© Gerold Uder / shotshop.com

Blaseninfekte

ZYSTITIS – EIN BRENNENDES PROBLEM

Nahezu 50 Prozent der Frauen hatten schon einmal eine Blasenentzündung, doch auch Männer können betroffen sein. Welche Empfehlungen können Sie zur Prävention und Behandlung von Blaseninfekten geben?

Seite 1/1 8 Minuten

Seite 1/1 8 Minuten

Anfragen wie „Ich glaube, ich habe mich verkühlt. Bitte geben Sie mir doch einen guten Tee für meine Blase mit” erleben Apothekenmitarbeiter immer wieder. Harnwegsinfekte sind gerade unter Frauen weit verbreitet. Ein Drittel der Patientinnen erleidet trotz Therapie immer wieder Rückfälle, sodass im Beratungsgespräch auch Hinweise zu vorbeugenden und begleitenden Maßnahmen der medikamentösen Behandlung sinnvoll sind.

Harnwege entzündet Die ableitenden Harnwege bestehen aus den Harnleitern, die Blase und Nierenbecken miteinander verbinden, der Harnblase und der -röhre. Bei einer unkomplizierten Blasenentzündung sind vor allem Harnröhre und Blase betroffen. Bakterien gelangen von außen über die Harnröhre in die Blase und vermehren sich dort. In 80 Prozent der Fälle ist Escherichia coli der Übeltäter.

Ein konzentrierter Urin begünstigt die rasche Vermehrung der Keime, die eine Entzündung der Blasenschleimhaut hervorrufen. Symptome wie Brennen beim Wasserlassen , ein intensiver, gesteigerter Harndrang (Pollakisurie) selbst bei geringen Mengen und krampfartige Beschwerden bei der Blasenentleerung sind typische Anzeichen für einen Infekt. Auch Schwierigkeiten, den Urin beim Husten oder Lachen zu halten, treten auf. Allerdings sollte bei der Diagnosestellung der Erkrankung auch an die Symptome einer Reizblase gedacht werden. Anders als bei einer Harnwegsinfektion sind hier nicht die typischen Schmerzen beim Wasserlassen zu beobachten.

Vorsicht Nierenschmerzen! Gelangen die Keime in die oberen Harnwege, kann es zu Entzündungen der Nieren kommen. Patienten entwickeln dann häufig Fieber, ein ausgeprägtes Krankheitsgefühl und starke Nierenschmerzen, die in den Rücken ziehen. Da der Krankheitsverlauf in diesem Fall schwer-wiegend ist und sich der Infekt auf andere Organe ausbreiten kann, sprechen Fachleute von einer komplizierten Harnwegsentzündung, die einen Arztbesuch erfordert.

Nachweis Urinprobe Die Untersuchung des Urins ist, neben der körperlichen Untersuchung und einem Ultraschall der Nieren und Blase, die wichtigste Maßnahme, um den Schweregrad der Infektion abzuschätzen. Für die Gewinnung der Urinprobe ist der „Mittelstrahlurin” in einem sterilen Probengefäß aufzufangen. Zur Vermeidung möglicher Kontaminationen sollten Männer die Vorhaut dabei zurückschieben und Frauen die äußeren Schamlippen auseinanderhalten.

laborantin hält gefäß mit urinprobe
Auch wenn die Urinprobe ohne sichtbares Blut ist, kann ein schmerzhafter bakterieller Infekt der Harnblase vorliegen.

Die Probe sollte möglichst frisch sein, wenn sie mit einem Harnteststreifen untersucht wird. Bei einem bakteriellen Infekt finden sich vermehrt Entzündungszellen (Leukozyten) und Nitrit, das Abbauprodukt vieler Bakterien im Urin. Eine orange-rote Färbung deutet auf Blut hin. Häufig sind höhere Konzentrationen an Eiweiß nachweisbar. Leidet ein Patient bereits unter mehrmals wiederkehrenden Infekten der Blase oder handelt es sich um einen komplizierten Verlauf, wird zur Untersuchung des Erregerspektrums eine Urinkultur angelegt, um anschließend das geeignete Antibiotikum einzusetzen.

Warum sind Frauen häufiger betroffen als Männer? Erstere tragen ein größeres Risiko zu erkranken, weil der Ausgang der Harnröhre in unmittelbarer Umgebung zu Darmausgang und Scheide liegt. Durch Schmierinfektionen nach dem Toilettengang, aber auch durch häufigen Geschlechtsverkehr gelangen Bakterien aus der Analregion in die Harnröhre und steigen auf. Erleichternd für die Erreger ist dabei die bei Frauen etwa nur 4 Zentimeter kurze Harnröhre – im Gegensatz zu circa 20 Zentimetern bei Männern.

»Eine wichtige Begleitmaßnahme bei Blaseninfekten ist die Durchspülungstherapie.«

Werden zur Verhütung Spermizide oder Scheidendiaphragmen verwendet oder ist die Scheidenflora durch übermäßige Hygienemaßnahmen gestört, treten ebenfalls eher Harnwegsinfektionen auf. Ein weiterer Risikofaktor der Frauen ist die Hormonumstellung in der Menopause. Dadurch verändert sich die Scheidenschleimhaut und wird empfindlicher für Bakterien.

Aber auch Männer können sich eine Blasenentzündung einfangen. Mit zunehmendem Alter leidet ein großer Teil der Männer unter einer vergrößerten Prostata. Damit verbunden sind häufig eine Einengung der Harnblase und eine Einschränkung beim Wasserlassen. Verbleibt aufgrund der Entleerungsstörungen immer eine gewisse Menge an Restharn in der Blase, können sich darin auch Bakterien vermehren und zu Symptomen einer Harnwegsentzündung führen.

Wann zum Arzt? Deutet alles auf eine unkomplizierte Zystitis mit leichten Beschwerden hin, ist die Behandlung im Rahmen der Selbstmedikation maximal fünf Tage möglich. Sollte bis dahin keine deutliche Besserung eingetreten sein, ist ein Arztbesuch notwendig. Menschen, die häufiger als drei Mal im Jahr unter Harnwegsinfekten leiden, sollten ebenfalls zum Arzt geschickt werden, ebenso wie Schwangere, Kinder, Männer mit Prostatahypertrophie, Diabetiker, Menschen mit einem geschwächten Immunsystem und jene mit einer Niereninsuffizienz.

Antibiotika erste Wahl Seit 2010 existiert eine neue therapeutische Leitlinie zur Behandlung der unkomplizierten Zystitis, die unter der Führung der Deutschen Gesellschaft für Urologie in Zusammenarbeit mit sechs weiteren Fachgesellschaften erstellt wurde. Die wichtigste Aussage ist, dass Antibiotikamedikation die erste Wahl der Therapie ist. Alternative Behandlungsstrategien, zum Beispiel mit Phytopharmaka im Rahmen der Selbstmedikation, werden am Rande erwähnt.

Die Leitlinie berücksichtigt bei ihren Empfehlungen die aktuelle Resistenzlage. Cotrimoxazol und Ciprofloxacin sind die zur Zeit noch am häufigsten verordneten Antibiotika bei unkomplizierten Harnwegsinfekten, werden aber wegen der erhöhten Resistenzzahlen bei Echerichia coli nicht mehr als Erste-Wahl-Antibiotika vorgeschlagen. Fosfomycin und Nitrofurantoin sollen an die Spitze der Therapie rücken. Sie gelten als gut verträglich und weisen zurzeit eine günstige Resistenzlage auf.

TIPPS FÜR DAS BERATUNGSGESPRÄCH
+ Grundsätzlich gilt: Immer ausreichend, also mindestens zwei Liter pro Tag, trinken! Wer die ersten Anzeichen einer Blasenentzündung spürt, sollte die Flüssigkeitszufuhr ruhig erhöhen. Nieren- und Blasentees unterstützen die Durchspülung der Blase und das Ausschwemmen von Bakterien.
+ Gerade Frauen sollten sich vor Unterkühlung des Unterleibs schützen. Also auch an den ersten wärmeren Sommerabenden an Strümpfe und Sitzkissen denken.
+ Wasserlassen nach dem Geschlechtsverkehr sorgt dafür, dass mögliche eingeschleppte Keime ausgespült werden.
+ Nach dem Toilettengang stets von vorne nach hinten in Richtung Analregion reinigen.
+ Beginnende Harnwegsinfekte sollten nicht verschleppt werden. Wenn Trinken und Phytopharmaka nach drei Tagen keine Besserung erreichen, sollte ein Arzt aufgesucht werden.
+ Antibiotika helfen schnell und effektiv. Wichtig ist, die vorgegebenen Behandlungszeiten auch einzuhalten, wenn die Symptome bereits abgeklungen sind.

Cephalosporine und Chinolone sind Breitspektrumantibiotika, die ein höheres Risiko tragen, die Darm- und Vaginalflora aus dem Gleichgewicht zu bringen. Laut Meinung der Experten werden so unerwünschte Enterobakterien und Candidakulturen gestärkt.

Drei bis fünf Tage In der Regel gilt weiterhin die Therapiedauer von drei Tagen als Standarddauer für die Anwendung der meisten Antibiotika. Fosfomycin hat den Vorteil einer einmaligen Gabe von 3000 Milligramm. Noch drei Tage nach der Einnahme sind im Urin therapeutische Konzentrationen des Wirkstoffs zu finden. Nitrofurantoin als retardierte Arzneiform sollte wie Trimethoprim fünf Tage lang eingenommen werden, um eine zuverlässige Eradikation der Keime zu gewährleisten.

Trinken – Trinken – Trinken Eine wichtige Begleitmaßnahme bei Blaseninfekten ist die Durchspülungstherapie. Vorraussetzung ist eine tägliche Trinkmenge von mindestens zwei Litern Flüssigkeit. Nicht umsonst wird von Medizinern reichliches Trinken empfohlen, um die verantwortlichen Keime auszuschwemmen. Teezubereitungen aus Bärentraubenblättern, Orthosiphonblättern, Goldrutenkraut oder Brennnesselkraut haben schon lange Tradition in der Behandlung von Harnwegsinfekten.

Für die entwässernde Wirkung sind hauptsächlich die Flavonoide verantwortlich. Die klassischen Nieren- und Blasentees regen die Nierentätigkeit an und verstärken die Bildung von Primärharn, ohne dabei in den Elektrolythaushalt einzugreifen. Weitere wirksame Inhaltstoffe sind zum Beispiel im Goldrutenkraut antibakterielle und antiphlogistisch wirkende Estersaponine und Phenolglykoside mit spasmolytischen Effekten.

Bei der Zubereitung des Tees sollte das Kraut mit siedendem Wasser übergossen werden. Um die wirksamen Bestandteile der Pflanzen optimal zu extrahieren, sollte der Tee zehn Minuten ziehen. Ein Blasen- und Nierentee ist eine sinnvolle Zusatzempfehlung für Patienten, die vom Arzt ein Antibiotikum verordnet bekommen haben. Nach Abklingen eines Infektes können die Tees ruhig noch einige Tage weiter zur Durchspülung getrunken werden.

Pflanzliche Unterstützung Einige Kunden bevorzugen andere Darreichungsformen, zum Beispiel Tropfen oder Dragees aus pflanzlichen Extrakten. Diese sollen ebenfalls mit reichlich Flüssigkeit eingenommen werden. Hervorzuheben sind unter den Phytopharmaka die Blätter der Bärentraube sowie die Kombination aus Rosmarinblättern, Liebstöckelwurzel und Tausendgüldenkraut. Auch die Kombination aus Meerrettichwurzel und Kapuzinerkressenkraut hat sich bewährt, da deren Senföle ebenfalls günstig auf unkomplizierte Harnwegsinfekte wirken.

Lange Jahre wurde gelehrt, unter der Einnahme von Bärentraubenblättern auf eine Alkalisierung des Harns zu achten. Dazu wurde eine Ernährung mit überwiegend basischer Kost in Form von Gemüse und pflanzlichen Nahrungsmitteln empfohlen. Außerdem galt die Zufuhr von Natriumhydrogencarbonat als sinnvoll. Heute ist bekannt, dass die Stoffwechselprodukte des Prodrugs Arbutin in den Harnwegen von Bakterien aufgenommen und erst dort zu freiem, antibakteriell wirksamen Hydrochinon umgewandelt werden. Da der pH-Wert innerhalb der Bakterien nicht über pH-Verschiebungen des Umfelds zu beeinflussen ist, ist also eine Alkalisierung des Urins überflüssig.

Cranberry zur Prophylaxe Seit einigen Jahren ist eine Reihe von Nahrungsergänzungsmitteln mit Cranberryextrakten auf dem Markt. Die großfrüchtige Moosbeere (Vaccinium macrocarpon) ist in den Hochmooren Nordamerikas beheimatet und mit der hiesigen Preiselbeere verwandt. Die in den Cranberries enthaltenen Pro- und Anthocyanidine scheinen dafür verantwortlich zu sein, dass sich Escherichia-coli-Bakterien nur schwer an die Blasenschleimhaut anheften können und sich später dann auch nicht explosionsartig vermehren.

DEFINITION DER UNKOMPLIZIERTEN HARNWEGSINFEKTION
Eine Harnwegsinfektion wird als unkompliziert eingestuft, wenn im Harntrakt keine relevanten funktionellen oder anatomischen Anomalien, keine relevanten Nierenfunktionsstörungen und keine relevanten Begleiterkrankungen vorliegen, die eine Harnwegsinfektion beziehungsweise gravierende
Komplikationen begünstigen.

(S-3 Leitlinie AWMF-Register-Nr. 043/044 Harnwegsinfektionen)

Insbesondere für Menschen, die unter häufigen Rezidiven der Harnwegsinfekte leiden, gelten Produkte mit Cranberryextrakten, zum Beispiel als Saft oder Dragees, als eine sinnvolle Unterstützung zur Prophylaxe. Studien, die endgültige Rückschlüsse auf zu empfehlende Tagesdosierungen geben, gibt es bisher nicht. Bei der Einnahme des Konzentrats sind Dosierungen von ein bis drei Mal täglich 10 bis 100 Milliliter Konzentrat verdünnt mit Wasser zu finden.

Spasmolytisch – analgetisch Um die Schmerzen zu lindern, können, sofern keine Kontraindikationen bestehen, Analgetika wie Ibuprofen oder Paracetamol eingenommen werden. Die Fixkombination aus Butylscopolamin und Paracetamol wirkt zusätzlich noch krampflösend. Warme Umschläge, eine Wärmflasche oder ein heißes Bad sind weitere gute Maßnahmen, die den Betroffenen Erleichterung bringen.

ZUSATZINFORMATIONEN
Die vollständige Tabelle zu den empfohlenen Antibiotika finden Sie hier zum Download

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 06/12 ab Seite 14.

Dr. Katja Renner, Apothekerin

×