieben. In Wahrheit zeigen randomisierte kontrollierte Studien nur Werte von etwa ein bis fünf Prozent. Experten sprechen hier deshalb von einem Nocebo-Effekt, der daher kommt, dass die Patienten die Beschwerden aufgrund ihres Wissens und der Erfahrung bereits erwarten. Fakt ist, dass das Risiko für SAMS mit höheren Dosierungen deutlich ansteigt. Deshalb ist auf patientenindividuelle Risikofaktoren, zum Beispiel eine Niereninsuffizienz oder die gleichzeitige Einnahme von CYP-3A4-Inhibitoren wie Clarithromycin, Erythromycin oder Azolantimykotika zu achten.

Auch Grapefruitsaft sollte nicht zusammen mit Simvastatin eingenommen werden, da die Inhaltstoffe CYP-3A4-Enzyme im Dünndarm hemmen. Viele Patienten nehmen den Calciumantagonisten Amlodipin zur Blutdrucksenkung ein, einen moderaten CYP-3A4-Hemmer. Hier gilt, die Tagesdosis von Simvastatin sollte bei gemeinsamer Gabe von Amlodipin unter 40 Milligramm liegen, um Plasmaspiegelanstiege des Statins mit potenziellen Nebenwirkungen zu vermeiden. Weitere, aber seltenere unerwünschte Wirkungen der Statine sind Kopfschmerzen, gastrointestinale Beschwerden, Juckreiz und Schlafstörungen.

Besteht der Verdacht, dass ein Patient sein Statin nicht ausreichend verträgt, empfiehlt sich ein Substanzwechsel. Hier sollte aber auch auf eine äquivalente Dosis des anderen Wirkstoffs geachtet werden. Dazu hat die ABDA Äquivalenzdosistabellen zur Verfügung gestellt. Die lipidsenkende Wirksamkeit nimmt von Rosuvastatin – Atorvastatin – Simvastatin – Lovastatin – Pravastatin zu Fluvastatin ab. Beispielsweise ist mit einer Dosis von fünf Milligramm Rosuvastatin derselbe Effekt zu erreichen wie mit 20 Milligramm Atorvastatin. Im Apothekenalltag sind Simvastatin, Atorvastatin und Rosuvastatin am häufigsten vertreten.

Gute Kommunikation Apotheker und PTA sind gefordert, in der Beratung die Adhärenz für die Einnahme der Statine zu stärken. Wenn eine Ablehnung des Statins vom Patienten kommuniziert wird, sollten die positive Wirkung und der hohe Nutzen in der Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen thematisiert werden. Vielfach ist es sogar sinnvoll bei der Erstverordnung nicht explizit auf Nebenwirkungen hinzuweisen. Besser ist es, zu fragen: „Was hat Ihnen der Arzt zur Einnahme der Tabletten gesagt? Wofür hat er sie verordnet und wie sollen Sie sie einnehmen?“ Einige Statine, zum Beispiel Simvastatin, werden am besten am Abend eingenommen, weil sie dann die HMG-CoA-Reduktase am wirkungsvollsten hemmen.

Bei Wiederholungsverordnungen ist ein guter Gesprächseinstieg: „Wie sind Sie mit Ihren Tabletten zufrieden? Konnten Ihre Blutfette bereits gut gesenkt werden?“ Auf diese Art und Weise wird mehr auf die positiven Wirkungen und weniger auf die potenziellen Nebenwirkungen abgezielt. Zusätzlich können Sie auch Nahrungsergänzungsmittel empfehlen, die die Produktion von Cholesterin hemmen und die Wirkung der Statine unterstützen. Der LDL-cholesterinsenkende Effekt von Phytosterolen, Zitrusfrüchten wie Bergamotte und Artischocken ist gut dokumentiert. Die aktuellen ESC/ EAS-Leitlinien (European Society of Cardiology und European Atherosclerosis Society) empfehlen deren Zufuhr als Ergänzung zur pharmakologischen Lipidtherapie bei Patienten mit hohem oder sehr hohem Risiko, die ihre Zielwerte unter einer Statintherapie nicht erreichen oder Statine nicht vertragen.

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