Hotdogs © bhofack2 / iStock / Getty Images
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Kopfschmerzen und Nahrungsmittel

WENN GENUSS ZUR QUAL WIRD

Bei der Fahndung nach den Ursachen von Kopfschmerzen fokussiert sich die Forschung zusehends auf die Ernährung. Phänomene wie das bekannte „Chinarestaurant-Syndrom“ oder weniger populäre wie der „Hot-Dog“- oder „Eiscreme-Kopfschmerz“ legen das nahe.

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Donnern im Kopf, Blitze vor den Augen – Migräne, das schmerzhafte Gewitter im Kopf, zieht bei über acht Millionen Deutschen regelmäßig herauf. Was die Anfälle auslöst, servieren sich viele der Betroffenen selbst. Neben Stress, Licht- und Lärmreizen können auch Nahrungsmittel die schmerzhafte Kaskade in Gang setzen. Das gilt auch, wie man inzwischen erkannt hat, für ganz „normale“ Kopfschmerzen.

Gefahr auf dem Teller Speisen und Getränke sind nicht die eigentlichen Ursachen der Schmerzattacken, können diese jedoch auslösen – als so genannte Trigger. Zu ihnen gehören allen voran reifer Käse, Schokolade und Rotwein sowie eingelegte und marinierte Lebensmittel. Doch auch Eier, Früchte wie Avocado, Bananen und Himbeeren sowie Coffein können die Schmerzspirale im Kopf in Gang setzen. Das Gleiche gilt für Konservierungsmittel. Gefahr ist besonders bei Nitraten und Nitriten in Verzug: Was Fleisch- und Wurstwaren haltbar macht, kann pulsierende, pochende Schmerzen in der Stirnregion provozieren. Schmerzexperten nennen dies nicht von ungefähr auch den „Hot-Dog-Kopfschmerz“.

Hauptübeltäter Glutamat Ganz oben auf der Liste der Verdächtigen steht der Geschmacksverstärker Glutamat. Auf ihn reagiert ein Drittel der Bevölkerung mit heftigsten Abwehrreaktionen. Diese ereilen viele bei fernöstlichen Genüssen. Vor allem in der chinesischen Küche kommt reichlich Glutamat in die Töpfe. Weshalb die Beschwerden, die er provoziert – starke Kopfschmerzen, Schläfendruck, Kribbeln im Hals, Herzrasen, Hitzewallungen und Brennen auf der Haut – auch als „Chinese Restaurant Syndrome“ bekannt sind.

Schmerzhafter Kältereiz durch Eiscreme Anderen wiederum wird nicht der Besuch beim Chinesen zum Verhängnis, sondern der Gang in die Eisdiele. Diesen bekommt nämlich so mancher mit dem sogenannten „Eiscreme-Kopfschmerz“ quittiert. Der Deutschen Gefäßliga zu Folge ereilt dieser immerhin vierzig Prozent der Bevölkerung. Was die plötzlichen stechenden Schmerzen in der Stirn auslöst, ist der Kältereiz im Mund: sobald Eis den Gaumen berührt, schlagen hier bei den dafür empfindlichen Menschen die Kälterezeptoren Alarm. Infolgedessen verengen sich binnen Sekunden die Blutgefäße im Gehirn. Diese Konstriktion drosselt die Durchblutung im Gehirn und führt so zu den Kopfschmerzen. Übrigens: Dieser Kopfschmerz kann auch beim Tauchen und Schwimmen in kaltem Wasser sowie bei einer kalten Dusche auftreten.

Weiterer Risikofaktor: Übersäuerung Ein aus dem Gleichgewicht geratener Säure-​Basen-Haushalt kann das Schmerzempfinden verstärken. Um dem vorzubeugen, wird vor allem Kopfschmerz- und Migränepatienten angeraten, säurebildende Nahrungsmittel zu meiden. Dazu gehören unter anderem Weißmehlprodukte, Süßigkeiten, kohlensäure- und alkoholhaltige Getränke.

Suche auf Hochtouren So genau wie etwa beim „Eiscreme-Kopfschmerz“ oder „Chinese Restaurant Syndrome“ sind die Hintergründe des Schmerzgeschehens leider nicht immer bekannt. Wie Genuss zur Qual werden kann, dafür haben die Schmerzforscher derzeit zumindest zwei Hypothesen: Bestimmte Stoffe in der Nahrung setzen biochemische Mechanismen in Gang, die auf direktem Weg in die Schmerzen führen. Der anderen These zufolge sind allergische Reaktionen des Körpers die Wurzel des Übels. So kann Migräne beispielsweise mit Zöliakie zusammenhängen.

Die Unverträglichkeit gegenüber dem Klebereiweiß Gluten, das unter anderem in Weizen, Roggen, Gerste und Hafer vorkommt, wurde bereits mit vielen Störungen von Nerven und Gehirn in Verbindung gebracht. Ebenso mehren sich Hinweise darauf, dass Darmbakterien als Reaktion auf bestimmte Nahrungsstoffe zur Auslösung von Schmerzsignalen führen könnten. Viele interessante Ansätze, die derzeit auf Hochtouren erforscht werden. Wir dürfen gespannt sein, was die wissenschaftliche Suche in den Küchen demnächst noch über den Zusammenhang zwischen Kopfschmerzen und Nahrungsmitteln auf den Tisch bringt.

Diät zur Vorbeugung? Ungeachtet all der bisher bekannten Knotenpunkte zwischen Teller und Kopf: Eine spezielle Ernährung oder gar Diät, die Migräne und Kopfschmerzen verhindern kann, gibt es nicht. Der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft zu Folge entbehren „diätetische Maßnahmen als primärer Behandlungsansatz für Kopfschmerzattacken jeder Grundlage.“ Also dann alles, was potenziell riskant ist, vom Speiseplan streichen? Dieses strikte Meiden, die sogenannte „Auslassdiät“, macht erst dann Sinn, wenn der oder die Übeltäter eindeutig überführt wurden.

Genau hier liegt jedoch das Problem. Denn die Schmerzattacken speisen sich schließlich aus verschiedenen Quellen: Neben Nahrungsmitteln können auch Stress und Müdigkeit, die Wetterlage oder Emotionen zum Trigger werden. Um konkrete Hinweise zu bekommen, bedarf es deshalb geradezu detektivischer Fähigkeiten. Eine gute Hilfe bei der Spurensuche ist das Führen eines Schmerztagebuchs. Damit lässt sich jenen Speisen leichter auf die Spur kommen, die mit dem Auftreten der Attacken in Verbindung stehen.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 11/2020 ab Seite 52.

Birgit Frohn, Diplombiologin

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