In der neuen Leitlinie gegen neuropathische Schmerzen wurde nun auch Cannabis empfohlen, obwohl kein Cannabinoid offiziell für die Schmerz-Indikation zugelassen ist. © Aleksandr_Kravtsov / iStock / Getty Images Plus

Neue Leitlinie | Neuropathische Schmerzen

WENN SONST NICHTS MEHR HILFT: CANNABIS IN DER SCHMERZTHERAPIE

Cannabis taucht jetzt auch in der neuen offiziellen Leitlinie zur Diagnose und Therapie neuropathischer Schmerzen auf, allerdings als off-label-Use.

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Bei neuropathischen Schmerzen helfen herkömmliche Schmerzmittel nicht: Ibuprofen, Paracetamol und Co. versagen, da sie „nur“ Rezeptoren besetzen – bei Neuropathien ist es aber das Nervensystem selbst, das die Schmerzen verursacht, da es geschädigt oder erkrankt ist.

Immerhin drei bis fünf Prozent der Bevölkerung leiden unter neuropathischen Schmerzen. Schwierig ist es vor allem, die verschiedenen Schmerzarten voneinander abzugrenzen. Auch die Tatsache, dass Patienten unterschiedlich auf verschiedene Wirkstoffe ansprechen, macht die Therapie nicht einfacher.

Erste Wahl sind nach wie vor die Antikonvulsiva Pregabalin und Gabapentin mit ihrer Wirkung auf neuronale Calciumkanäle. Daneben werden trizyklische und tetrazyklische Antidepressiva sowie selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer wie Duloxetin eingesetzt. Letzteres ist aber lediglich zur Behandlung der diabetischen Neuropathie zugelassen. Auch Kombinationstherapien sind sinnvoll, da so die einzelnen Wirkstoffe und ihre Nebenwirkungen reduziert werden können und synergistische Effekte möglich sind.

Tramadol mit seiner noradrenergen und serotonergen Wiederaufnahme-Hemmung setzt die Leitlinie an zweite Stelle der Empfehlungen. Als Medikamente der dritten Wahl werden hochpotente Opioide empfohlen – allerdings sollen hier Abhängigkeitspotenzial und Nebenwirkungen mit beachtet werden.

Nur in Einzelfällen sollen Oxcabarzepin und Carbamazepin eingesetzt werden – letzteres bleibt dennoch bei der Trigeminusneuralgie erste Empfehlung. Von Benzodiazepinen, Baclofen, NMDA-Rezeptor-Antagonisten und Nicht-Opioidanalgetika wie NSAR, Cox-2-Inhibitoren, Paracetamol oder Metamizol wird abgeraten.

Erstmals tauchen Cannabinoide in der neuen S2k-Leitlinie auf. Der Hinweis, dass keine der Substanzen für die Schmerz-Indikation zugelassen ist und die Therapie Off-Label erfolgt, fehlt zwar nicht, aber dennoch: Auch dieser Einsatz wird in Einzelfällen empfohlen, wenn andere Schmerztherapien bereits versagt haben.

Topisch empfiehlt der Therapiekatalog fünf-prozentige Lidocain- oder acht-prozentige Capsaicinpflaster. Unter nicht-medikamentösen Behandlungsformen werden die transkutane elektrische Stimulation (TENS) ebenso gelistet wie auch Ergo- und Physiotherapie sowie Schmerzpsychotherapie.

Der erstmals erwähnte noziplastische Schmerz ist durch eine pathologische Wahrnehmung eines Schmerzreizes definiert, allerdings ohne dass eine bestehende Gewebeschädigung oder Erkrankung als Ursache nachgewiesen werden konnte. Er steht neben den bisher bekannten Bezeichnungen der neuropathischen und nozizeptiven Schmerzen. Von Polyneuropathie spricht man, wenn der Schmerz von mehreren Nerven ausgeht (häufigste Ursache Diabetes mellitus) Außerdem können Nierenschäden und Nervenschädigungen durch toxische Substanzen wie Alkohol oder Infektionskrankheiten (Borreliose) entstehen. Ausdruck sind dann oft ein unangenehmes Kribbeln, Taubheitsgefühle oder schmerzhafte Missempfindungen.

Alexandra Regner,
PTA und Journalistin

Quelle: Apotheke adhoc

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