Pilzinfektionen
PTA-Fortbildung

Pilzinfektionen heilen nie von allein aus

Ob Fuß-, Nagel- oder Scheidenpilz: Mykosen gehören in Apotheken zum Beratungsalltag. Dennoch kursieren einige Mythen, die im Zweifel eher schaden als nützen. In dieser Fortbildung finden Sie geballtes Hintergrund- und Beratungswissen.

22 Minuten

Weltweit existieren über Hunderttausend verschiedene Pilzarten, von denen rund 150 als Krankheitserreger für den Menschen eingestuft werden. Sie führen aber nicht zwangsläufig zur Pilzinfektion (Mykose). Auf der gesunden Haut siedeln bei jedem Menschen Pilze gemeinsam mit unzähligen anderen Mikroorganismen. Die hauteigenen Kleinstlebewesen werden als residente Keime oder Standortflora bezeichnet und bilden das Mikrobiom der Haut. 

Dieses ist von Mensch zu Mensch individuell und zudem sehr vielfältig zusammengesetzt. Durch Genetik, Lebensstil und Umweltbedingungen gleicht keines dem anderen. Es ist auch bei einem Menschen nicht überall gleich, da die Haut an unterschiedlichen Körperregionen verschiedenen Umständen ausgesetzt ist. Faktoren wie Feuchtigkeit, Temperatur oder die Nährstoffversorgung (z. B. abgestorbene Hautzellen, Talg, Schweiß, Hautfette) lassen eine eigene feste Standortbesiedlung entstehen.

Lernziele

Lernen Sie in dieser von der Bundesapothekerkammer akkreditierten Fortbildung unter anderem,

  • wie es zu Pilzinfektionen kommt,
  • welche Pilzarten bei Hautmykosen eine Rolle spielen,
  • welches Hautmykosen im Apothekenalltag häufig vorkommen,
  • welche Therapieoptionen in der Selbstmedikation bestehen,
  • was Sie Betroffenen zur Vorbeugung empfehlen können und
  • wann Sie sie an den Arzt weiterleiten müssen.

Nützliche Lebensgemeinschaft Das Mikrobiom einer gesunden Haut zeichnet sich dadurch aus, dass die Keime in einem ausgewogenen physiologischen Gleichgewicht leben, ohne den Menschen zu schädigen. Die mikrobielle Besiedlung ist für den Menschen vielmehr von Vorteil. Als erste Verteidigungslinie der Hautbarriere spielen die Kleinstlebewesen eine wichtige Rolle. Sie fungieren als eine Art Schutzschild, das den Körper vor pathogenen Keimen und somit vor Infektionen bewahrt.

Die hauteigenen Mikroorganismen gelten als nichtpathogen, auch wenn einige gegebenenfalls zu potenziellen Krankheitserregern werden können.

Damit die Verteidigung richtig funktioniert, ist auf der Haut ein pH-Wert von pH 5 bis 5,5 erforderlich. Das leicht saure Milieu bildet den Säureschutzmantel. Dieser dient einem gesunden Hautmikrobiom als Lebensgrundlage und hemmt Krankheitserreger in ihrem Wachstum. Hautmikrobiom und Säureschutzmantel sorgen also gemeinsam dafür, dass Pathogene ferngehalten werden beziehungsweise sich nicht ungehindert ausbreiten können.

Selbst wenn diese in den Körper eindringen sollten, etwa. durch Verletzungen, werden sie von einem intakten Immunsystem schnell zerstört, sodass sie keine Chance erhalten, sich einzunisten und Krankheiten hervorzurufen.

Pilzinfektionen

Unter bestimmten Bedingungen können Pilze aus dem Hautmikrobiom jedoch infektiös werden. Gerät die physiologische Besiedlung der Haut aus der Balance (z. B. durch Zerstörung des Säureschutzmantels oder die Einnahme von Antibiotika) oder sind körpereigene Abwehrmechanismen geschwächt (z. B. durch Chemotherapie, schwerwiegende Erkrankungen), können die bereits vorhandenen, hauteigenen Pilze unkontrolliert wachsen, sich ungestört vermehren und Infektionen auslösen.

Aber nicht nur residente Pilze spielen eine Rolle. Ebenso können Pilze, die durch Kontakt mit anderen Menschen oder über Gegenstände von außen auf die Haut gelangen, diese infizieren. Diese Pilze zählen zu den transienten Keimen, die auch unter dem Begriff Anflugkeime bekannt sind.

Bei immunkompetenten Menschen sind in der Regel oberflächliche, lokale Infektionen die Folge. Zumeist befallen sind

  • Haut,
  • Nägel,
  • Mundhöhle und
  • Vagina.

Bei immunsupprimierten Patienten sind invasive, systemische Mykosen der inneren Organe (System- oder Organmykosen) möglich, die lebensgefährlich werden können. Dabei gelangen Pilzsporen meist zunächst in die Lunge und von dort aus in die Blutbahn, sodass sie sich im Organismus ausbreiten und die inneren Organe befallen können. Während lokale Mykosen häufig in der Selbstmedikation zu therapieren sind, gehören systemische Pilzinfektionen immer in ärztliche Hand, oft sogar in stationäre Behandlung.

Mykosen der Haut sind immer therapiebedürftig. Sie heilen nicht von selbst.

Definition Pilze

Aber was sind Pilze eigentlich? Noch vor nicht allzu langer Zeit ging man davon aus, dass Pilze (Fungi, Myzeten) Pflanzen seien. Inzwischen werden sie nicht mehr dazu gerechnet, da Pilze im Gegensatz zu den Pflanzen über keine Plastide und somit über kein Chlorophyll verfügen. Dadurch sind sie nicht zur Fotosynthese befähigt, können ihre Nährstoffe also nicht selbst herstellen. Sie müssen sich vielmehr wie Tiere von organischen Nährstoffen aus ihrer Umgebung, also heterotroph, ernähren. 

Ebenso fehlt der Zellwand von Pilzen Cellulose, enthält dafür aber das Polysaccharid Chitin. Dieses kommt im Pflanzenreich nicht vor, ist jedoch bei Gliederfüßlern vorhanden. Ein weiteres Charakteristikum der Pilze ist das Ergosterol als spezifischer Bestandteil ihrer Zellmembran. Es besitzt dort eine ähnliche Funktion wie Cholesterol in tierischen Membranen. 

Auch wenn Pilze den Tieren näher als den Pflanzen stehen, werden sie nicht den Tieren zugeordnet. Nicht zuletzt, da Tiere anders als Pilze keine Zellwände besitzen. Heute bilden Pilze wie Tiere und Pflanzen ein eigenes Reich eukaryotischer Lebewesen, bei denen die Zellen einen Zellkern enthalten. Das unterscheidet sie beispielsweise von den Bakterien, die als Prokaryoten bezeichnet werden, da ihr Erbgut frei im Zytoplasma schwimmt.

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