Geisterstadt mit leeren Häusern und leeren Straßen
Wird die Einführung des E-Rezeptes zum Apothekensterben führen? ©Vladimir Zapletin / iStock / Getty Images Plus

E-Rezept-Studie | Apothekenmarkt

WORST-CASE: 2030 NUR NOCH KNAPP 12 000 APOTHEKEN

Die E-Rezept-Studie schildert ein wahres Horror-Szenario für den deutschen Apothekenmarkt: Die geplante Einführung des elektronischen Rezeptes könnte zur Schließung von fast 7000 Apotheken führen – innerhalb von zehn Jahren.

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Während sich die Online-Apotheken die Hände reiben, steht der inhabergeführten Vor-Ort-Apotheke der Schweiß auf der Stirn. Die Online-Vertreter können die Digitalisierung und die Ablösung des Papier-Rezepts wohl kaum noch erwarten, es geht immerhin um zehn Prozent des Rx-Marktanteils, besser gesagt um fünf Milliarden Euro Plus, und das zu Lasten der Offizin-Apotheke. So prognostiziert es zumindest die E-Rezept-Studie 2019, die von der Unternehmensberatung Dr. Kaske durchgeführt und veröffentlicht wurde.

86 Prozent der befragten Apotheker befürchten, dass sie ihre Kunden an den digitalen Konkurrenten verlieren. Nicht ganz unbegründet, denn die Hälfte der befragten Verbraucher gaben in der Studienbefragung an, ihr Rezept online einlösen zu wollen. Und das obwohl mehr als 70 Prozent bis zu der Umfrage noch nie was vom E-Rezept gehört hatten. Somit hätte dann auch der Rx-Bereich mit den Vorteilen des Internets zu kämpfen: bequem von zuhause oder unterwegs bestellen, online bezahlen, im besten Fall Same-Day oder Next-Day-Delivery. Hersteller wiederum wittern laut Studie vor allem Umsatz. Bislang liegt der Rx-Online-Anteil bei 1,5 Prozent. Dieser könnte drastisch ansteigen, wenn das E-Rezept wie geplant im Frühjahr 2020 eingeführt wird. Eine Steigerung des Marktanteils auf bis zu 10 Prozent erscheint zunehmend wahrscheinlich.

Neben Befragungen, Expertenstatements und Case-Studies stellt die Studie auch verschiedene Zukunftsprognosen auf, wie sich der weitere Verlauf auf die Marktentwicklung auswirken wird. Zur Apothekenentwicklung sieht das Unternehmen drei mögliche Szenarien:

  • Szenario 1 (20 Prozent Eintrittswahrscheinlichkeit): Einführung des E-Rezeptes verschiebt sich, Papier bleibt. Schutzmaßnahmen für die Apotheke vor Ort werden durchgeführt. Folgerezepte werden weiterhin vom Arzt ausgestellt.
  • Szenario 2 (45 Prozent Eintrittswahrscheinlichkeit): E-Rezept kommt im Frühjahr 2020. Nach ersten Schwierigkeiten wird es gut von Ärzten und Patienten angenommen. Das Gesetz zur Folgerezept-Ausstellung wird erlassen und beschert Online-Apotheken weiteren Aufschwung. Diese optimieren sich hin zu kürzeren Lieferzeiten.
  • Szenario 3 (35 Prozent Eintrittswahrscheinlichkeit): E-Rezept wird planmäßig eingeführt. Alle (Ärzte, Apotheker, Patienten) stellen sich auf Digitalisierung des Rezeptes ein. Bequemlichkeit, Same-Day-Delivery und One-Klick-Bestellung lassen Umsatz der Online-Apotheken ansteigen.

Das letzte Szenario beschreibt den Worst-Case-Fall: Innerhalb von zehn Jahren schließen jeden Tag durchschnittlich zwei stationäre Apotheken in Deutschland.

Mit den gleichen Eintrittswahrscheinlichkeiten prognostiziert die Studie ebenso drei Szenarien für den Versandhandelsmarkt:

  • Szenario 1 (20%): Online-Rabatte werden wieder verboten. Die Lieferung von Rx-Arzneimitteln nimmt weiterhin einige Tage in Anspruch. E-Rezept wird nicht eingeführt, Papier bleibt. Initiativen und Konzepte zur Stärkung der Apotheke vor Ort fruchten und kleinere Einkäufe werden online bei der stationären Apotheke durchgeführt.
  • Szenario 2 (45%): Boni bleiben. In Großstädten ist die Lieferung innerhalb von 24 Stunden an der Tagesordnung. E-Rezept kommt planmäßig und etabliert sich – Apotheken kommen nur schwer mit der Digitalisierung nach.
  • Szenario 3 (35%): Deutsche Versandhändler dürfen ebenfalls Boni gewähren. 24-Stunden-Lieferung ist Standard. E-Rezept ist voller Erfolg und Ärzte senden direkt an Doc-Morris oder Amazon. Digitale vor-Ort-Konzepte scheitern, da Apothekeninhaber interne Kämpfe verlieren.

Und was sagt der CEO der Dr. Kaske Marketingagentur, Fabian Kaske, zu den Ergebnissen ihrer Studie? „Die Einführung des E-Rezepts ist die größte Veränderung des Apothekenmarkts seit 15 Jahren. Damals wurden die Versandapotheken eingeführt. Dutzende Milliarden Umsatz werden sich in Richtung Online verschieben durch E-Rezept, Apotheker-Folgerezept und die Digitalisierung. Es ist erstaunlich, dass die Apotheker bei diesem Thema noch so still sind.“ Stellen sich die Prognosen der E-Rezept-Studie 2019 als korrekt heraus, kann man dem nur zustimmen. Es geht dann immerhin um ihre Existenz.

Farina Haase,
Apothekerin/Redaktion

Quellen: E-Rezept-Studie 2019, pdf
             https://drkaske.de/studien/erezept/ 

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