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Politik

WIE EIN GESETZ ENTSTEHT

Der gesamte Arzneimittelbereich ist nicht nur stark reguliert, die Gesetze werden auch ständig fortgeschrieben. Aktuelles Beispiel ist die so genannte 16. AMG-Novelle.

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Derzeit befindet sich das Zweite Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften, nicht ganz korrekt „16. AMG-Novelle” genannt, im Gesetzgebungsverfahren. Es dient im Wesentlichen der Umsetzung von Europäischem Recht, nämlich der so genannten Pharmakovigilanz- und der Fälschungsrichtlinie. Das Änderungsgesetz ist eine von vielen Rechtssetzungen im Arzneimittelbereich in den letzten Jahren und Anlass, das Gesetzgebungsverfahren näher zu beleuchten.

Ausgangsituation Eine Initiative für ein Bundesgesetz wie die AMGNovelle kann von drei Verfassungsorganen ausgehen: der Bundesregierung, dem Bundesrat oder einer Fraktion des Bundestages. Geregelt ist das im Grundgesetz. Dort ist auch festgelegt, dass das Recht des Apothekenwesens, der Arzneimittel, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes unterliegt.

Das heißt, die Bundesländer dürfen nur dann in diesem Bereichen Regelungen treffen, solange und soweit der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch macht. Im Arznei- und Apothekenbereich macht der Bund regelmäßig von seinem Gesetzgebungsrecht Gebrauch, was auch im Hinblick auf einheitliche und wirksame Regelungen sinnvoll ist.

Gesetzesvorlagen der Bundesregierung Diese werden zunächst dem Bundesrat als Drucksache zur Stellungnahme zugeleitet. Gesetzentwurf, Stellungnahme des Bundesrates und die Gegenäußerung der Bundesregierung gehen sodann dem Bundestag als Bundestagsdrucksache zu. Es folgt eine Erste Lesung im Plenum des Bundestages, die der allgemeinen Aussprache über die Notwendigkeit und Zielsetzung der Vorlage dient.

Im Anschluss wird Letztere den betroffen Ausschüssen des Deutschen Bundestages – im Arzneimittelbereich wird insbesondere der Gesundheitsausschuss eingebunden – zur Beratung überwiesen. In den Ausschüssen werden die Vorlagen fachlich beraten und Änderungen erarbeitet, die dann dem Plenum zur Zweiten Lesung vorgelegt werden.

Am Ende der Dritten Lesung steht der Gesetzesbeschluss. Lehnt der Bundestag die Vorlage ab, ist das Gesetz gescheitert. Hat der Bundestag dem Gesetz (ggf. mit Änderungen) zugestimmt, wird es dem Bundesrat zugeleitet (zweiter Durchgang). „Einfache” Gesetze bedürfen nicht der Zustimmung des Bundesrates. Er kann aber in jedem Falle Stellung nehmen und den Vermittlungsausschuss anrufen.

Die meisten Gesetze im Arzneimittel- und Apothekenbereich sind jedoch zustimmungsbedürftig, denn sie berühren die Verwaltungszuständigkeit der Länder. Lehnt der Bundesrat solch ein Gesetz ab, ist es gescheitert. Der Bundesrat kann alternativ auch den Vermittlungsausschuss mit dem Ziel anrufen, einen Kompromiss zu erreichen. Stimmt der Bundesrat dem Gesetz gegebenenfalls mit den ausgehandelten Änderungen zu, so wird es vom zuständigen Minister und Bundeskanzler unterschrieben (gegengezeichnet), sodann vom Bundespräsident auf Verfassungskonformität geprüft und ausgefertigt. Et voilà, das Gesetz wird im Bundesgesetzblatt verkündet und tritt in der Regel kurz danach in Kraft.

Europäische Union Das nationale Arzneimittelrecht wird inzwischen maßgeblich durch EU-Recht bestimmt. Deshalb soll kurz beleuchtet werden, wie ein Gesetz in der Europäischen Union entsteht und welche Funktionen die vier wichtigsten Institutionen der EU haben. Der Europäische Rat, bestehend aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten, versteht sich als Impulsgeber. Er verabschiedet Grundsatzentscheidungen und erteilt Arbeitsaufträge an Kommission und Ministerrat.

Die Europäische Kommission wiederum wird aus den Kommissaren der Mitgliedsstaaten gebildet und hat das Initiativrecht. Die Kommission arbeitet Vorschläge für Richtlinien und Verordnungen aus und ist quasi der Motor der Gemeinschaftspolitik. Sie ist zugleich die Hüterin des Gemeinschaftsrechts und kann Vertragsverletzungsverfahren durchführen, wovon die Kommission auch im Apothekenbereich in der Vergangenheit Gebrauch gemacht hat.

Der Ministerrat wiederum, in dem die Fachminister der Mitgliedstaaten vertreten sind, ist das eigentliche Entscheidungsorgan der EU und bildet zusammen mit dem Europäischen Parlament das Gesetzgebungsorgan der EU. Im Parlament haben die Vertreter der EU-Bürger Sitz und Stimme. Es prüft die Vorschläge des Ministerrats und wirkt am Rechtssetzungsverfahren mit. Im einfachsten Fall ist der Rechtsakt angenommen, wenn Ministerrat und Parlament sich auf einen gemeinsamen Standpunkt oder Änderungen einigen. Bei unterschiedlichen Auffassungen versucht der Vermittlungsausschuss ein Einvernehmen herzustellen.

Auswirkungen auf Deutschland EU-Richtlinien müssen noch national umgesetzt werden, EU-Verordnungen gelten hingegen unmittelbar. Wichtige Beispiele sind die Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel und die Verordnung (EG) Nr. 726/2004 für die zentrale Zulassung und Überwachung von Arzneimitteln.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 04/12 ab Seite 82.

Dr. Michael Binger, Hessisches Sozialministerium

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